Wirecard-Schriftzug vor einem Stapel Dollarscheinen und einem Dollar-Symbol
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Wirecard-Skandal – Große BR-Recherche zum Bilanz-Testat von EY

Wirecard-Skandal – Große BR-Recherche zum Bilanz-Testat von EY

Seit der Wirecard-Pleite im Juni 2020 muss sich EY viele kritische Fragen gefallen lassen. Zehn Jahre lang haben die Wirtschaftsprüfer die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters abgesegnet - warum sind ihnen Unregelmäßigkeiten nicht aufgefallen?

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Auf den ersten Blick wirkt das Dokument mit dem gelben EY-Logo unscheinbar. Doch die 25 Seiten lange Präsentation hat es in sich: Die langjährigen Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) schicken sie am 24. April 2019 an den Aufsichtsrat des Zahlungsdienstleisters - einen Tag vor Veröffentlichung der Bilanz. Darin stellt EY fest, dass bei mehreren Wirecard-Tochterfirmen in Asien Scheinumsätze entdeckt wurden. Es geht um zehn Millionen Euro. In dieser Höhe habe es in der Konzernbilanz eine "Ausbuchung von nicht existenten Umsatzerlösen" gegeben.

Wirecard gleicht Schein mit Schein aus

Die Öffentlichkeit erfährt davon nichts. Denn Wirecard findet eine Lösung, um die Folgen für Umsatz und Gewinn auszugleichen. Der Präsentation zufolge hat Wirecard zugleich eine "Einbuchung von bislang nicht erfassten Umsatzerlösen" in Höhe von 11 Millionen Euro vorgenommen.

BR Recherche hat zahlreiche interne Unterlagen ausgewertet, E-Mail-Kommunikation analysiert und Chatverläufe eingesehen. Daraus geht hervor: Auch diese nachträglich verbuchten Umsätze gibt es nicht. Sie sind erfunden. Wirecard hat offenbar Scheinumsätze mit Scheinumsätzen ersetzt. Unter den Augen der Wirtschaftsprüfer von EY.

Wirecard räumt Scheingeschäfte in Asien ein

Im Frühjahr 2019 steht Wirecard massiv unter Druck. "Für Wirecard war das der Alles-oder-Nichts-Moment", sagt Florian Toncar, der für die FDP im Wirecard-Untersuchungsausschuss saß, zur damaligen Lage des Unternehmens. Denn die Financial Times berichtet mehrmals über Scheinbuchungen und Kreislaufgeschäfte bei Wirecard-Tochtergesellschaften, die in Asien ihren Sitz haben. Die renommierte Wirtschaftszeitung kann sich auf Dokumente berufen, die ihr ein Whistleblower aus Singapur zugespielt hat. Der Börsenkurs stürzt daraufhin ab. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht sogenannte Shortseller am Werk und beschließt ein Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien. Ein bis dato einmaliger Vorgang. Wirecard-CEO Markus Braun bestreitet damals Scheingeschäfte und betont in einem Fernsehinterview, das Unternehmen betrachte "diese ganzen Thematiken als Kapitalmarktspekulationen".

Der Whistleblower aus Singapur hat 2018 schon die Konzernzentrale in Aschheim über die Scheingeschäfte informiert. Wirecard beauftragt daraufhin die Anwaltskanzlei Rajah & Tann (R&T) in Singapur, die Vorwürfe zu untersuchen. Auch beim Wirtschaftsprüfer von Wirecard, EY, geht im Februar 2019 ein umfangreiches Konvolut mit belastenden Dokumenten ein. EY prüft die Unterlagen und befragt Mitarbeiter von Wirecard. Dabei räumt der Chefbuchhalter des DAX-Unternehmens ein, dass Umsätze von Wirecard-Töchtern in Asien mit zwei Firmen namens Right Momentum und Flexi Flex nur auf dem Papier existieren. In einem 58 Seiten langen Anhang zur Präsentation für den Aufsichtsrat hält EY später fest: "Bei einem Treffen am 20. März 2019 mit S. (Wirecard AG) erhielten wir die Information, dass es keine realen Softwarekäufe und –verkäufe mit Right Momentum und Flexi Flex gab."

