Name und Aussehen erinnern an die Schutzhütten oder Hospize, wie es sie in den Bergen für Wanderer und Kletterer gibt: Schutzhütten können bewirtschaftet oder unbewirtschaftet sein, und tagsüber verlässt man sie in der Regel wieder. Kaum anders verhält es sich beim Übernachtungsschutz für Obdachlose im Münchner Norden in der Lotte-Branz-Straße, nur, dass dieser nicht in den Bergen steht.
Bei diesem Gebäude gehe es darum, "nicht nur Hilfe in einer Notlage zu bieten, sondern eine Heimat auf Zeit"– so beschreibt es Matthias Haber vom Münchner Architekturbüro "Hild und K", das von der Stadt München mit dem Neubau beauftragt wurde.
Rund 3.500 Personen haben das Angebot schon angenommen
Seit 2013 betreibt die Kommune dieses bundesweit einzigartige Übernachtungsangebot für obdachlose Männer, Frauen und Kinder – anfangs noch behelfsmäßig in der ehemaligen Bayern-Kaserne, nun durch den in Schwabing-Freimann platzierten Neubau mit roter Holzfassade.
Die Standards und die Angebote der vom Evangelischen Hilfswerk betriebenen Einrichtung konnten deutlich verbessert werden. 730 Schlafplätze gibt es – der Großteil der Gäste kommt aus dem EU-Ausland, jeweils zu 30 Prozent Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor aus Bulgarien und Rumänien, der Rest verteilt sich über andere Länder. Elf Prozent sind Deutsche, oft betroffen von psychischen Krankheiten und durch alternative Hilfsangebote kaum mehr erreichbar.
Die Architekten haben die neue Heimat auf Zeit über mehrere Flügel verteilt – ein menschenmaßstäbliches Gebäude ist entstanden, das auch durch die verschiedenen Innenhöfe Schutzräume bietet, erklärt Matthias Haber. Da das Gebäude in einem Gewerbegebiet liege, einem Ort also, wo man sich nicht unbedingt gerne aufhalte, sollte das Bauwerk selbst einladend wirken.
Betonskelettbau aus Fertigteilelementen
Im vergangenen Jahr haben rund 3.500 Personen das Angebot des Übernachtungsschutzes wahrgenommen. Diese Zahl steigt seit ein paar Jahren, ebenso wie der Anteil psychisch kranker Personen. Die Verweildauer ist ungefähr gleichgeblieben, ca. 50 Prozent der Übernachtungsgäste bleiben einen Monat oder länger, rund jeder Fünfte nur einen bis wenige Tage, der Rest irgendwas dazwischen.
Mittlerweile heiße es oft, "ich schlaf im roten Haus, da bin ich zuhause", sagt Architektin und Projektleiterin Katharina Benz. Sie freut sich, dass der Übernachtungsschutz so positiv aufgenommen wird. Der Betonskelettbau aus Fertigteilelementen überzeugt durch seine lebendige ziegelrote Holzfassade – und auch manche einladende Details, etwa die unterhalb des Dachabschlusses laufenden Bordüren, kunstvoll profilierte Bretter, die zum einen dem Wetterschutz dienen und zum anderen die Fassade ästhetisch aufwerten.
Tatsächlich haben diese Opferbretter, wie sie im ländlichen Bereich oder in den Bergen genannt werden, immer auch eine dekorative Funktion. Und die kann auch von Wertschätzung für die Bewohner zeugen, meint Matthias Haber: "Weg von diesem Bild einer reinen Obdachlosenunterkunft."
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