Der Saum seines grün-weißen Trikots mit der Nummer zehn tanzt um Mustafa Kniekehlen, als er eine Körpertäuschung macht. Für sein Team, die Harras Boys, geht es um den Einzug ins Finale. Der Verteidiger fällt auf seinen Trick rein und macht eine Bewegung nach außen. Mustafa erkennt die Lücke und schiebt den Ball mit dem Innenrist ins Toreck. Doch der Torhüter hält gerade so.
Auch Kinder erleben Ausgrenzung
Vor vier Jahren kam Mustafa aus dem Senegal mit seiner Familie nach München. "Manche Kinder behandeln mich komisch in der Schule", sagt Mustafa. "Ich sag', dass sie aufhören sollen, aber sie machen weiter." Der neunjährige Mustafa ist eines von 5,3 Millionen Kindern in Deutschland, die eine Migrationsgeschichte haben – das sind 39 Prozent.
Eine repräsentative Stichprobe des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk untersuchte 2021 die Alltagserfahrungen von Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 19 Jahren. 94 Prozent der Befragten mit dunkler Hautfarbe hatten das Gefühl, als "fremd", "ausländisch" oder "anders" wahrgenommen zu werden.
Zusammen spielen und gemeinsam jubeln
"Dranbleiben. Das ist dein Ball", ruft Shaid den Jungs auf dem Platz zu. Die 16-Jährige aus dem Jemen trainiert die Harras Boys, die Mannschaft von Mustafa. Sie merkt, wie gut ihm das regelmäßige Kicken tut: "Am Anfang war er schüchtern, hat nicht geredet, hatte Angst, und jetzt hat er Freunde." Sie ist Trainerin bei "buntkicktgut". Mustafa ist seit sieben Monaten dabei.
1997 Jahren hat Rüdiger Heid die Initiative gegründet. "Jeder hat hier seine eigene Biografie", sagt Heid. "Hier können sie sie sich gegenseitig erzählen. Das schafft Neugier. Und das ist mir wichtig: Seid interessiert für die Lebensgeschichte des anderen." Angefangen hat es als regelmäßiges Sportangebot in zwei städtischen Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende und Bürgerkriegsgeflüchtete in den Münchner Stadtteilen Sendling und Neuhausen. Daraus entwickelte sich eine Straßenfußball-Liga für die ganze Stadt. Mittlerweile gibt es das Projekt auch in anderen deutschen Städten.
Diese Werte des Fußballs helfen auch nach Abpfiff
"Wie läuft's bei euch?", fragt Rüdiger Heid die Jungs, die jetzt die Fäuste geballt in die Luft strecken und verschwitzt vom Platz schlurfen. "Wir sind im Finale, ich hab ein Tor gemacht", sagt einer der Spieler. "Und ich habe einen Elfmeter gehalten", ein anderer. "Das ist unser Manuel Neuer", sagt sein Mitspieler und klopft ihm auf die Brust. "Du bist auch der beste Torwart", sagt Rüdiger Heid und schlägt mit den Jungen ein. Auch Mustafa holt sich das High Five ab.
Das anschließende Finalspiel ist umkämpft. Mustafa geht in den Zweikampf. Dann wird er von seinem Gegenspieler am Bein getroffen. Foul. Mustafa geht zu Boden. Doch schnell rappelt er sich wieder auf. Aufstehen, wenn man hinfällt. Weiter machen, auch wenn man unfair behandelt wird. Das lernt Mustafa hier für das Spiel mit Ball und für sein Leben abseits des Platzes.
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