Manipulation als Buchungsfehler verharmlost

Im April 2019 ist der Abschlussbericht der Anwaltskanzlei R&T aus Singapur fertig. Das Ergebnis: Bei den vorgetäuschten Geschäften handelt es sich um Bilanzmanipulation, Urkundenfälschung und Betrug. Daran beteiligt seien neben Mitarbeitern von Wirecard die beiden Firmen Right Momentum und Flexi Flex aus Malaysia sowie ein Mann namens Chan Chee P. – Er wird später nochmal eine wichtige Rolle spielen.

EY kannte diesen Bericht. Diesen Hintergrund hätten die Wirtschaftsprüfer im Testat nicht verschweigen dürfen, meint Hansrudi Lenz, Professor für Wirtschaftsprüfung an der Universität Würzburg: "Wenn ich bewusst Verträge manipuliere und nicht existente Verträge quasi aufsetze, dann ist das für mich eine bewusste Manipulation der Rechnungslegung und kein einfaches Versehen."

Im Geschäftsbericht 2018 stellt Wirecard den Sachverhalt anders dar: Dort ist nur die Rede davon, dass Umsätze in Höhe von zehn Millionen Euro "zunächst in den falschen Geschäftseinheiten des Konzerns" erfasst wurden. "Nach Korrektur wurde das gesamte Software-Geschäft in der richtigen Geschäftseinheit des Konzerns erfasst." Also lediglich ein Buchungsfehler. Die Wirtschaftsprüfer von EY halten in ihrem Bestätigungsvermerk abschließend fest, es gäbe "keine Einwendungen gegen die bilanzielle Behandlung" der Sachverhalte.

Wie neu erfundene Umsätze Scheingeschäfte kompensieren

Dass Wirecard die Scheingeschäfte in Asien ausbuchen muss, hat zwangsläufig Folgen für Bilanz und Gewinn. Wirecard greift daher zu einem Trick, um die Ausbuchungen auszugleichen: Der Konzern präsentiert neue Software-Geschäfte, die bisher nicht verbucht waren. Entdeckt wurden die Umsätze angeblich bei der Wirecard-Tochter Cardsystems Middle East in Dubai. Diese Firma soll 2017 Software für Zahlungsabwicklungen in Höhe von elf Millionen Euro verkauft haben. Dieser Umsatz wird jetzt erstmals verbucht.

Die neuen Software-Geschäfte ersetzen so die ausgebuchten Scheingeschäfte über zehn Millionen. Im Geschäftsbericht ist abschließend festgehalten, die Untersuchung der Vorwürfe in Asien hätte "keine Feststellungen mit einem wesentlichen Einfluss auf die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der Gesellschaft" ergeben. Den Bilanz-Experten Hansrudi Lenz macht dieses Vorgehen fassungslos: "Sie werden erwischt, sie müssen Umsätze ausbuchen und dann ist man so frech, sozusagen unter den Augen des Abschlussprüfers zum Ausgleich neue Scheinumsätze einzubuchen."

Wirecard, EY und das "gemeinsame Verständnis"

Dass es sich tatsächlich um Scheinumsätze gehandelt hat, dafür liegen BR Recherche zahlreiche Belege vor: So stammen die neu erfassten Umsätze angeblich aus Softwareverkäufen von Cardsystems an eine ebenfalls in Dubai ansässige Firma namens Synergistics und an einen Reiseanbieter auf den Malediven namens Lets Go Maldives. Beide Firmen kommen erstmals in Zusammenhang mit den ausgebuchten Scheingeschäften ins Spiel, die die Anwaltskanzlei R&T in Asien aufgedeckt hatte.

Wirecard-Chef Markus Braun, Finanzvorstand Alexander von Knoop und die verantwortlichen Prüfer von EY segnen das weitere Vorgehen gemeinsam ab. Das belegt eine E-Mail eines EY-Wirtschaftsprüfers an den Chefbuchhalter von Wirecard vom 21. März 2019: "Wir haben heute Abend mit Herrn Dr. Braun und Herrn von Knoop zusammengesessen und die Ergebnisse aus der R&T Summary besprochen. Wir haben das gemeinsame Verständnis entwickelt, dass zur Beurteilung der Sachverhalte weitere Unterlagen benötigt werden (Wirecard wird diese R&T und uns zur Verfügung stellen)." Ausdrücklich genannt werden beizubringende Verträge und Belege für die neu entdeckten Software-Verkäufe an die beiden Firmen Synergistics und Lets Go Maldives.

