Wann immer ein Wirtschaftsforscher oder eine Konjunkturexpertin derzeit vor die Presse tritt, ist die Botschaft dieselbe: Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt nicht mehr. Wachstum? Fehlanzeige. Stattdessen ist von Schwächephase oder Stagnation die Rede.
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So auch heute Vormittag, als die Wirtschaftsweisen, das wirtschaftliche Beratergremium der Bundesregierung, ihr Frühjahrsgutachten (externer Link) und die Wachstumsprognose für das laufende und das kommende Jahr bekanntgaben. Wobei Wachstum an dieser Stelle das falsche Wort ist. Es gibt nämlich keines.
Vorhersage von 0,4 Prozent auf null gesunken
Für 2025 senkte das Gremium seine Vorhersage von zuletzt 0,4 Prozent auf null. Damit befindet sich Deutschland seit mittlerweile drei Jahren in einer "gesamtwirtschaftlichen Stagnation". Und auch im kommenden Jahr dürfte sich mit einem marginalen Plus von 0,1 Prozent kaum etwas ändern. "Die deutsche Wirtschaft profitierte zuletzt nur wenig vom Wachstum der Weltkonjunktur", so das nüchterne Fazit des fünfköpfigen Gremiums unter der Leitung der Münchner Forscherin Monika Schnitzer.
Schlechte Nachrichten auf beiden Seiten des Atlantiks
Eine wesentliche Rolle spielen dabei externe Faktoren. Einer davon sitzt in Washington DC. US-Präsident Donald Trump gefährde das Wachstum gleich aus mehreren Gründen. "Die deutschen Exporte dürften mit den sprunghaft und unberechenbar steigenden Zöllen noch weiter zurückgehen", sagt das Gremium voraus. Zum anderen zwinge die Unsicherheit über die seit Jahrzehnten verlässliche Sicherheitspartnerschaft mit den USA die Europäer zu einer deutlichen Erhöhung ihrer Militärausgaben. Geld, das an anderer Stelle fehle.
Das Gutachten listet auch eine ganze Reihe hausgemachter Probleme auf. Ganz vorne dabei: Die Bürokratie, die endlich spürbar reduziert werden müsse. Die Wirtschaftsweisen sparen nicht mit Kritik: "Trotz zahlreicher politischer Initiativen sind die Belastungen der Unternehmen mit Bürokratiekosten bisher nicht spürbar zurückgegangen", heißt es in dem Gutachten. Für mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit müssten Informationspflichten abgebaut, Antrags- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und die öffentliche Verwaltung zügig digitalisiert werden.
Einziger Lichtblick: Das geplante Finanzpaket
Gute Noten bekommt die Bundesregierung im Grundsatz für das geplante Sondervermögen, mit dem 500 Milliarden Euro in Infrastruktur- und Klimaschutzprojekte gesteckt werden sollen. Wenn die Mittel richtig eingesetzt würden, so das Gremium, gebe es Chancen für eine Modernisierung und eine wirtschaftliche Belebung.
Eines machen die Wirtschaftsweisen in diesem Zusammenhang aber deutlich: Das Sondervermögen müsse klar auf Investitionen und damit Wachstum ausgerichtet werden. Nur dann seien "langfristige Wachstumseffekte" zu erwarten. Es dürfen also keine Lücken im Kernhaushalt gestopft werden. Die bislang getroffenen Vorkehrungen, um das zu verhindern, reichten derzeit noch nicht aus.
Wirtschaftsweise üben indirekte Kritik am Bundeskanzler
Der Forderung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Wirtschaftsverbänden nach Mehrarbeit schließt sich das Expertengremium nicht an. Es gehe nicht darum, dass jeder Einzelne mehr arbeite. Vielmehr brauche es Anreize, um die Beteiligung am Arbeitsmarkt zu erhöhen. Besonders viel Potenzial stecke etwa in einer stärkeren Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt, etwa durch eine Verbesserung der Kinderbetreuung. Eine weitere Maßnahme, um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen, wäre etwa eine Abschaffung oder Reformierung des Ehegattensplittings.
Friedrich Merz hatte zuletzt wiederholt gefordert, dass die Menschen in Deutschland mehr arbeiten müssten. "Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance können wir den Wohlstand nicht erhalten", sagte er beim Wirtschaftstag des Wirtschaftsrates der CDU in der vergangenen Woche.
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