Die beiden Politiker im Kreml am Schreibtisch
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Putin mit Ex-Verkehrsminister Roman Starowoit im Januar 2025
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Putin mit Ex-Verkehrsminister Roman Starowoit im Januar 2025

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Nach Rauswurf: Putins Ex-Verkehrsminister tot aufgefunden

Nach Rauswurf: Putins Ex-Verkehrsminister tot aufgefunden

Wenige Stunden nach seiner Entlassung wurde der russische Ex-Verkehrsminister Roman Starowoit erschossen aufgefunden. Beobachtern zufolge wurde er von Putin wegen chaotischer Zustände an Flughäfen nach ukrainischen Drohnenangriffen geschasst.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"In solchen Fällen schickte der türkische Sultan seinen Adligen einfach eine Seidenschnur, mit der sie sich strangulieren sollten", so der Politologe Anatoli Nesmijan über den aufsehenerregenden Tod des russischen Ex-Verkehrsministers Roman Starowoit, der nach Angaben der regierungsamtlichen Nachrichtenagentur TASS [externer Link] am 7. Juli erschossen in seinem Auto aufgefunden wurde. Die Umstände des Vorfalls werden derzeit untersucht, die Sprecherin des zentralen Ermittlungskomitees, Swetlana Petrenko, nannte als wahrscheinlichste Version eine Selbsttötung. Starowoit war wenige Stunden vor Bekanntwerden seines Todes von Putin ohne nähere Angaben aus seinem Ministeramt entlassen worden.

Beobachter hatten in diesem Zusammenhang auf erhebliche Probleme der russischen Luftfahrt und Infrastruktur durch ukrainische Drohnenangriffe verwiesen. Starowoit habe sie nicht in den Griff bekommen, so seine Kritiker. In einer Analyse [externer Link] stellte Nesmijan fest, Russlands schiere Größe drohe zum Nachteil zu werden, ein Umstand, an dem Starowoit naturgemäß nichts habe ändern können: "Es ist unmöglich, diese Fläche vor dem Eindringen kleiner Drohnen zu schützen." Theoretisch sei es zwar denkbar, jedes wichtige Objekt mit Luftabwehr auszustatten, doch insgesamt seien die Kosten "schlicht untragbar", auch deshalb, weil ständig die gesamte russische Infrastruktur lahmgelegt werde, etwa große Flughäfen und das Internet.

Selbst Kreml-Propagandist Sergei Markow sprach vom "fast völligen Zusammenbruch" des russischen Luftverkehrs vom 5. bis 7. Juli wegen ukrainischer Drohnenangriffe [externer Link]. Knapp 500 Flüge seien gestrichen, rund 2.000 verspätet gewesen. Von Millionenverlusten der Luftverkehrsunternehmen war die Rede. Das durchkreuzt die Propaganda-Strategie des Kremls, im Inland stets "Normalität" zu suggerieren, als ob der Krieg für den Normalbürger unerheblich sei.

"Es bleibt spannend"

Einer der tonangebenden russischen Militärblogger schrieb nach Starowoits Tod [externer Link]: "Man muss ihm zugutehalten: Immerhin hatte er den Mut, in bester Tradition des russischen Adels und der frühen sowjetischen Generäle zu handeln. Übrigens hat seit Bestehen der Spezialoperation kein einziger General, der beim Stehlen oder wegen Korruption erwischt wurde, so etwas gewagt."

Der neue Verkehrsminister Andrei Nikitin hatte erklärt, er werde sich zuallererst um die Lage an den Flughäfen kümmern. Das nährte Spekulationen, dass Starowoit vom Kreml nicht mehr zugetraut wurde, das "Chaos" in den Griff zu bekommen. Andere Beobachter verwiesen darauf, dass Starowoit schon zu seiner Zeit als Gouverneur der Region Kursk unter Korruptionsverdacht stand und Gelder für Grenzbefestigungen abgezweigt haben könnte. Insider verwiesen darauf, dass der geschasste Starowoit und der jetzt ins Amt berufene Nikitin jeweils Schützlinge konkurrierender russischer Oligarchen-Clans seien.

"Doppelter Präzedenzfall"

"Da die Armee unter der besonderen Kontrolle des Präsidenten steht und es unter den Bedingungen der Spezialoperation notwendig ist, die Kapazitäten des Ministeriums optimaler zu nutzen und Korruption zu minimieren, wurde mit Starowoits Rauswurf ein doppelter Präzedenzfall geschaffen", so eines der wichtigsten russischen Politforen: "Er zeigt, dass Bundesminister nicht länger durch das System gegenseitiger Abhängigkeiten geschützt sind."

"Zuzugeben, dass der Flughafenkollaps der Grund für den Rücktritt des Verkehrsministers war, bedeutet, den außergewöhnlichen Charakter der Situation, die sich jederzeit wiederholen könnte, und damit Kiews Einfluss auf die Personalpolitik des Kremls einzugestehen. Das ist nicht möglich", kommentierte der Politologe Konstantin Kalaschew ironisch [externer Link]. Irgendwelche strukturellen Probleme könne der Kreml auch nicht öffentlich einräumen.

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Peter Jungblut

"Infrastruktur von Pjöngjang zu Preisen von Zürich"

"In Sachen Infrastruktur, Bauten und Bürgerrechte schaffen unsere lieben Behörden hier bei uns eine Mischung aus [dem nordkoreanischen] Pjöngjang und [dem turkmenischen] Aschgabat, aber wenn es darum geht, die ihnen unterstellten Menschen zur Kasse zu bitten, orientieren sie sich an den Preisen von London und Zürich", spottete Politologe Andrei Nikulin über die Krise von Russlands Verkehrspolitik [externer Link]. Der Eisenbahn und den Häfen geht es nämlich nicht besser als den Flughäfen.

"Diese Haut lohnt nicht"

Politologe Ilja Graschtschenkow verwies darauf [externer Link], dass der neue Verkehrsminister Nikitin Erfahrungen mit dem Bau von Drohnen habe. Er könne sich vorstellen, dass das Verkehrsministerium künftig enger mit dem Verteidigungsministerium zusammenarbeite und "neue Techniken" einführen werde. Es gebe "Probleme in der Luftfahrt im Allgemeinen [etwa bei der Neuentwicklung russischer Flugzeuge] sowie zunehmende Probleme bei der Russischen Eisenbahn".

Fazit eines kremlkritischen russischen Bloggers zu Putins Infrastruktur-Problemen [externer Link]: "Ja, obwohl die Ukraine nicht in der Lage ist, Russland zu besiegen (aufgrund der Unentschlossenheit des Westens und ihrer eigenen Probleme), wird es von Tag zu Tag offensichtlicher, dass sich diese Haut nicht lohnt. Und der Bär ist noch nicht einmal erlegt."

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