Die undurchsichtige Rolle von Chan Chee P.

Bei der Prüfung der daraufhin vorgelegten Unterlagen fallen EY offenbar zahlreiche Ungereimtheiten nicht auf. Eingefädelt hat die Software-Deals der Cardsystems mit Synergistics und Lets Go Maldives nach Darstellung von Wirecard bereits 2017 der malaysische Geschäftsmann Chan Chee P. - ausgerechnet der Mann, der schon an den ausgebuchten Scheingeschäften in Asien beteiligt war. Nach Ansicht des Bilanz-Experten Professor Hansrudi Lenz hätte EY spätestens jetzt Konsequenzen ziehen müsse: "Wenn jetzt dieser Vermittler sozusagen aus der einen Tür rausgeht und durch die andere Tür wieder reinkommt und an andere Unternehmen Umsätze vermittelt, die vorher nicht stattgefunden haben, dann muss man das natürlich zum Anlass nehmen, dem genau nachzugehen."

So hätte EY auffallen müssen, dass im Frühjahr 2019 kein Beleg über Provisionszahlungen vorlag. Denn Chan Chee P. hat erst am 22. Juli 2019 eine Rechnung über eine Million Euro für die Vermittlung der neuen Software-Deals gestellt. Außerdem liefert der angebliche Vermittler Chan Chee P. zwar am 25. März 2019, während der Abschlussprüfung, eine eidesstaatliche Versicherung über seine Tätigkeit für Wirecard. Von seinen Vermittlungsleistungen im Rahmen der Software-Verkäufe schreibt er darin jedoch nichts. Für Anfragen ist Chan Chee P. nicht erreichbar.

Angeblicher Käufer kennt Vermittler nicht

Der Geschäftsführer des Reiseportals Lets Go Maledives, einer der angeblichen Käufer der Software, beantwortet Fragen telefonisch. Er erklärt, von dem Vermittler Chan Chee P. habe er noch nie etwas gehört. Einen Vertrag über eine Software-Lieferung mit der Wircard-Tochter Cardsystems gebe es nicht.

Der Chef des zweiten Software-Käufers Synergistics heißt Tarek M. und ist angeblich ein Geschäftsmann aus Dubai. Unterlagen, die BR Recherche vorliegen, zeigen: Angeblich treffen ihn die Prüfer von EY in Frühjahr 2019 in Dubai. Dabei scheint ihnen nicht aufzufallen: Tarek M. arbeitet damals bei der dortigen Polizei - und zwar im Bereich Geldwäschebekämpfung. Derzeit ist er Abteilungsleiter, zuständig für "Virtual Assets Crime". So stand es bis vor kurzem in seinem Internet-Profil auf dem Karriere-Netzwerk LinkedIn. Nach einer BR Anfrage verschwindet das Profil sofort. Auf SMS reagiert Tarek M. nicht.

10 Millionen Euro für den ehemaligen libyschen Geheimdienstchef

Bemerkenswert ist ein weiterer Vorgang: Die Wirecard-Tochter Cardsystems war ursprünglich gar nicht in Besitz einer Software. Die kauft sie laut den ausgewerteten Unterlagen angeblich im August 2017 von einer Firma namens "PMFG". Die soll ebenfalls in Dubai sitzen. Registriert ist die Firma dort aber nicht. Zudem stellt die PMFG der Cardsystems erst fast zwei Jahre später, während der laufenden Wirtschaftsprüfung 2019, eine Rechnung über zehn Millionen Euro. Der Wirecard-Vorstand gibt den Betrag sofort zur Überweisung frei.

Die Summe wird allerdings auf das Konto der "Aegean Danismanlik", also an eine andere Firma, überwiesen. Die sitzt in Istanbul. Dem Handelsregister zufolge ist Rami El-Obeidi als Gesellschafter und Direktor eingetragen. Eine einfache Internet-Recherche hätte schon im Frühjahr 2019 gezeigt, dass es sich dabei um einen früheren libyschen Geheimdienstchef handelt. EY hat das nicht bemängelt. Die Financial Times deckte später auf, dass El-Obeidi, ein Vertrauter des untergetauchten Wirecard-Vorstands Jan Marsalek, an der Ausspionierung von Journalisten und Shortsellern in London beteiligt war. El-Obeidi reagiert auf Fragen nicht.

