Künstliche Intelligenz ist längst in der Buchbranche angekommen. Die Möglichkeiten, die KI für Schriftstellerinnen, Schriftsteller und für Verlage bietet, sind dabei vielfältig. Und die Frage, ob es eine Zukunft gibt, in der eine KI als alleiniger Erschaffer literarischer Werke die Bestsellerlisten anführt, ist schnell beantwortet: "Aktuell sind bei den Verlagen alle der Meinung, dass wenn es um die Generierung von Inhalten geht, um das Schreiben der eigentlichen Bücher, um die Fantasie, die auch hinter diesen Büchern steckt, das kann eine KI nicht übernehmen", sagt Carmen Udina vom Börsenverein, dem Branchenverband der Büchermenschen.
Noch setzen Verlage die KI für recht profane Tätigkeiten ein
Udina ist Sprecherin der Interessensgruppe Digitales. Das Team erarbeitet Leitfäden und Seminare zu Einsatzmöglichkeiten von KI für die Verlagsbranche. Denn es gibt viele Bereiche, in denen KI sinnvoll genutzt werden kann und die haben erstmal nichts mit literarischer Arbeit zu tun: "Da geht es eher um die Frage, wie können wir eine KI einsetzen, um den Posteingang zu sortieren, dass der Kundenservice in den Verlagen entlastet wird. Oder auch wie kann man als Verlag in Zukunft berechnen, wie viele Exemplare man druckt."
Solche Unterstützungen wirken vielleicht fast banal, können aber viel Arbeit abnehmen. So auch für Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die Recherche- und Schreibprozesse durch den Einsatz von Sprachprogrammen erleichtern können, erklärt Jenifer Becker: "So wie ich vielleicht vorher Suchmaschinen genutzt habe, finde ich jetzt hilfreich, in Momenten, wo ich gerade faul bin, sehr flapsig mit ChatGPT zu interagieren."
Wenn die KI kreativ wird: Noch ist es schwierig
Jenifer Becker ist selbst Romanautorin und forscht zudem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Hildesheim unter anderem zu digitaler Literatur. Sie betreut Projekte, in denen mit neuronalen Netzwerken wie ChatGPT literarische Texte erzeugt werden. Also die KI wirklich selbst zum Autor einer Geschichte werden darf.
Ihre Erfahrungen aus diesen Experimenten sind ambivalent: "Der Vorteil bestand darin, dass wir innerhalb kürzester Zeit sehr viele Ideen, Material, Konzepte generieren lassen können. Die müssen aber dann – und das ist gleich schon wieder der Nachteil – kuratiert werden, ausgelesen werden. Der Vorteil kann natürlich auch sein, dass ich auf Ideen komme, die ich vielleicht vorher noch gar nicht hatte oder dass Ideen, die ich noch nicht ganz ausformuliert hatte, sich entwickeln. Das kann man sich so vorstellen wie Arbeiten im Kollektiv. Die Nachteile überwiegen gerade, sie liegen darin, dass zum einen sehr generische Inhalte produziert werden. Themen wiederholen sich oft, je länger man sich damit beschäftigt, desto deutlicher wird, wie ähnlich sich Inhalte sind. Einen Nachteil möchte ich noch benennen, das ist, dass wir mit Texten arbeiten, die eigentlich urheberrechtlich geschützt sind, die notwendig sind, um überhaupt Sprache auf diesem Niveau generieren zu können."
Die KI nutzt fremde Texte – ist das legal?
Solche urheberrechtlichen Fragen stellen die Buchbranche mitunter vor die größten Herausforderungen. Auf Basis welcher Texte wurde das Programm ursprünglich trainiert? Welche Urheberrechte wurden dabei verletzt? Gerichtsprozesse, wie z.B. der der New York Times gegen OpenAI zeigen: Für die Verlagswelt besteht Handlungsbedarf. "Da hat jemand sich an den Werken der Künstler bedient und natürlich haben die Künstler und Autorinnen und Autoren auch ein Recht, dafür entlohnt zu werden. Und es ist genau dieser Kampf, den wir auch als Branche gerade kämpfen, eine gerechte Entlohnung für den Hirnschmalz von anderen, der jetzt dafür sorgt, dass die KI groß wird."
Mit dem AI Act liefert die EU erste Maßnahmen zur Regulierung, indem Anwendungen von KI drei Risikokategorien zugeordnet und dadurch geregelt werden. Doch um ihre eigenen Werke zu schützen, stehen Schriftstellerinnen und Schriftsteller selbst in der Verantwortung. Das kann man aktuell machen durch ein sogenanntes Opt-out, indem in den Texten vermerkt ist, am Anfang oder auf der Website, dass diese Texte nicht genutzt werden dürfen für das Training eines Sprachmodells.
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