Viele große Baufirmen fertigen Wohnmodule in Fabriken, transportieren sie an den jeweiligen Ort und bauen sie dort auf. Den Auf- und Ausbau schaffen einige wenige Handwerker - das örtliche Handwerk hat davon nicht viel. Das muss doch auch anders gehen, dachten sich Thomas Siebenhaar und Marcus Thiele aus Forchheim – und entwickelten ein Konzept für günstigen, aber zugleich qualitativ hochwertigen Wohnraum, bei dem auch das Handwerk in der jeweiligen Region profitiert. Für diesen Ansatz bekam "Projekt Bauart" 2024 den Innovationspreis Bayern.
Die Idee: Modulhäuser in Handwerkerqualität
Bei "Projekt Bauart" sind örtliche Handwerksfirmen von Anfang an dabei. Wie beim Architektenhaus setzen sie Stein auf Stein, streichen Wände, verlegen Böden, installieren elektrische Anschlüsse und legen Gärten an. Die Grundrisse für die 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen von "Projekt Bauart" sind standardisiert, aber nahezu beliebig miteinander kombinierbar. Ein flexibler Flächenerweiterungsbereich sorgt dafür, dass aus einer Sozialwohnung eine großzügige Eigentumswohnung wird. Diesen Trick, um mehr Platz zu schaffen, hat sich die Forchheimer Firma beim Europäischen Patentamt schützen lassen.
Standardisierte Grundrisse sparen Planungskosten
Gespart wird vor allem bei der Planung. Planungskosten für große Wohnanlagen betragen normalerweise zwischen 17 und 20 Prozent. Dank ihrer standardisierten Grundrisse sparen sich Thomas Siebenhaar und Marcus Thiele diese Kosten weitgehend. "Wir sind weder langsamer noch teurer", sagt Siebenhaar. "Wir sind qualitativ hochwertig und flexibler, als das im Werk mit Wohnungsmodulen gelingen kann."
Wohnen und Küche sind variabel
Bei einem Baustellenbesuch einer Wohnanlage in Baiersdorf im Landkreis Erlangen-Höchstadt erklärt Thomas Siebenhaar das Prinzip. Grundsätzlich, sagt er, unterscheiden sie in der Planung nicht zwischen Sozialwohnungen und Eigentumswohnungen. Aber die Größe von Wohnzimmer und Küche lässt sich verändern. Entlang einer Achse längs durch beide Räume können die Wohnungen "aufgezogen" werden. Aus einer 4-Zimmer-Sozialwohnung, die nicht größer als 90 Quadratmeter sein darf, wird dadurch eine großzügigere Miet- oder Eigentumswohnung. "Wir entscheiden in der Planung: Ist es wie hier eine geförderte Wohnung? Wenn nicht, ziehen wir auf", erläutert Siebenhaar. "Damit schaffen wir immer dort, wo man das auch möchte, einen großzügigeren Raum." Alle anderen Räume bleiben gleich groß.
Keine Wahlmöglichkeiten bei der Ausstattung
Die Ausstattung ist in jeder Wohnung gleich. Damit die Kosten im Rahmen bleiben, gibt es bei den Wohnanlagen von "Projekt Bauart" keine Wahlmöglichkeiten in der Ausstattung. So hat zum Beispiel jede der Wohnungen in Baiersdorf dieselbe Aluminiumtür. "Standardisierung ist die Grundlage, um Kosten zu sparen", erklärt Thomas Siebenhaar. Würden unterschiedliche Türen verbaut – billige für Sozial- und teure für Eigentumswohnungen – wäre das mit höheren Planungskosten verbunden. Deshalb gibt es eine Tür für alle.
Bürgermeister begeistert von schneller Fertigstellung
Die "Nicolaihöfe" in Höchstadt an der Aisch sind eine der fertiggestellten Wohnanlagen der Firma. Der Bürgermeister von Höchstadt, Gerald Brehm (Junge Liste), hat sich gemeinsam mit dem Stadtrat seinerzeit für das Angebot der Forchheimer entschieden. Besonders überzeugt habe ihn die Geschwindigkeit: Die 60 Wohneinheiten, verteilt auf sechs Gebäude, seien innerhalb von nur zwei Jahren fertig und vermietet gewesen. "Das ist eine Leistung, wenn man weiß, wie lange kommunale Bauten oft dauern", sagt Brehm.
Verband: Handwerk profitiert vom seriellen Bauen
Auch der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, Wolfgang Schubert-Raab, ist überzeugt von dem Konzept. Ihn freut vor allem, dass "Projekt Bauart" stets die örtlichen Handwerksfirmen für Bau und Ausbau seiner Wohnanlagen beauftragt – das sei bei Bauträgern, die ihre Wohnmodule in der Fabrik fertigen, nur bedingt der Fall. "Uns ist es wichtig, dass man hier etwas an die Hand bekommen kann, das unsere Handwerksbetriebe zusammen mit dem Bauherrn möglichst schnell, möglichst reibungslos und kostengünstig umsetzen können", sagt Schubert-Raab.
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