Auf eine detaillierte BR-Anfrage zu den zahlreichen Ungereimheiten erklärt der Wirtschaftsprüfer EY allgemein, man habe "umfangreiche Prüfungshandlungen durchgeführt und die Prüfung an die zum jeweiligen Zeitpunkt bekannt gewesene Informationslage angepasst."

40 Millionen für zweifelhafte Software-Deals

Noch eine Reihe weiterer Software-Verkäufe hätte die EY-Prüfer stutzig machen müssen. Vorliegende Unterlagen zeigen: Die Wirecard-Tochter Cardsystems will die angebliche Software für Zahlungsdienstleistungen nicht nur an Lets Go Maldives und Synergistics, sondern an neun weitere Firmen verkauft haben - für insgesamt fast 40 Millionen Euro. Auffällig hier: Einige Kunden erwarben die Software laut Unterlagen, bevor Cardsystems selbst sie gekauft hatte. Zudem traten als Käufer Firmen auf, bei denen im Unklaren bleibt, wozu sie eine solche Software überhaupt brauchen, darunter zum Beispiel die RSB-Group, eine russische Söldnerfirma.

Großteils haben die Firmen nach BR-Informationen für die angeblich gelieferte Software bis zum Kollaps von Wirecard im Juni 2020 nichts bezahlt. Hat Wirecard also auch mit diesen mutmaßlichen Scheingeschäften die Bilanz aufgebläht – und die Wirtschaftsprüfer haben es nicht gemerkt?

Florian Toncar, seit kurzem Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium wirft EY Fehlleistungen vor: "Für Wirtschaftsprüfer sind das klare Betrugs-Indikatoren. Dass die nicht als solche erkannt worden sind und dass man nicht rechtzeitig den Stecker gezogen hat bei der Prüfung von Wirecard, das ist eines der ganz, ganz großen Versäumnisse des Abschlussprüfers EY."

EY erklärt, als Prüfer dürfe man sich nur "in den Grenzen der gesetzlichen und berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht" äußern. Weitere Auskünfte gibt EY nicht.

Das Konzept "Quick und Dirty"

Die Recherchen zeigen: Selbst Wirecard-Mitarbeiter hatten Zweifel, ob die an EY geschickten Belege über die Auslieferung der Software an die Kunden ausreichend sind. So schreibt ein Mitarbeiter an eine Kollegin: "Ich verstehe es nicht. Siehst Du hier den Nachweis der Lieferung an die Kunden über die Plattform?" Und immer wieder mahnen Mitarbeiter in München beim verantwortlichen Manager in Dubai an, endlich fehlende Unterlagen beizubringen. Der antwortet in einer E-Mail am 22. März 2019: "Wir haben die Software und den Support zu keinem Zeitpunkt dahingehend aufgestellt, die Sache zu dokumentieren und nachvollziehbar zu machen. Die Beauty des Konzepts ist ja gerade eben, dass die Sachen Quick und Dirty sind."

Wirecard will auch in Saudi-Arabien das große Rad drehen

Einer dieser Software-Deals erscheint besonders "dirty". Über den Messenger-Dienst Telegram schreibt Marsalek im April 2019 seiner Mitarbeiterin Dagmar S.: "Wir treffen am 22/23/24 April MBS in Riyadh." MBS - das Kürzel des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Zu diesem Zeitpunkt werden gegen diesen längst schwere Vorwürfe erhoben - wegen des Mordes an dem regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul im Oktober 2018.

Marsalek scheinen diese Umstände nicht daran zu hindern, mit den Saudis Geschäfte anbahnen zu wollen. Bei dem geplanten Treffen soll es um ein "Projekt mit dem Staatsfonds" gehen, erklärt er der Mitarbeiterin. Ein Titel für das Vorhaben existiert auch schon: "Fineom". Dieses soll mit dem NEOM-Projekt in Verbindung stehen. "NEOM" ist Teil der "Vision 2030" der saudischen Führung. Sie will im Nordwesten des Landes eine Zukunftsstadt aus dem staubtrockenen Boden stampfen. Auf der Internetseite der Regierung ist die Rede von einer "Heimat für Menschen, die groß denken". Jan Marsalek scheint wohl ein perfekter Partner zu sein.

