Nach einer wilden Aufholjagd im Pfälzer Glutofen schlüpfte Georg Zimmermann völlig erledigt und unglaublich glücklich ins Meistertrikot. Dass der Augsburger das schicke Leibchen mit dem schwarz-rot-goldenen Brustring auch bei der am Samstag beginnenden Tour de France tragen darf, war ihm nach seinem DM-Coup reichlich schnuppe. "Heute denke ich nicht an die Tour, heute wird gefeiert", sagte der 27-Jährige.
Zimmermann gewinnt trotz "Plattfuß"
In einem Rennen, in dem er nach einem Platten eigentlich schon hoffnungslos zurückgefallen war, rollte Zimmermann das Feld noch einmal von hinten auf. Sammelte Emanuel Buchmann ein, Maximilian Schachmann, auch Lennard Kämna, alle deutschen Topstars quasi - mit Ausnahme von Senkrechtstarter Florian Lipowitz, der abgesagt hatte. Und im Zielsprint nach 198 km ließ Zimmermann dann noch Felix Engelhardt, seinen letzten Konkurrenten, stehen und holte sich erstmals den DM-Titel.
"Es war ein Auf und Ab der Gefühle. Nach dem Plattfuß wollte ich schon die Flinte ins Korn werfen, bin aber zum Glück cool geblieben", sagte der Profi vom Team Intermarché-Wanty im SWR: "Das Trikot bedeutet mir unglaublich viel. Ich habe drei große Ziele im Radsport: eine Tour-Etappe gewinnen, bei Olympia starten, Meister werden - eins habe ich jetzt geschafft."
Zimmermanns Aufholjagd von Erfolg gekrönt
Zimmermann hatte erst am letzten Anstieg wieder den Anschluss an die Spitzengruppe geschafft, im Finale konnte nur noch Engelhardt (Ulm/Jayco-AlUla) folgen. Dritter wurde Außenseiter Anton Schiffer (Köln/Bike Aid). Die Favoriten um Buchmann und Schachmann rollten geschlagen ins Ziel.
Die Fahrer hatten bei Temperaturen von über 35 Grad einen extrem knackigen Rundkurs von knapp 20 Kilometern zehnmal zu bewältigen, insgesamt standen 3700 Höhenmeter auf dem Programm. Auf den ersten beiden Runden zeigte sich eine fünfköpfige Ausreißergruppe mit Außenseitern vorne, doch ab Runde drei übernahmen die Topfahrer um Nils Politt, Zeitfahr-Meister Maximilian Schachmann und Emanuel Buchmann bereits die Initiative, es entwickelte sich ein Ausscheidungsrennen.
Zimmermanns Konkurrenten müssen abreißen lassen
Schon zur Rennhalbzeit war das Hauptfeld auf rund 20 Fahrer ausgedünnt, an der "Mauer von Linden" gab es immer wieder Attacken. Nachhaltig absetzen konnte sich eine Vierergruppe um Nico Denz, aus der allerdings Zimmermann wegen eines Plattens zurückfiel. Dahinter positionierten sich drei Verfolger um Schachmann und Buchmann, die 60 Kilometer vor dem Ziel zur Spitzengruppe aufschlossen.
Auf der vorletzten Runde zogen Schachmann und Buchmann dann gemeinsam mit Außenseiter Anton Schiffer davon. Doch Schachmann übernahm sich damit, musste bei der letzten Überquerung der "Mauer von Linden" abreißen lassen. Stattdessen rollte von hinten ein Quartett um Lennard Kämna und Zimmermann an Buchmann und Schiffer heran. Der Augsburger hatte das bessere Ende für sich und war danach überglücklich. "Ich wollte immer mal eine Tour-de-France-Etappe gewinnen, ich wollte immer mal an Olympischen Spielen teilnehmen und ich wollte immer mal Deutscher Meister werden", erklärte der 27-Jährige anschließend im Siegerinterview. "33 Prozent meiner Ziele habe ich heute abgedeckt", scherzte Zimmermann. Die Tour de France dürfte noch einmal schwieriger werden. Dafür holte sich Zimmermann nun den nötigen Rückenwind.
Tour-de-France-Hoffnung Lipowitz verzichtet auf Start
Ansonsten liegen die deutschen Tour-Hoffnungen in diesem Jahr auf Florian Lipowitz. Der Mann vom Team Red Bull BORA-hansgrohe hatte die nationale Meisterschaft nach seinem dritten Platz bei der Dauphiné ausgelassen, ab dem kommenden Samstag feiert er sein Tour-Debüt. Vorjahressieger Marco Brenner fehlte nach seinem Sturz beim Giro d'Italia verletzt. Ursprünglich hatte das Straßenrennen in Kaiserslautern rund um den Betzenberg ausgetragen werden sollen, doch wegen zu hoher Kosten musste die Meisterschaft kurzfristig ins nahegelegene ländliche Linden verlegt werden.