Lena Tauschs Arbeitsplatz ist ein idyllisches Waldstück in der Nähe von Weißenhorn bei Neu-Ulm. Hier arbeitet sie als Revierförsterin. Zu ihrem Beruf gehört aber nicht nur die Pflege des Waldes, sondern auch die Jagd. Lange undenkbar für Lena, denn sie war neun Jahre lang überzeugte Vegetarierin. "Ein Freund von mir hatte Schweine zu Hause und ich hab die sehr geliebt und immer gefüttert", erzählt sie. "Eines Tages waren die Schweine weg und die Wurst da. Und da ist mir einfach bewusst geworden, was da passiert ist." Danach war für sie mit dem Fleisch erst einmal Schluss.
Beim Wild ist der Abschuss gesetzlich vorgeschrieben
Den Jagdschein machte sie während ihres Studiums unter der Prämisse, dass sie später im Beruf nicht zwingend jagen müsse, es aber oft Einstellungsvoraussetzung sei, einen Jagdschein zu haben. Dann änderte sich ihre Einstellung aber, als sie lernte, wie im Wald alles miteinander zusammenhängt, wie Mensch, Tier und Natur sich gegenseitig beeinflussen.
Seither isst sie wieder Wildfleisch, das nach gesetzlichen Vorgaben sowieso geschossen werden muss. "Weil der Mensch Ansprüche an den Wald stellt", erklärt sie. "Wir Menschen wollen Holz, Papier, Stühle, Fleisch, Lebensmittel." Daher gestalte der Mensch den Wald nach seinen Bedürfnissen. Da das Wildfleisch dabei sowieso anfällt, ist es für Lena ethisch vertretbar, es dann auch zu essen.
Wildfleisch hat für Lena viele Vorteile
Sogenannte "Jegetarier" gibt es häufiger, sogar "Jeganer", die bis auf das selbst erlegte Fleisch komplett auf Tierprodukte verzichten. Oft steht dahinter eine Kritik an Massentierhaltung. Lena kauft abgesehen vom Wild nur selten Geflügel, weil sie das aus dem Wald nicht bekommt. Dann achtet sie auf gute Haltung und lokale Produkte. "Mir steht es eigentlich nicht zu, was zur Massentierhaltung zu sagen, weil ich nicht aus der Landwirtschaft komme", meint sie.
Dennoch hat Wildfleisch für sie viele Vorteile: "Das Wild wächst entspannt in seiner natürlichen Umgebung auf, hat keine langen Transportwege, bekommt keine Medikamente, hat keine Zäune und im Idealfall einen schnellen Tod, von dem es vorher nichts mitbekommen hat."
Tiere zu töten, gehört mittlerweile zum Arbeitsalltag der ehemaligen Vegetarierin. Trotzdem liebt Lena Tiere und das Jagen fällt ihr nicht immer leicht: "Die Emotion schwingt immer mit und jedes Mal, wenn ich den Finger abdrücke, weiß ich, dass jetzt ein Lebewesen sterben wird."
Weniger Fleisch essen, dafür bewusster
Ihr Wild bezieht Lena von einem kleinen Laden, der zum Forstbetrieb in Weißenhorn gehört. Sie will zeigen, wie vielseitig Wild ist: "Den Wildbraten kennen viele aus der Weihnachtszeit. Auch Ragout, Wildschinken oder Wildsalami sind bekannt." Aber mit Wild könne man noch viel mehr machen – zum Beispiel Grillen oder eine Brotzeit.
Für sie heißt das aber nicht, dass alle Menschen weiterhin so viel Fleisch essen sollen wie vorher, nur eben als Wild: "Weil wir dann wieder bei einem Massenprodukt sind. Und wir haben nur einen gewissen Wildbestand." Ihr Wunsch: Jeder sollte seltener und bewusster Fleisch essen und daran denken, dass ein Lebewesen dafür gestorben ist.
"Hat mich auch Überwindung gekostet"
Das erste Mal wieder Fleisch gab es für Lena vor ein paar Jahren an Weihnachten – ebenfalls Wild. "Das war ein merkwürdiges Gefühl", erinnert sie sich. "Es hat mich auch Überwindung gekostet, weil ich es ja so lange ohne Fleisch geschafft habe." Schließlich habe dann aber die Neugier gewonnen. "Auch mit dem Wissen, was für ein Fleisch das ist. Es hat wunderbar geduftet und wunderbar geschmeckt."
Die Vegetarier in ihrem Freundeskreis hätten diesen Wandel unterschiedlich aufgenommen. "Die einen sagen: Ich mach’ es so und du machst es, wie du möchtest. Aber es gab auch ein Unverständnis, wie man nach so einer langen Zeit wieder zum Fleischesser werden kann und wie es zusammengehen kann, dass man Tiere liebt und trotzdem ein Tier töten und essen kann." Trotz allem: Der Konsum von Wild bleibt für Lena ein ethisch vertretbarer Mittelweg.
Dieser Artikel ist erstmals am 20. Oktober 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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