Am 9. September protestieren junge Nepalesen in Kathmandu, Nepal, gegen Korruption. Im Hintergrund: Das brennende Parlamentsgebäude.
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Bildrechte: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Amit Machamasi
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Am 9. September protestieren junge Nepalesen in Kathmandu, Nepal, gegen Korruption. Im Hintergrund: Das brennende Parlamentsgebäude.

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Discord als Machtfaktor: So stürzte die Gen Z Nepals Regierung

Discord als Machtfaktor: So stürzte die Gen Z Nepals Regierung

Revolution im Gaming-Messenger: Auf Discord haben sich rund 160.000 Nepalesen binnen Tagen vernetzt, Proteste organisiert, die Regierung gestürzt – und die neue Premierministerin gewählt. Über die Instrumentalisierung digitaler Plattformen.

Weitgehend unbemerkt vom Rest der Welt schreibt derzeit in Nepal eine Generation digitale Revolutionsgeschichte – nicht auf Facebook, nicht auf X, sondern auf Discord. Aktivisten der Gen Z haben binnen Tagen ihre eigene, digitale Infrastruktur aufgebaut: Server statt Parteizentralen, Voice-Chats statt Parlamentsdebatten. Es folgten die blutigsten Unruhen in Nepal seit Jahrzehnten (externer Link zu India Today/YouTube), der Rücktritt der Regierung, eine inoffizielle Online-Wahl der Übergangsregierung, alles dokumentiert in Echtzeit, öffentlich einsehbar.

Kurz erklärt: Was ist passiert?

Nachdem die Regierung 26 Social-Media-Plattformen und Messenger-Dienste wie Facebook, TikTok und Signal verboten hatte (externer Link), eskalierten landesweit die Proteste – gemeinsam organisiert von zehntausenden Nepalesen der Gen Z auf der Plattform Discord. Laut der Nachrichtenagentur Reuters kamen dabei mindestens 72 Menschen ums Leben, mehr als 2.100 wurden verletzt. Für heute hat die inzwischen eingesetzte Interimsregierung einen offiziellen Trauertag angeordnet.

Aber von vorne: Der Vorwurf der zivilgesellschaftlichen Initiative Hami Nepal – übersetzt "Wir sind Nepal": politische Korruption und kaum Perspektiven für junge Menschen. Laut dem Korruptions-Index von Transparency International rangiert Nepal beispielsweise auf Platz 107 von 180. Zudem befindet sich Nepal in einer politischen Dauerkrise: Seit dem Ende der Monarchie 2008 hatte das Land 14 Regierungen – rein rechnerisch bedeutet das alle 1,2 Jahre Neuwahlen.

Nach den blutigen Protesten sah die Regierung von Premier Sharma Oli keine andere Wahl, als zurückzutreten. Die Gen-Z-Bewegung wählte daraufhin binnen drei Tagen die Interims-Premierministerin Sushila Karki auf Discord. Vorangegangen waren aufgeheizte Live-Debatten (externer Link zu Aljazeera). Premier Oli beugte sich schließlich dem Druck der Straße, akzeptierte die digitale Discord-Wahl und ernannte Karki zur Interimschefin. Neuwahlen sind für März 2026 geplant.

Bildrechte: BR/Ariane Stürmer
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Screenshot am 17.9.25: Der Discord-Server "Youth Against Corruption" mit der Wahl der Interimschefin Sushila Karki am 12.9.25

Warum ausgerechnet Discord?

Die Plattform Discord ist ursprünglich ein soziales Netzwerk der Gamer-Szene. Man kann sie aber auch als Kommunikationsplattform nutzen – als Messenger mit mehr Möglichkeiten: Mit thematisch sortierten Kanälen, Sprach-Chats und Abstimmungs-Tools. Das nutze die Hami-Nepal-Bewegung, um ihren Protest zu organisieren. Sie hat sich in dem Discord-Server "Youth Against Corruption" zusammengeschlossen.

Discord-Server sind grob vergleichbar mit Facebook- oder Whatsapp-Gruppen – nur mit erheblich mehr organisatorischen Möglichkeiten. Der Server der Hami-Nepal-Bewegung ist halböffentlich: Die Aktivisten teilten den Einladungs-Link über Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook und Reddit. Im Server der Aktivisten sind – Stand heute – rund 160.000 Menschen registriert. Bei der Wahl am 12. September waren es rund 130.000. Ihre Stimme abgegeben haben davon 7.713 Nutzerinnen und Nutzer. Nepal hat rund 30 Millionen Einwohner.

Einordnung: Was bedeutet das alles für den demokratischen Prozess?

Nach dem gewaltsamen Umsturz mit Dutzenden Toten und hunderten Verletzten haben die Aktivisten das Machtvakuum für sich genutzt. Die Geschwindigkeit, in der sie sich über Discord vernetzt, ausgetauscht und organisiert haben, ließ der Regierung kaum Zeit für Reaktionen. Die niedrigen Zugangshürden, die dokumentierten Abläufe, die schnelle Mobilisierung der Massen: Dem konnte die Regierung von Premier Oli nichts entgegensetzen. Offen bleibt, wer da eigentlich abgestimmt hat – auch Nicht-Nepalesen können sich auf dem Discord-Server der Bewegung einklinken.

Das Beispiel Nepal ist die nächste Iteration digitaler Politik. 2011 waren es Facebook und Twitter, die den Arabischen Frühling beschleunigten, 2020 war es Telegram, über das Menschen ihre Proteste in Belarus koordinierten. Jetzt hat die Discord-Logik zum politischen Umsturz in Nepal beigetragen. Offen bleibt, welche Rolle digitale Foren künftig über die Massen-Mobilisierung hinaus haben könnten – und ob sie eines Tages fest in demokratische Prozesse integriert werden.

🎧 Wie verändert KI unser Leben? Und welche KI-Programme sind in meinem Alltag wirklich wichtig? Antworten auf diese und weitere Fragen diskutieren Gregor Schmalzried, Marie Kilg und Fritz Espenlaub jede Woche in "Der KI-Podcast" – dem Podcast von BR24 und SWR.

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