Im Juni 2023 im Großen Kreml-Palast in Moskau
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Wichtige Meinungsmacher: Putin diskutiert mit Kriegsbloggern
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"Unschöne Dinge": Skandal verunsichert Russlands Kriegsblogger

"Unschöne Dinge": Skandal verunsichert Russlands Kriegsblogger

Der russische Kriegsblogger und Spendensammler Roman Aljechin sieht sich Geldwäsche- und Korruptions-Vorwürfen ausgesetzt. Kritiker sprechen von "Organisierter Kriminalität", Ultrapatrioten fürchten mehr staatliche Kontrolle.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Im Ernst: Diese ganze Kohorte aus Militärkorrespondenten, Militärbloggern und Spendensammlern ist längst zu einer bestens vernetzten kriminellen Bande geworden, die sich mit Unterschlagung, organisierter Kriminalität, Einflussnahme und Betrug beschäftigt", so der russische Politikwissenschaftler Wadim Samodurow [externer Link] über aufsehenerregende Korruptionsvorwürfe gegen den so umstrittenen wie erfolgreichen Kriegsblogger Roman Aljechin.

Es sei dennoch schwer vorstellbar, dass der Kreml seine bisherige Zurückhaltung gegenüber dieser Szene aufgebe, so Samodurow: "Doch wenn dieser Wandel eintritt, steht Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern eine gigantische Aufgabe bevor."

"Nicht ganz alltäglich"

Russische Telegram-Kanäle hatten zuvor ein Video verbreitet [externer Link], das angeblich Aljechin bei einem Gespräch mit einem potentiellen Geldgeber zeigt. Der Unternehmer wollte demnach umgerechnet rund zwei Millionen Euro an Aljechins "Wohltätigkeitsstiftung" spenden. Das Geld sollte vordergründig für medizinische Ausrüstung zugunsten von Frontsoldaten verwendet werden, tatsächlich habe es sich jedoch mutmaßlich um Geldwäsche und Korruption gehandelt, so der Verdacht. Laut staatlicher russischer Nachrichtenagentur TASS laufen Ermittlungen [externer Link].

Aljechin selbst nannte die Umstände des in Aussicht gestellten Deals "nicht ganz alltäglich" [externer Link], die diskutierten Spendenbeträge seien jedoch so hoch gewesen, dass es "sich gelohnt habe, darüber zu sprechen". Der Blogger versuchte den Eindruck zu erwecken, er sei der Provokation eines vermeintlichen Geschäftsmanns namens "Alexander" zum Opfer gefallen: "Drei Viertel des Betrags sollten für Medikamente verwendet werden, ein Viertel für etwas anderes, aber auch im Rahmen des Gesamtziels."

"Wir haben zu viele Freiheiten"

Der Vorfall schlug unter russischen Kriegsbloggern hohe Wellen. Propagandistin Anastasia Kaschewarowa (247.000 Fans) schrieb [externer Link], es gehe generell um "enorme Summen", deshalb müssten Spendensammler persönlich untadelig sein: "Ich glaube, wir müssen mit einem verstärkten Einsatz der Sicherheitskräfte gegen Freiwillige/Kriegsblogger rechnen – wir haben zu viele Freiheiten, was sowohl dem Staat als auch den echten Helfern an der Front schadet."

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Peter Jungblut

Politologe Alexei Schadajew verwies auf das ausgeprägte Geltungsbedürfnis [externer Link] von Bloggern mit mehreren Hunderttausend Followern, das ihnen gefährlich werde: "Natürlich glauben sie, dass ihr neuer Status ihnen gewisse Freiheiten im weitesten Sinne des Wortes gewähren. In Wirklichkeit ist genau das Gegenteil der Fall. Sie sind zur Zielscheibe geworden."

"Vieles wird ans Licht kommen"

Aus Sicht des Kremls handle es sich bei Bloggern um "finstere Kosaken-Freibeuter, protestorientiert und unkontrollierbar", so der frühere Mitarbeiter in der Präsidialverwaltung: "Sie gelten dort als Leute, deren Erwerbsquellen trübe sind und die die allgemeine politische Linie überhaupt nicht kapieren. Kurz gesagt, eine Art Gesindel, das besser gar nicht existieren sollte."

Juri Podoljak, mit drei Millionen Followern der bekannteste russische Militärblogger, prophezeite weitere Skandale [externer Link]: "Aus meiner Erfahrung mit den freiwilligen Spendensammlern der 'ersten Stunde' kann ich sagen, dass nach dem Krieg viele unschöne Dinge ans Licht kommen werden. Und das nicht nur im Freiwilligendienst. Es wird in der Armee, in den Strafverfolgungsbehörden und unter den Beamten ans Licht kommen. Viele Dinge werden ans Licht kommen, leider."

"Ein schwarzes Schaf gibt es immer"

Populäre Kriegsberichterstatter fürchten, dass die Affäre ihre Arbeit und das Geldsammeln erheblich erschweren wird. So schrieb Alexander Kots (540.000 Fans) [externer Link]: "Ich hoffe, dass nicht eine einzelne Person einen Schatten auf die gesamte Gemeinschaft der humanitären Helfer wirft, schließlich habe ich in dieser großen Familie über die Jahre hinweg überwiegend aufrichtige und anständige Menschen kennengelernt. Ein schwarzes Schaf gibt es immer, wie man so schön sagt."

Andere Blogger riefen nach einer "öffentlichen, harten und fairen" Ermittlung und sprachen von einem "schweren Schlag" für die Propagandisten. Womöglich hätten die Sicherheitskräfte das Video in Umlauf gebracht, um die Kontrolle zu verschärfen [externer Link]: "Der Fall Aljechin könnte ein Katalysator für diesen Prozess werden."

Ein Leser der St. Petersburger Zeitung "Fontanka" fühlte sich an den Sarkasmus in Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" erinnert, ein anderer bemerkte [externer Link]: "Wenn wir solche Patrioten haben, seien es Blogger oder Beamte, warum sollten wir einfachen Leute, wenn wir sie sehen, patriotisch sein? Nicht umsonst habe ich mich von all dem distanziert und alles aufgegeben, und ich war Mitglied der Partei."

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