Ein Psychologe unterhält sich mit einer Patientin.
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Viele warten lange auf einen Therapieplatz
Bildrechte: picture alliance / dpa Themendienst | Christin Klose
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Langes Warten auf einen Therapieplatz: Woran es in Bayern hapert

Langes Warten auf einen Therapieplatz: Woran es in Bayern hapert

Psychisch belastete Menschen warten oft lange auf einen freien Therapieplatz. Bisher wurde häufig ein Mangel an Therapeuten als Grund angegeben, doch deren Zahl ist zuletzt gestiegen. Jüngste Forderungen der Krankenkassen bringen Licht ins Dunkel.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Wir haben keinen Mangel an Psychotherapieplätzen." So lautet die Einschätzung des GKV-Spitzenverbands. Trotzdem bemängelte dessen stellvertretende Vorsitzende Stefanie Stoff-Ahnis gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dass gerade schwer psychisch Erkrankte häufig Probleme hätten, einen Therapieplatz zu finden. Viele von ihnen riefen "eine Praxis nach der anderen an, sprechen auf den Anrufbeantworter – und hoffen dann vergeblich auf einen Rückruf“, so Stoff-Ahnis. Um diesen Zustand zu beheben, fordert die KVB "einen besser organisierten Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung". So wollen die Kassen die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gesetzlich dazu verpflichten, freie Behandlungskapazitäten an die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen zu melden.

Psychotherapie: Lange Wartezeiten auch in Bayern

Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) hat sich die Wartezeit vom Erstkontakt bis zum Beginn einer Richtlinientherapie in den vergangenen Jahren teilweise deutlich verlängert. So warteten Patientinnen und Patienten zuletzt im Schnitt über vier Monate auf den Beginn ihrer Therapie. Spitzenreiter bei den Wartezeiten sind ländliche Regionen.

Offenbar tragen auch im Freistaat nicht nur Kapazitätsengpässe, sondern auch Vermittlungsprobleme zu den langen Wartezeiten bei. Viele Praxen haben phasenweise freie Plätze, melden diese aber nicht verbindlich an zentrale Stellen. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) fordert daher eine Einführung gesetzlich geregelter digitaler Meldesysteme für freie Kapazitäten, um den Prozess transparenter und effektiver zu gestalten.

Mangel an Therapieplätzen: Unzuverlässige Patienten verschärfen Problem

Eine grundsätzliche Kritik übt der bayerische Spitzenverband außerdem an der mangelnden Termintreue vielen Patientinnen und Patienten. Die KVB erklärte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, sie erhalte aus den Arztpraxen regelmäßig die Rückmeldung, dass die Termintreue bei Patientinnen und Patienten, die etwa über die Terminservicestelle eine Therapiesitzung vereinbart hätten, "sehr zu wünschen übriglasse". Dies habe zur Folge, dass für andere Patientinnen und Patienten, die sich an die Terminvereinbarung hielten, weniger Termine zur Verfügung stünden, so die Kritik der KVB.

VdK fordert Meldepflicht

Laut Sozialverband VdK Bayern sind Depressionen weiterhin eine wesentliche Krankheitsursache im Freistaat, die zwingend effizient behandelt werden muss. Im BR-Interview forderte VdK-Präsidentin Verena Bentele, es müsse für Therapeutinnen und Therapeuten verpflichtend vorgeschrieben werden, freie Plätze zu melden, damit "Therapiesuchende zu den Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten kommen können", wenn sie eine Betreuung benötigen. Technisch, so Bentele, könnte dies gelöst werden, indem die Terminservicestellen eine Mittlerrolle zwischen freien Therapieplätzen und Therapiesuchenden einnehmen. Der Kassenärztlichen Vereinigung komme hier eine zentrale Rolle zu, so Bentele, "um ihrem Auftrag zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge gerecht zu werden".

Zurückhaltung bei den Therapeutinnen und Therapeuten

Aus der Praxis – insbesondere von Seiten der behandelnden Therapeutinnen und Therapeuten – kamen zu den Forderungen der Kassen und Sozialverbände zuletzt auch kritische Stimmen. Der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) verweist auf praktische Hürden im Behandlungsalltag: Kapazitäten seien oft nur schwer planbar – etwa durch spontane Erkrankungen, Urlaube oder unvorhergesehene Terminverschiebungen bei Patientinnen und Patienten. Freie Therapieplätze tagesaktuell und verlässlich zu melden, sei unter diesen Bedingungen kaum realistisch.

Hinzu kommt die Sorge vor zusätzlicher Bürokratie. In einer Stellungnahme zum Thema Qualitätssicherung in der ambulanten Psychotherapie kritisierte der bvvp bereits im vergangenen Jahr einen "hohen Dokumentationsaufwand", der durch neue Vorgaben entstehen könne – ohne dass daraus automatisch ein Gewinn für die Versorgung erwachse. Die Einführung einer digitalen Meldepflicht sei nur dann vertretbar, wenn sie mit einer echten administrativen Entlastung einhergehe – etwa durch automatisierte Systeme, schlanke Schnittstellen und eine angemessene Refinanzierung.

Auch die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hatte sich in der Vergangenheit kritisch zu generellen Vermittlungsmechanismen geäußert. Zwar unterstütze man die Idee, die Terminservicestellen technisch weiterzuentwickeln – eine gesetzliche Pflicht zur Meldung freier Plätze aber müsse die realen Arbeitsbedingungen in den Praxen berücksichtigen.

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