Andrang chinesischer Goldkäufer in einem Shop in Yichang
Bildrechte: picture alliance
Audiobeitrag

Andrang chinesischer Goldkäufer in einem Shop in Yichang

Audiobeitrag
> Wirtschaft >

Goldrallye: China treibt den Preis

Goldrallye: China treibt den Preis

Fast täglich neue Rekordstände beim Goldpreis führen zu einem eindeutigen Muster: Anleger im Westen verkaufen, aber der globale Osten kauft. Großkäufer sind die Zentralbanken der Schwellenländer. Mit Folgen weit über den aktuellen Goldpreis hinaus.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Fast täglich erreicht der Goldpreis neue Rekordwerte in allen Währungen. Im Gegenzug sank die Zahl der deutschen Anleger, die im Laufe des Monats März Gold kauften, um 16,6 Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit Juni 2019, so Daten der britischen Goldhandelsplattform Bullion Vault. Wenn scheinbar alle verkaufen, warum steigen dennoch die Preise rasant? Für Marktbeobachter liegen die Hintergründe des mysteriösen und untypischen Preisanstiegs noch immer im Dunkeln. Weder institutionelle Käufe sind für diese Rallye verantwortlich, da die ETF-Produkte im letzten Jahr Abflüsse verzeichneten, noch die Spekulanten am Terminmarkt, deren Positionierung nicht nennenswert anstieg und der Markt ohnehin überkauft war, so der Edelmetallanalyst Markus Blaschzok.

Klar ist: China kauft. Aber wieviel?

Belastbare Aussagen sind wegen der spärlichen Datenlage am halbanonymen Goldmarkt nur eingeschränkt möglich. Der Blick in die Goldhandelsstatistiken der großen Erzeuger-und Handelsnationen (unter anderem in der Schweiz und Großbritannien) und auf die - teils freiwilligen - Meldungen internationaler Zentralbanken sorgen zumindest für eine grobe Orientierung. Klar ist demnach: Die starke physische Nachfrage Chinas hat zur Stärke des Goldpreises beigetragen.

Die chinesische Notenbank (PBoC) hatte ihre Goldreserven im Jahr 2023 um die Rekordmenge von 735 Tonnen Gold ausgeweitet. Bereits 2022 waren es 597 Tonnen. Darüber hinaus erwarben chinesische Privatinvestoren ca. 1.411 Tonnen Gold im vergangenen Jahr und allein im Januar 2024 waren es 228 Tonnen Gold.

Über verdeckte, nicht gemeldet Käufe der chinesischen Zentralbank gibt es nur Spekulationen. Aufgrund von Marktbeobachtungen des World Gold Councils schätzt der niederländische Goldanalyst Jan Nieuwenhuijs Chinas Goldbestände mit 5.358 Tonnen mehr als doppelt so hoch ein wie offiziell angegeben.

De-Dollarisierung begründet Goldrallye nur teilweise

Damit steht die Chinesische Zentralbank an der Spitze einer Entwicklung, die Experten als De-Dollarisierung bezeichnen. So wird der Ersatz von Währungsreserven in US-Dollar durch Gold und andere Vermögenswerte bezeichnet. Offizielle Daten der Zentralbankstatistiken weisen diesen Trend seit 2018/19 nach.

Bildrechte: BR
Bildbeitrag

Internationale Währungsreserven: Goldanteil (in Prozent, rechte Skala) vs. US-Staatsanleihen (in Prozent, linke Skala)

Ein weiterer Beleg für diese These ist die Entkoppelung des Goldpreises von den Realrenditen zehnjähriger US-Staatsanleihen. Normalerweise sorgen höhere US-Zinsen für weniger Nachfrage nach zinslosem Gold. Jahrzehntelang folgte der Goldpreis diesem Muster. Doch die enorm steigende US-Schuldenlast und die damit verbundenen Inflationsgefahren durch ungehemmtes Gelddrucken der Federal Reserve Notenbank beunruhigen zunehmend die globalen Gläubiger der USA. Für zusätzliche Unruhe sorgt das Einfrieren russischer US-Dollar-Vermögenswerte als Folge des Ukraine-Kriegs. Insbesondere die sogenannten BRICS-Staaten suchen daher nach Alternativen.

