18.10.2025, Kanada, Vancouver: Fußball: MLS, Vancouver Whitecaps - FC Dallas. Thomas Müller von den Vancouver Whitecaps ruft über den Platz.
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Exklusivinterview: Wie sich Thomas Müller in Kanada treu bleibt

Exklusivinterview: Wie sich Thomas Müller in Kanada treu bleibt

Weltmeister, FC-Bayern-Rekordspieler, Ur-Bayer: In Vancouver erlebt Thomas Müller, wie man sich neu erfindet – mit weniger Druck, mehr Gelassenheit und einem Hauch "Radio Müller". Müller im Blickpunkt Sport-Exklusivinterview.

Über dieses Thema berichtet: Blickpunkt Sport am .

Es ist einer dieser typischen Thomas-Müller-Momente. Kaum sitzt er da, bereit zum Exklusivinterview mit Blickpunkt Sport in Vancouver, sagt er mit einem Grinsen: "Radio Müller sendet auch hier." Der Tonfall, das Augenzwinkern, die Mischung aus Selbstironie und Bodenhaftung - Thomas Müller ist auch rund 8.300 Kilometer von München entfernt immer noch Thomas Müller.

Das Umfeld hat sich geändert: statt Säbener Straße, Perlacher Forst und Isarauen jetzt Vancouver-Skyline, Wasser und Berge. Statt bayerischer Geschmeidigkeit das englische 'Nice to meet you'.

"Ich bin mutig genug, mich in grammatikalisch holprigem Englisch zu äußern", sagt Müller: "Ich werde auch gern korrigiert, denn ich will ja auch weiterkommen." Ein Satz, der viel über den neuen Thomas Müller verrät. Über einen Mann, der noch immer derselbe ist, aber sich erlaubt, anders zu sein.

Neuanfang mit gutem Gefühl

Der Sprung nach Kanada war mehr als ein sportlicher Wechsel. Es war ein Experiment. "Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl", erzählt er: "Wir wollen aktiv Fußball spielen, nicht nur kontern. Das ist mein Fußball." Müller will den Beweis antreten, dass man auch mit Mitte 30 noch etwas Neues wagen kann, ohne der erfolgreichen Vergangenheit nachzutrauern. Statt Bundesliga also Major League Soccer, statt Routine ein großes Abenteuer.

Traumstart in der Major League Soccer

Sieben Spiele, acht Tore, vier Assists - müllert's auch in Kanada? Müller lacht: "Ja, läuft - und läuft." Für das "Warum" hat Müller eine fast schon zu simple Erklärung.

"Ich komme hier in deutlich mehr Offensivsituationen als in der Bundesliga", sagt er: "In der Bundesliga wird enger, härter verteidigt. Hier gibt’s etwas mehr Raum." Und Müller, der "Raumdeuter" - diesen Spitznamen haben sie sogar in Kanada übernommen - braucht eben genau diesen Raum - für seine Intuition, seine genialen Pässe. Die immer noch so wirken, als kämen sie direkt aus dem Bauch heraus.

Zwischen Bayern und Vancouver

Sein neuer Wohnort tut das Übrige. "Wenn man nach Vancouver kommt, dann hat man sofort ein positives Gefühl", sagt Müller: "Man kommt in eine schöne Stadt mit viel Grün, mit viel Wasser, die Berge." Das australische Sydney wäre eine Alternative gewesen, verriet Müller im Exklusivinterview.

Aber Familie und Flugdauer sprachen am Ende dagegen: "Dann habe ich gesagt: zehn Stunden Direktflug täglich oder 24 Stunden - und Du musst über drei Stationen ... 'Ja, dann machst Vancouver' - somit war die Debatte schnell vom Tisch, da waren sich alle einig."

Vancouver, Wasser und Weitblick

Dafür also Vancouver, eine Stadt und ein Umfeld, das ihm auch im Interview den einen oder anderen ganz Müller-typischen Spruch zwischen Philosophie und Kalenderspruch entlockt: "Menschen können auf Wasser schauen, ohne dass ihnen langweilig wird. Das können sie mit einer Wand nicht so gut."

Weniger Druck, mehr Gelassenheit

In Müllers Worten schwingt viel Gelassenheit mit, aber auch Dankbarkeit, dass er nach seinem doch überraschenden Bayern-Aus einen so idealen neuen Verein gefunden hat. "Es gibt weniger Druck hier", sagt er. "Ein bisschen vermisse ich den sogar", fügt er zwar an, "aber es ist auch schön, entspannter zu leben."

Kein Superstar - und doch ein Anführer

Seine Gelassenheit hat aber nicht nur mit dem Ort zu tun, sondern auch seiner Haltung: "Ich bin nicht hierhergekommen, um der Superstar von Vancouver zu werden", sagt er: "Aber ich verwehre mich auch nicht dagegen." Müller, der FC-Bayern-Rekordspieler, der Titelsammler, ist nicht nach Kanada gekommen, um zwangsläufig im Mittelpunkt stehen.

In Vancouver will er einfach nur weiter das tun, was ihm am meisten Spaß macht: Fußball spielen. Ansonsten geht es ihm um neue Erfahrungen, neue Erkenntnisse - ohne den Dauerfokus der Medien wie in Deutschland.

Bart, Balance und Bodenhaftung

Sein Bart, das neue Markenzeichen, ist da nur ein Symbol. "Ich hatte noch nie einen Bart", sagt Müller, "aber jetzt probier ich’s einfach aus." Eine Kleinigkeit und doch Ausdruck einer neuen Freiheit, sich zu verändern, ohne gleich die Identität zu verlieren.

Mehr Zeit, weniger Termine, weniger Druck. "Ich hab jetzt sogar Zeit für Körperpflege", sagt er lachend. Der Satz klingt so banal wie ehrlich, denn er unterstreicht wunderbar die vielleicht wichtigste Veränderung in Müllers neuem Leben: weniger Rollen, mehr Raum für den Menschen dahinter. Müller will noch lange kein Karrierefazit ziehen oder wehmütig zurückblicken. Müller bleibt neugierig.

Der Müller bleibt der Müller

"Ich mag das Wort 'vermissen' nicht", sagt er über seine Familie und Freunde im entfernten Bayern: "Man hat immer eine Wahl. Und ich hab mich bewusst für das Abenteuer entschieden." Müller scheint angekommen - in einem neuen Lebensabschnitt, der nicht nur von Titeln und Toren lebt, sondern von Erfahrung, Leichtigkeit und Humor.

Müller freut sich - über sich, über Kanada, über die Fußballwelt. Und er bleibt dabei, was er immer war: ein Typ, der mit 35 genauso viel Energie ausstrahlt wie mit 20. Nur mit ein bisschen mehr Bart. Ein Fußball-Weltmeister, der sich neu erfunden hat, ohne sich zu verlieren. Oder wie er es selbst sagt: "Ich bin, wer ich bin." Auch wenn's jetzt in Englisch ist.