Spritze mit Ozempic (Semaglutid)
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Ozempic-Spritze

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Abnehmspritze hilft auch bei Herzschwäche

Abnehmspritze hilft auch bei Herzschwäche

Viele Menschen mit Herzinsuffizienz leiden zusätzlich an Übergewicht und Diabetes. Können Abnehmspritzen also auch ihr Herzleiden lindern? Eine neue Studie mit fast 100.000 US-Patienten kommt zum Ergebnis: Ja, und zwar gewaltig!

Über dieses Thema berichtet: Wissenschaft und Technik am .

Herzschwäche ist eine Volkskrankheit – gerade in wohlhabenden Ländern wie Deutschland. Mehrere Millionen Menschen leiden hierzulande unter Erkrankungen, bei denen das Herz nicht mehr in der Lage ist, ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen. Das passiert zum Beispiel in Folge eines Herzinfarkts, bei dem der Herzmuskel beschädigt wird.

Bei der häufigsten Form der medizinisch sogenannten Herzinsuffizienz aber ist diese Pumpfunktion weiter erhalten. Nur ist das Herz so beansprucht, zum Beispiel bei Diabetikern, durch Bluthochdruck oder Übergewicht, "dass es bereits in Ruhe so viel Energie aufbringen muss, dass es während der Belastung nicht mehr genügend Reserven hinzuziehen kann", erklärt Christoph Maack, Sprecher des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI) an der Universität Würzburg (externer Link). Betroffene geraten schon bei leichten Aktivitäten wie Treppensteigen in Atemnot.

Abnehmspritze auch fürs Herz?

Bislang kann nur ein Medikament diesen Betroffenen helfen. Sogenannte SGLT-2-Inhibitoren greifen in den Zuckerhaushalt ein, das hilft sowohl bei Diabetes als auch den Herzmuskelzellen, die unter zu viel Blutzucker leiden. Sind Diabetes- und Abnehmmedikamente mit den Wirkstoffen Semaglutid (Ozempic oder Wegovy) oder Tirzepatid (Mounjaro) jetzt eine weitere Option? In den vergangenen zwei Jahren haben bereits mehrere Studien darauf hingewiesen – allerdings nur mit wenigen Hundert Studienteilnehmenden.

Eine große Studie von Forschenden an der Technischen Universität München und der Harvard Medical School (externer Link) kommt jetzt zu dem Ergebnis, "dass beide Medikamente das Risiko für die Einweisung ins Krankenhaus oder den frühen Tod um über 40 Prozent im Vergleich zu einem alten Diabetesmedikament senken können", erklärt der Erstautor der Studie, Nils Krüger (externer Link). Aktuell forscht er am Brigham and Women's Hospital und der Harvard Medical School. Sowohl Semaglutid als auch Tirzepatid waren vergleichbar wirksam.

Dafür haben Krüger und seine Kollegen die Daten von fast 100.000 US-Patienten ausgewertet und verglichen. Darunter waren auch viele Menschen, die in anderen Studien ausgeschlossen worden wären, etwa weil sie mehrere Krankheiten haben, so Krüger. Die Studie zeigt wie etliche andere aus dem Feld: Krankenkassen- und Versicherungsdaten von Millionen Patienten aus dem echten Leben sind für die medizinische Forschung ein großer Gewinn.

Hoffnung für Herzleidende

Das Ergebnis bestätige eindrucksvoll die bisherige Forschung und sei aufgrund der Datenmenge und der statistischen Methoden sehr aussagekräftig, ordnet Christoph Maack vom DZHI ein. Die genauen Wirkmechanismen – neben dem positiven Abnehmeffekt – sind aber noch nicht geklärt. Um die Wirkstoffe als Medikament auch gegen Herzinsuffizienz zuzulassen, reicht die jetzt vorgelegte Studie allerdings nicht aus – hierfür gibt es strenge Vorgaben, mit mehreren klinischen, also gezielt durchgeführten Studien, um diese eine Wirkweise zu belegen.

Da die Spritzen aber sowohl gegen Diabetes als auch bei starkem Übergewicht zugelassen sind, können diejenigen Herzpatienten sich die jeweiligen Präparate trotzdem verschreiben lassen. Allerdings übernehmen die Krankenkassen in Deutschland nur bei Diabetes die Kosten – und Betroffene sind bei Nebenwirkungen entsprechend abgesichert.

Keine medizinische Wunderwaffe

Die Medikamente sollten nicht leichtfertig und immer unter ärztlicher Betreuung genommen werden. Sie müssen einmal wöchentlich gespritzt werden, um die Wirkung aufrechtzuerhalten. Und die Nebenwirkungen sind zum Teil schwer.

Deshalb rät der Kardiologe Maack zu mehr Prävention, die aber nur die Politik mit Regulierung schaffen könne. Eine Zuckersteuer etwa wäre ein einfacher Weg. Denn unsere Ernährungsweise hängt maßgeblich mit Übergewicht, Diabetes und damit auch der häufigsten Form von Herzinsuffizienz zusammen.

Aber: "Da aktuell schon so viele Patienten an diesen Erkrankungen leiden, braucht es auch effektive Therapiestrategien, die den Betroffenen Abhilfe schaffen", sagt Nils Krüger. Gerade für Menschen mit Herzschwäche und Übergewicht und Diabetes geben die Ergebnisse jetzt Hoffnung auf ein zweites Medikament, fügt Maack hinzu: "Dass die Lebensqualität besser wird und auch einfach weniger Menschen ins Krankenhaus kommen."

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