Als Horst Seehofer im Dezember 2021 das Bundesinnenministerium an Nancy Faeser übergab, war das für ihn der Schlusspunkt einer langen politischen Karriere: Mehr als vier Jahrzehnte prägte er die Bundes- und Landespolitik – unter anderem als CSU-Chef, bayerischer Ministerpräsident oder Bundesgesundheitsminister.
Seehofer zu Merz: "Der Start war gut"
Mittlerweile äußert er sich nur noch selten öffentlich zur aktuellen Politik. Am Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen zog er nach zwei Monaten Schwarz-Rot eine erste Bilanz zur neuen Bundesregierung: "Der Start war gut, ohne Zweifel." Im Weißen Haus sei Merz "sehr klug, sehr weitsichtig" aufgetreten. Innenpolitisch sei es der Union gelungen, sich in Umfragen von der AfD deutlich abzusetzen. So liegen zwischen Union und AfD mittlerweile rund 4,5 Prozentpunkte. "Wenn die so weitermachen, dann wird die AfD mindestens halbiert", prognostizierte Seehofer.
Horst Seehofer zur Arbeit der Bundesregierung: "Wenn die das so weitermachen, dann wird die AfD mindestens halbiert."
Der frühere bayerische Ministerpräsident war jedoch nicht an den Sonntags-Stammtisch gekommen, um nur Lob für die neue Regierung zu verteilen. Er müsse auch klar sagen, was inakzeptabel sei: Dabei kam er auf den Umgang der Bundesregierung mit der Stromsteuer zu sprechen, die nun doch nicht für alle sinken soll – wie es im Koalitionsvertrag steht – sondern nur für Industrie und Landwirtschaft.
Kritik für Umgang mit der Stromsteuer
"Es gibt ein Sofortprogramm der Union: An erster Stelle steht die Senkung der Stromsteuer für alle", erklärte Seehofer: "Dann kann ich nicht nach der Wahl sagen: 'Koalitionsvertrag hin oder her, oder Finanzierungsvorbehalt. Das ist zwar wünschenswert, aber nicht machbar.' Da müssen ja die Leute verzweifeln!"
SZ-Journalist Deininger: Regierung Merz im Worthalten "nicht gerade spitze"
Zustimmung bekam Seehofer an dieser Stelle von SZ-Chefreporter Roman Deininger. Er war der Meinung, dass die Entlastung der kleinen Leute ganz entscheidend für den Erfolg der Regierung Merz sein werde. Umso kritischer sah auch Deininger, dass die Regierung das Wahlversprechen nun nicht einlösen will, die Stromsteuer für alle zu senken. "Dass man ausgerechnet da zurücktritt, ist ganz gefährlich." Zumal die Regierung Merz ohnehin schon im Rufe stehe, im Worthalten "nicht gerade spitze zu sein, siehe Schuldenbremse", erklärte Deininger.
Seehofer forderte, die Stromsteuer wie geplant für alle zu senken, was rund sechs Milliarden Euro kosten würde. Das könne im Haushalt gegenfinanziert werden – zum Beispiel mit einem höheren Renteneintrittsalter. Die Rente mit 63 sei nicht mehr zeitgemäß, kritisierte Seehofer.
Seehofer lobt Dobrindt für Migrationspolitik
Ein weiteres Thema der Sendung war auch die Migrationspolitik der aktuellen Bundesregierung. "Was mich am meisten freut, dass Merz dem jetzigen Innenminister Alexander Dobrindt freie Hand gegeben hat bei der Wende in der Migration“, sagte Seehofer. Dobrindt gebe mit den Zurückweisungen an den Grenzen eine "starke Figur“ ab. Dass diese Maßnahme völker- und europarechtlich umstritten ist und von den europäischen Nachbarn wegen langer Staus kritisiert wird, ließ der frühere Bundesinnenminister an dieser Stelle unerwähnt. Stattdessen hob er das "Übermaß an Zuwanderung" in den Jahren 2015/2016 und 2021/2022 hervor.
Schelte gegen Merkel
Das habe "unglaubliche Rückwirkungen auf Schulen, Kitas und die Stimmung in der Bevölkerung“. Seehofer sieht darin auch die Ursache für das Erstarken der Rechten. "Frau Merkel möchte das ja heute nicht so akzeptieren." Auf die Nachfrage, ob er ihre Memoiren gelesen habe, antwortete Seehofer: "Nein. Ich habe nicht mal das Buch."
SZ-Chefreporter Deininger forderte zudem eine andere Diskussionskultur beim Thema Migration: "Die möglicherweise nötige Härte in der Migration muss damit einhergehen, dass wir anders über Zuwanderung sprechen." Ein Problem sei die Art und Weise, dass "wir über die Menschen, die kommen, nur als Objekte und Probleme sprechen." Stattdessen müsse man den Menschen vermitteln, dass diese Gesellschaft Zuwanderung brauche, die aber gesteuert werden müsse, so Deininger.
Die Gäste am BR Sonntags-Stammtisch vom 29.6. (v.l.n.r.): Christian Neureuther, Horst Seehofer, Roman Deininger, Ursula Münch, Hans-Werner Kilz
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