Nein, wir glauben nicht mehr an den Weihnachtsmann oder an das Christkind. Oder doch? Zumindest wenn es den Weihnachtsmann gäbe, müsste er - wenn er alle Kinder weltweit mit Geschenken versorgen würde - eine logistische Meisterleistung vollbringen. Das zeigen Forschungen, die unter anderem die beiden Physiker Metin Tolan, vor kurzem emeritiert an der TU Dortmund, und Jörg Mertins von der Universität Regensburg vorgenommen haben.
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2.000 Besuche pro Sekunde für den Weihnachtsmann
Es wäre wahrlich ein Knochenjob: Ungefähr zwei Milliarden Kinder gibt es derzeit auf der Welt. Durchschnittlich leben 3,5 Kinder in einem Haushalt. Auch wenn nicht alle Kinder in den Zuständigkeitsbereich des Weihnachtsmanns fallen, müsste er immer noch etwa 234 Millionen Haushalte besuchen. Um alle Geschenke rechtzeitig an einem Tag abzuliefern, hätte er bei Ausnutzung der Zeitverschiebung und Erdrotation 31 Stunden Zeit. Das heißt: 2000 Besuche pro Sekunde müsste der Weihnachtsmann schaffen. "Das sind also zwei Besuche in einer Millisekunde. Und eine Millisekunde ist der Flügelschlag einer Mücke", veranschaulicht Metin Tolan von der TU Dortmund im BR. Das mit dem menschlichen Auge zu sehen, ist unmöglich.
Um dieses Pensum erledigen zu können, müssten die Rentiere 711 Kilometer pro Sekunde zurücklegen, rechnet Tolan vor. Zum Vergleich: Die schnellste Rakete, die Menschen je von der Erde aus gestartet haben, schaffte 16 Kilometer in der Sekunde.
Und: Auch wenn jedes Kind nur ein Geschenk von einem Kilogramm Gewicht erhält, müssten die Tiere 234.000 Tonnen ziehen. Ein Rentier kann 200 Kilogramm ziehen, ein fliegendes vermutlich das Zehnfache. Es bräuchte also 117.000 Rentiere, um die Ladung zu transportieren. Weil der Luftwiderstand auf der Erde zu groß ist, müsste die Reise dann durch das Weltall gehen. Das Problem: Die Tiere samt Schlitten, Ladung und Weihnachtsmann müssten wieder zurück in die Erdatmosphäre. Das erzeugt Reibungskraft, die so stark ist, dass das erste Paar Rentiere sich in einer 27-stel Millionstelsekunde auflösen würde. "Das würde einfach verdampfen", sagt Tolan.
Weihnachtsmann: Warum die Relativitätstheorie relevant ist
Eine andere Rechnung hat Katy Sheen, Physikerin an der Universität Exeter, aufgemacht - und damit die Relativitätstheorie ins Spiel gebracht. Um 700 Millionen Kinder an einem Tag zu besuchen, müssten die Rentiere samt Weihnachtsmann nach ihrer Gleichung mit einer Geschwindigkeit von mindestens zehn Millionen Kilometern pro Stunde um die Erde rasen. Damit durchbrechen sie nicht nur locker die Schallmauer, sie wären so schnell, dass relativistische Effekte auftreten könnten. Ein sogenannter "Spaghettisierungs-Effekt" würde auftreten. Das heißt: Das Objekt wird immer länger und dünner, je schneller es sich bewegt. Das könnte erklären, warum der Weihnachtsmann durch jeden Schornstein passt.
Metin Tolan: "Quantentheorie die Lösung"
Je nachdem, welche Zahlen man verwendet, etwa, welche Entfernungen man von Haus zu Haus annimmt, die Rechenmodelle variieren sehr. "An solchen Sachen kann man viel darüber lernen, wie man gute und schlechte Näherungen macht, was wesentliche und untergeordnete Effekte sind, wenn man sich das durchrechnet", sagt Jörg Mertins von der Uni Regensburg.
Für Metin Tolan könnte die Quantentheorie die Lösung sein, um das Weihnachtsmann-Phänomen zu erklären. Sie besagt: Ein Elektron kreist nicht um einen Atomkern, sondern es ist überall gleichzeitig um den Kern. Erst wenn man eine Messung macht, weiß man, wo es in diesem Moment tatsächlich ist. Diese Theorie könnte laut Tolan jedenfalls erklären, warum wir den Weihnachtsmann nicht sehen. Der Vorteil wäre auch: Der Weihnachtsmann würde nicht - wie bei anderen Modellen - verdampfen. Die Quantentheorie fordert aber ein radikales Umdenken, so Tolan. "Der Weihnachtsmann kommt nicht am 24. Dezember – er ist bereits seit einer Ewigkeit von 20 Oktillionen Jahren unterwegs."
Dem Christkind ist mit physikalischen Modellen übrigens noch schwerer beizukommen als dem Weihnachtsmann. Man weiß schlichtweg zu wenig: Wie groß ist es? Womit ist es unterwegs? Wie viele Engel helfen? All das bleibt wohl ein Weihnachtsgeheimnis.
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