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Online-Kassenportale: Schnäppchenjagd auf Kosten der Kranken?

Online-Kassenportale: Schnäppchenjagd auf Kosten der Kranken?

Für gesetzlich Versicherte ist es grundsätzlich einfach, die Krankenkasse zu wechseln. Online-Portale haben Unterstützung beim Wechsel zum Geschäftsmodell gemacht. Sie kassieren dafür Provisionen aus Krankenkassenbeiträgen, wie BR-Recherchen zeigen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio am .

Mehr als 800 Euro Einsparmöglichkeit pro Jahr bringt ein Wechsel der gesetzlichen Krankenkasse – das rechnet das Vergleichsportal Check24 vor. Das Unternehmen betont, wie einfach ein Wechsel sei: "Sie brauchen nur online Ihre neue Wunschkasse auswählen."

Theoretisch einfacher Wechsel

Tatsächlich können Kassenpatienten grundsätzlich spätestens alle zwölf Monate zu einer anderen Kasse wechseln. Anders als in der privaten Krankenversicherung müssen gesetzliche Kassen jeden Antragsteller aufnehmen, wenn er die Voraussetzungen erfüllt. Alter oder Vorerkrankungen spielen theoretisch keine Rolle.

Hürden für Kranke

In Wirklichkeit sei ein Kassenwechsel aber "nur für junge, gesunde und fitte Menschen" einfach, kritisiert die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. Wer beispielsweise Anträge auf Hilfsmittel stellen muss, weil er chronisch krank ist, für den gebe es hohe Hürden. Deswegen ist Bentele sicher: "Ein Wettbewerb für Menschen, die wirklich große gesundheitliche Herausforderungen haben, existiert de facto nicht."

Geschäftsmodell Kassenwechsel

Was vielen Versicherten, die über Online-Portale die Kasse wechseln, nicht bewusst sein dürfte: Privatunternehmen wie Check24 oder Kassenkompass können bis zu 112,35 Euro Maklerprovision erhalten, wenn sie mit wenigen Mausklicks einen Kassenwechsel vermitteln. Das ist gesetzlich so geregelt. Dazu, wie viel Provisionen sie mit ihrem Geschäftsmodell einnehmen, wollten weder Check24 noch Kassenkompass gegenüber dem BR Angaben machen.

Auch Krankenkassen wie TK oder BKK Firmus, bei denen der BR neben weiteren nachgefragt hat, geben keine Auskunft, wie viel sie in letzter Zeit an Provisionen gezahlt haben. In einer aktuellen Umfrage des Beratungsunternehmens Horváth haben 9,5 Prozent der Befragten angegeben, sie hätten im vergangenen Jahr die Kasse gewechselt. Angesichts der Zahl von 74 Millionen gesetzlich Versicherten könnten also Provisionen in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe geflossen sein.

Geschäftsmodell überzeugt Milliardär Maschmeyer

Das erst Anfang 2024 gegründete Hamburger Unternehmen Kassenkompass hat mit seiner Online-Beratung in der Vox-Sendung "Die Höhle der Löwen" Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer machte den jungen Gründern das Angebot, für 300.000 Euro 20 Prozent ihres Unternehmens zu übernehmen. Maschmeyers Vermögen wird vom Wirtschaftsmagazin Forbes auf mehr als 1,5 Milliarden Euro beziffert.

Kassenkompass sieht sich als Systemverbesserer

Die Mit-Gründerin von Kassenkompass Fiona Jasmut betont aber: Sie und ihr Geschäftspartner seien "nicht angetreten, um ganz, ganz viel Geld zu verdienen". Ihr Ziel sei es, das deutsche Gesundheitssystem zu verändern, damit es nicht nur auf "Reparaturmedizin" setze. Deswegen weise Kassenkompass seine Nutzer ausführlich darauf hin, wie sie auch über Präventions- und Bonusprogramme gesetzlicher Krankenkassen Geld sparen können. In Online-Spots verweist Kassenkompass etwa auf die Möglichkeit, bis zu 500 Euro beim Kauf von Laufschuhen oder einer Golfausrüstung zu erhalten.

Unverständnis bei Krankenkasse

Eine ganze Reihe von Krankenkassen, die der BR zu ihrer Zusammenarbeit mit Online-Portalen befragt hat, wollen dazu keine Auskunft geben. Offen zeigt sich die Vorstandschefin der Siemens BKK, Gertrud Demmler. Werbung für Programme, die 500 Euro Zuschuss für Schuhe oder Golfausrüstung ermöglichen, nennt sie "unseriös". "In der Krankenversicherung geht es um etwas anderes", sagt Demmler: "Wer schon mal am Krankenbett bei einem Schlaganfallpatienten war, wer einmal eine Krebsdiagnose hatte, wer Unterstützung in der häuslichen Krankenpflege braucht, der weiß, um was es geht."

Auch ihre Kasse gewinne über die Jahre hinweg neue Mitglieder, obwohl sie einen vergleichsweise hohen Beitragssatz hat, betont Demmler. Doch dabei setze die SBK nicht aktiv auf private Online-Makler. Noch weiter geht beispielsweise die Bosch BKK. Sie arbeitet gar nicht mit Vergleichsportalen zusammen. Den Portalen Daten zur Verfügung zu stellen, erfordere "einen nicht unerheblichen personellen Aufwand", erklärt die Bosch BKK. Außerdem wolle man sich die Vermittlungskosten sparen.

Kritik von Patientenstellen

Die Maklerprovision von bis zu 112,35 Euro sieht auch Carola Sraier, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen, kritisch. Denn es seien Beitragsgelder, die die privaten Maklerunternehmen erhalten, betont Sraier und fügt hinzu: "Wir haben steigende Beitragssätze." Deswegen ist ihrer Ansicht nach eines klar: "Das gehört anders reguliert."

Mehr zu diesem Thema hören Sie heute (17.12.) um 12.17 Uhr in der Sendung Funkstreifzug im Radioprogramm von BR24. Den Funkstreifzug finden Sie auch als Podcast in der ARD Audiothek.

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