Islamische Bank und "Hajj-Card" - Wirecard will Mekka erobern

Laut internen Präsentationen werde sich Wirecard mit seiner "mobilen Banking-Technologie" in das Projekt einbringen, außerdem gebe es auch schon ein Konzept für den Aufbau einer "islamischen Digital-Bank". Und: Wirecard will für Millionen muslimische Pilger in Mekka eine Bezahl-Karte entwickeln - die "Hajj-Card".

Wirecard erweckt den Eindruck, deswegen mit hochrangigen Persönlichkeiten in Kontakt zu stehen. Ein typisches Marsalek-Projekt, so der langjährige Ex-Wirecard-Manager Jörn Leogrande: "Die meisten Mitarbeiter, die da involviert waren, wussten von Anfang an, dass aus diesen Projekten nicht viel wird."

Handshake-Foto mit dem Ex-Siemens-Chef

Schon 2018 hat Marsalek an die Firma Fineom Technologies, die an dem Projekt beteiligt war, angeblich eine Bezahl-Software verkauft - für 3,4 Millionen Euro. EY will bei der Abschlussprüfung im Frühjahr 2019 wissen, was dahinter steckt. Wirecard erstellt deshalb eine Präsentation über Fineom. Sie liegt BR Recherche vor. Darauf zu sehen: Fineom-Chef Badr A. beim Handshake mit dem früheren Siemens-CEO Klaus Kleinfeld. Kleinfeld hat von 2017 bis 2018 für den saudischen Königshof als Berater gearbeitet. Worum es bei dem Treffen gegangen ist - unklar. Kleinfeld reagiert nicht auf Anfragen.

Am Ende bleibt der angebliche Umsatz mit Fineom im Frühjahr 2019 in der Bilanz: Denn Wirecard versichert, dass hinter der Firma ein saudischer Staatsfonds stecke. Dabei hatte EY selbst festgestellt: "Nachweise für die Solvenz des Kunden sowie Werthaltigkeit der Forderung Fineom […] konnten nicht erbracht werden."

Hätten Anleger besser geschützt werden können?

Im April 2019 bekommt Wirecard von EY ein uneingeschränktes Testat. Für den FDP-Politiker Florian Toncar, der den Fall Wirecard durch seine Tätigkeit im Untersuchungsausschuss genau kennt, steht fest: Hätte Wirecard die Scheingeschäfte schon im April 2019 zugeben müssen, "dann wäre es mit dem Unternehmen sehr viel schneller zu einem Ende gekommen. Und auch die Aktionäre, auch die Banken wären sehr viel weniger geschädigt worden, als das am Ende leider doch passiert ist."

Die Anwälte von Jan Marsalek und der Sprecher von Markus Braun beantworteten einen detaillierten Fragenkatalog von BR Recherche nicht - mit Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München.

Scheingeschäfte, die als Buchungsfehler deklariert und testiert werden, undurchsichtige Geldflüsse zu Marsalek-Vertrauten, die nicht auffliegen, einfache Präsentationen, mit denen sich die Wirtschaftsprüfer offenbar abspeisen ließen: Das Vorgehen EYs bei der Prüfung der verdächtigen Softwaregeschäfte könnte für zehntausende Anleger relevant sein. Bisher sind sie vor Gericht mit Schadenersatzklagen gescheitert - unter anderem, weil Richterinnen und Richter davon ausgehen, dass EY kein Fehlverhalten nachzuweisen sei.

Dieser Artikel erschien erstmals am 15. Dezember 2021 auf BR24. Am Donnerstag, den 8. Dezember 2022, beginnt in München der Strafprozess u.a. gegen den ehemaligen Wirecard-Vorstandschef Markus Braun. Um die Hintergründe noch einmal zu erklären, veröffentlichen wir im Vorfeld ausgewählte Artikel zum Wirecard-Skandal erneut.

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