Es war ein Konzertsommer, wie ihn München noch nie erlebt hat. Mehr als 700.000 Menschen sahen Adele: in einem eigens errichteten Stadion mit der größten LED-Leinwand, die je bei einem Konzert aufgebaut wurde. Coldplay füllten im August das Olympiastadion gleich dreimal hintereinander.
Taylor Swift machte dagegen den Olympiaberg weltbekannt: Die Zehntausende von Fans, die auf dem Hügel ohne Ticket ihrem Konzert lauschten, waren nicht nur auf ihrem Instagram-Kanal, sondern auch in der New York Times und im englischen Guardian zu sehen.
"München wird jetzt auch für andere Künstler immer interessanter"
"Ich glaube, dass München immer interessanter wird, jetzt auch für andere Künstler, die im Großen spielen wollen", sagt Frank Bergmeyer, der mit seiner Konzertagentur Propeller 2024 selbst 300 große und kleine Shows in München veranstaltet hat.
Die Produktion der spektakulären Stadionkonzerte hat ihn als Geschäftsmann beeindruckt, musikalisch allerdings haben sie ihn nicht immer überzeugt: "Das ist halt alles Brimborium, Zirkus, und meiner Ansicht nach nicht das, was ich als Kulturinteressierter und Musikinteressierter sehen will."
Kultur nicht gegeneinander ausspielen
Überraschende Auftritte von jungen Acts, die selbst Trends schaffen und den Zeitgeist verändern können – das sieht man eher in kleineren Clubs. Viele dieser Bühnen kämpfen aber spätestens seit der Corona-Pandemie und den gestiegenen Produktions- und Personalkosten ums Überleben. Die bombastischen Großkonzerte können dagegen mit teuren Ticketpreisen hohe Gewinne für Veranstalter abwerfen. Gerät die Subkultur aus dem Fokus?
Es gibt kritische Stimmen – und die erreichen auch den jungen Münchner Kulturbürgermeister Dominik Krause: "Ich kann das in Teilen nachvollziehen, finde aber, dass man es nicht gegeneinander ausspielen muss." Wegen der leeren Kassen stehe die Stadt gerade vor großen Herausforderungen. "Da würde natürlich ein finanzieller Vorteil aus so großen Namen, die nach München kommen, konkret bedeuten, dass wir anderes unterstützen können, was wir bisher noch nicht können", sagt Krause.
Bettensteuer könnte helfen, Musikszene zu fördern
Unterstützung für die kleinen Acts – das ist essenziell für eine gesunde und vielfältige Musikszene. Eine lebendige Stadt braucht Proberäume, Clubs und Hallen und angehende Musikerinnen und Musiker Stipendien. Weil die Förderung viel Geld kostet, hofft Dominik Krause auf eine baldige Einführung der Bettensteuer.
Wenn die Fans zu großen Konzerten kommen, könnte die Stadt München an jeder Hotel-Übernachtung mitverdienen, "um damit dann eben andere kulturelle Dinge zu unterstützen. Weil Kultur sind ja nicht nur große Namen, sondern auch, kleinere Bands zum Beispiel." Es ginge darum, diese zu unterstützen, "damit wir vielleicht sogar irgendwann mal eine eigene Münchner Adele haben".
Auf die Vielheit der Gesellschaft hören
Nicht nur deshalb ist Graswurzelarbeit eine Herzensangelegenheit für Katha Walpoth, die künstlerische Leiterin des alternativen Münchner Live-Clubs Import/Export. Sie träumt weniger von der nächsten Adele als vielmehr von einer lebendigen Musikszene, in der auch experimentelle und globale Klänge stattfinden können: Die "Vielheit der Gesellschaft" sichtbar zu machen, ist ihr erklärtes Ziel.
Um das ambitionierte Programm mit rund 250 Shows im Jahr anbieten zu können, nutzt Katha Walpoth Fördergelder – und den Input verschiedener gesellschaftlicher Gruppen.
Große Acts und Subkultur: "In München kann beides gut klappen"
Welche Bands sie bucht, entscheidet sie oft gemeinsam mit den internationalen Communitys, die längst Teil des Lebens in Bayern sind, sich beim kulturellen Angebot aber noch zu selten repräsentiert sehen. Großkonzerte findet sie "überflüssig".
Mehr Vielfalt im kulturellen Angebot – ein schöner Gedanke. Kulturbürgermeister Dominik Krause hofft, dass man für das eine aber nicht auf das andere verzichten muss: "Es kann ja beides gut klappen. In einer Stadt wie München ist Platz genug da, um das auch gut zusammenzubringen – und das ist eigentlich auch unser Ziel als Stadt."
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