"Solange kein Frieden und Vertrauen zwischen dem Westen und dem 'Rest' der Welt herrscht, dürfte die Nachfrage der Zentralbanken der Schwellenländer anhalten. Die Zentralbank in Peking kauft Gold offenbar zu jedem Preis." Adrian Ash, Goldhandelsplattform BullionVault.

Chinesen lösen Inder als Hauptkäufergruppe ab

Bereits seit 2022 treibt die chinesische Nachfrage den Goldpreis. Damit hat China endgültig die Rolle Indiens übernommen, wo Gold traditionell als Hochzeitsschmuck und Vermögenssicherung eine riesige konstante Nachfrage bei Millionen von Privathaushalten genießt. Doch die Inder haben den Preis diesmal nicht in die Höhe getrieben.

Im Gegenteil reagieren indische Käufer verstärkt preissensibel, so ein Regierungsbeamter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Demnach sind die indischen Goldimporte im März im Vergleich zum Vormonat um mehr als 90 Prozent auf den niedrigsten Stand seit der COVID-Pandemie gefallen.

Auch chinesische Privatanleger treiben die Preise

Hongkong als chinesische Sonderwirtschaftszone komme demnach eine Schlüsselstellung zu, so der niederländische Goldanalyst Jan Nieuwenhuijs. Daten des World Gold Councils zeigten, dass 2022 die gesamten Nettoexporte aus Großbritannien nach Fernost gingen und dass der Löwenanteil über Hongkong abgewickelt wird. Bislang ebbte diese Nachfrage mit steigenden Preisen wieder ab, doch diesmal ist es anders. Laut Nieuwenhuijs kann es dafür nur drei plausible Ursachen geben: Entweder die chinesische Zentralbank kauft in Hongkong Gold und überführt es unbemerkt ins chinesische Festland. Oder die sogenannten Bullionbanken erhöhen in Honkong ihre Bestände in Erwartung einer starken Nachfrage im Osten oder aber wohlhabende asiatische Bürger kaufen und lagern Gold in Hongkong.

Dafür spricht besonders, dass chinesische Investoren aufgrund der Kapitalverkehrskontrollen nur wenige andere Möglichkeiten haben als Investitionen in den lokalen Aktienmarkt, in Immobilien und Gold. Weil der Immobiliensektor in China seit Ende 2021 in einer schweren Krise ist, fürchten viele Chinesen um ihr erspartes Kapital und flüchten ins Gold. Dass steigende Preise sie eben nicht abschrecken, könnte mangels Alternativen auf eine sich entwickelnde Kaufpanik deuten.

Kaufpanik im Osten, Verkaufspanik im Westen ?

Spiegelbildlich scheint sich im Westen eine Verkaufspanik zu entwickeln. Deutsche Anleger haben nach Daten von BullionVault im März 4,8 mal so viel Gold verkauft, wie sie gekauft haben. Der Gold Investor Index Deutschland hat bisher nur zweimal mehr Goldverkäufer als -käufer verzeichnet. Dies geschah während des Anstiegs des Goldpreises in Richtung seines Höchststandes in der globalen Finanzkrise, im November 2010 und im Mai 2011.

Großen Edelmetallhändlern im deutschsprachigen Raum geht nach BR24-Recherchen langsam der Platz in ihren Lagern aus, weil die Verkäufe so stark steigen. Langsam problematisch wird auch die Geldversorgung der Händler, um die Verkäufer auszuzahlen. Scheideanstalten als Abnehmer kommen ebenfalls langsam an ihre Aufnahmekapazitäten.

Fazit: Die Funktion von Gold ist Vermögensschutz, nicht Spekulation

Trotz Höchstpreisen sollten Edelmetallanleger nicht vergessen, wofür Gold und Silber stehen: Sie bieten Schutz vor Inflation und dienen der Wertaufbewahrung von privatem Vermögen. Preisanstiege in Geld sind also trügerisch, weil sie letztlich nur den Wertverlust von Währungen widerspiegeln. Gewinnmitnahmen mögen reizvoll sein, brauchen jedoch eine vollwertige Investmentalternative für Kapitalschutz, wie der Blick in die BRICS-Staaten zeigt. Dort tauschen Staaten und Bürger US-Dollar, Aktien und Immobilien gegen Gold. Das sind Fakten, die der Rest der Welt nicht ignorieren kann und die alle Anleger betreffen, einerlei wie sie zu Edelmetallen stehen.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!