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Erst kürzlich hat der Vorsitzende des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst, Frank Flake, eine Helmpflicht für Pedelec-Fahrer gefordert. Denn bei Unfällen mit Pedelecs komme es immer wieder zu schweren Kopfverletzungen.
Helmpflicht? "Ich lasse mir doch nichts vorschreiben!"
Bei BR24-Usern löste die Forderung teils Empörung aus. In der Kommentarspalte schrieb Nutzer "tukib" von einem "übergriffigen Staat" und kommentierte, dass doch jeder selbst für seine Sicherheit verantwortlich sei. Die Forderung sei "typisch deutsch". Andere Nutzer wie "Kaasspotzerl" oder "cundy2007" erkannten in der ablehnenden Haltung anderer User Parallelen zum Aufschrei rund um die Einführung der Gurtpflicht oder anderen Sicherheitsmaßnahmen. Und "Frankonius22" kommentierte: "Ich weiß nicht, was schlimm am Helm ist. Ich habe den Eindruck, es geht nur darum: 'Ich lasse mir doch nichts vorschreiben'."
Veränderung führt zu Widerstand
Claus-Christian Carbon, Leiter des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre an der Uni Bamberg, erklärt dazu: "Jede Art von Veränderung verunsichert erstmal und schafft auch so etwas wie einen Widerstand." Hinzu komme: Aktuell habe man die Freiheit, an jedem Ort zu jeder Zeit mit dem Fahrrad loszufahren – so wie man ist. An einen Helm müsse man dabei nicht denken.
Das würde sich nach der Einführung einer Helmpflicht ändern. Man müsse an den Helm denken, müsse ihn mit sich herumtragen oder verstauen und habe eine Strafe zu fürchten, wenn man ohne Helm mit dem Fahrrad fahre.
Alltagsrisiko Fahrradfahren: "Das habe ich im Griff"
Eine ähnliche Argumentation bringt der Vorsitzende des Berufsverbands für Soziologie in Deutschland, Jens Jetzkowitz, im BR24-Gespräch vor. Durch die Einführung einer Helmpflicht hätten Menschen das Gefühl, in ihrer Freiheit eingeschränkt zu werden. Eine legitime Nutzung des Fahrrads wäre dann nur mit einem Helm erlaubt. Da es sich beim Fahrradfahren um ein alltägliches Risiko handelt, wären die meisten Menschen davon überzeugt, das "Problem" auch ohne Helm im Griff zu haben, anders als etwa beim Bergsteigen oder Fallschirmspringen, wo Menschen eher an ihre Sicherheit denken würden.
Einen weiteren Punkt spricht Joost van Loon, Lehrstuhlinhaber Allgemeine Soziologie und Soziologische Theorie der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, an. So herrsche heute aktuell vielerorts ein kollektives Gefühl, dass "alles nur schlechter wird". Die Idee, dass der Staat bei der Einführung einer Helmpflicht wieder einen neuen Anlass erfinden würde, um Menschen bestrafen zu können und Geld von ihnen einzutreiben, intensiviere das Misstrauen.
Sicherheitsbedürfnisse entwickeln sich schnell
Auch bei der Einführung der Gurtpflicht hatten Menschen Kritik geäußert, erinnert sich Carbon. Sie befürchteten, dass sie sich mit Gurt im Auto nicht mehr gut bewegen könnten und verwiesen darauf, dass ein Gurt unbequem und unnötig sei. Doch seit der Einführung habe sich viel getan. "Mittlerweile fühlt man sich, zum Beispiel bei 150 Kilometern pro Stunde im Auto auf der Autobahn, ohne Gurt unwohl", meint Carbon. Heißt: An eine solche Änderung gewöhne man sich – zum Teil sogar ziemlich schnell. Nachdem die Maskenpflicht während der Corona-Pandemie eingeführt wurde, hätte sich ein großer Teil der Bevölkerung auch relativ kurzfristig damit arrangiert. Menschen ohne Maske seien damals schnell als potenzielles Gesundheitsrisiko angesehen worden. "Die Sicherheitsbedürfnisse entwickeln sich schnell", fasst Carbon zusammen.
ADFC: Fahrradfahren muss "selbstverständlich" bleiben
Auch beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) kann man die User-Kritik an der Maßnahme verstehen. "Wir wollen, dass Menschen ganz selbstverständlich Fahrrad fahren können", erklärt Eva Mahling, Vorsitzende des ADFC Bayern. "Mit einer Pflicht schafft man eine Hürde." Das sei nicht förderlich. Demnach setze der ADFC auf Freiwilligkeit. Anstatt einer Helmpflicht müsse versucht werden, Unfälle zu verhindern, zum Beispiel durch eine bessere Radinfrastruktur.
Dieser Artikel ist erstmals am 2. September 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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