Rosa von Praunheim war ein Produktivitätswunder. In seinen 13 letzten Lebensjahren, seit seinem 70. Geburtstag also, hat er sechs Bühnenstücke aufgeführt, mehr als zehn Filme gedreht, war an einem guten Dutzend Kunstausstellungen beteiligt und hat noch dazu Bücher geschrieben, darunter die Gedichtsammlung "Ein Penis stirbt immer zuletzt".
"Ich sag ja immer so im Scherz, ich bin im Grunde genommen ein sehr großer Dichter und es sollten sich eigentlich alle niederknien vor mir...", sagte er. Auch ein Kinderbuch hat er geschrieben, "Der große und der kleine Penis", sowie das autobiografische Lehrbuch "Wie wird man reich und berühmt? Wie dreht man Filme, schreibt Gedichte, malt man Sterne und Schwänze?".
Eine Ikone der Filmwelt
Insgesamt hat Rosa von Praunheim 150 Filme gedreht oder produziert, die meisten mit queerem Sujet. Zuletzt im Kino zu sehen war von ihm der Dokumentarfilm "Satanische Sau", der erst dieses Jahr auf der Berlinale seine Premiere feierte. Wie so oft bei ihm ist der Film eine Mischung aus Dokumentarfilm und absurdem Fiebertraum, ein barocker Filmessay über Alter, Ruhm und Vergänglichkeit.
"Diese Getriebenheit, die ich habe - das ist, glaube ich, etwas Entscheidendes" sagte von Praunheim einmal im Interview mit dem BR. "Und ich bin dem Sinne auch nicht in Regisseur, sondern Voyeur. Ich beobachte unheimlich gern und kann vielleicht Leuten etwas wiedergeben, wenn ich sie beobachte, dass sie so sind, wie sie eigentlich im besten Sinne sind."
Zoten und politische Botschaften
Mit seinem Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" von 1971 wurde von Praunheim der öffentliche Wegbereiter und Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in der Bundesrepublik Deutschland. Wo "Rosa" draufstand, war Praunheim drin. So ließ sich dieser unvergleichliche künstlerische Kosmos beschreiben, der mit jeder Betrachterin und jedem Betrachter etwas machte. Die einen fühlten sich angegriffen, andere waren irritiert und dritte amüsiert. Zotiges verband sich bei ihm ganz selbstverständlich mit politischen Botschaften. Gesellschaftskritik und Sinnlichkeit fanden in seinen Filmen auf wundersame Weise zusammen.
Offen und neugierig war Praunheim, das war sein großes Talent. Als "Allesgläubiger" hat er sich selbst bezeichnet: "Ich glaube an das Spaghetti-Monster genauso wie an die Wiedergeburt." Kämpferisch war Rosa von Praunheim auch, etwa als er 1991 den Moderator und TV-Koch Alfred Biolek sowie den Komiker Hape Kerkeling im Fernsehen als schwul outete. Der Moderator von "Talk im Turm" wollte damals wissen, was ihn bewogen habe, andere der Homosexualität zu bezichtigen. Von Praunheim antwortete schlagfertig und fragte zurück: "Bezichtige ich Sie der Heterosexualität?"
Am vergangenen Freitag noch hatten von Praunheim und sein langjähriger Partner Oliver Sechting in Berlin geheiratet. Nun ist Rosa von Praunheim im Alter von 83 Jahren gestorben.
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