Landwirt Karl Pichlmeyer sorgt sich um seinen Hopfen.
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Landwirt Karl Pichlmeyer sorgt sich um seinen Hopfen.

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Problem für Landwirte: Immer weniger Pestizid-Wirkstoffe

Problem für Landwirte: Immer weniger Pestizid-Wirkstoffe

In der Landwirtschaft werden gegen manche Schädlinge und Unkräuter die Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe knapp. Das trifft vor allem Sonderkulturen. Aber nicht nur. Ein Grund für die Knappheit: Die Zulassungen werden immer strenger.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Es geht um die Wirkstoff-Palette. Nicht um den Verbrauch an Pflanzenschutzmitteln und auch nicht um die Anzahl an verschiedenen Pestiziden, die die Agrarchemie anbietet. Denn die Anzahl an angebotenen Pflanzenschutzmitteln steigt. Aber die Vielfalt an Wirkstoffen, die darin enthalten sind, sinkt.

Nur noch ein Mittel gegen den Hopfen-Erdfloh

Hopfenbauer Karl Pichlmeyer aus Rudelzhausen im Landkreis Freising geht durch die Reihen mit kniehohen Hopfenreben. Er will heute gegen den Erdfloh spritzen: "Da sitzt einer, da einer, da sitzen zwei."

Der Hopfen-Erdfloh ist ein kleiner schwarzer Käfer, der im Frühjahr an den Blättern und Trieben frisst und im Sommer die Dolden kaputtmacht. Der Schädling vermehrt sich rasant – und die Zahl der Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe, die gegen ihn eingesetzt werden dürfen, sinkt. Früher gab es ein Insektizid, das im Herbst gespritzt wurde und über den Boden gewirkt hat. Das ist nicht mehr zugelassen. Jetzt gibt es nur noch eins, das im Frühjahr gespritzt wird und den Käfer direkt erwischen muss.

Das warme Wetter ist ideal. Da sitzen die Käfer auf den Blättern. Doch einige von ihnen wird das Mittel nicht töten. Unter anderen, weil die Schädlinge schneller resistent werden, wenn es nur ein Mittel gibt. "Den Eindruck haben wir schon seit längerer Zeit", so Pichlmeyer.

Fast der Normalzustand: Notfallzulassungen im Hopfenanbau

Gegen den Hopfen-Erdfloh könne man derzeit nichts anderes machen als spritzen, sagt Simon Euringer von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Biobauern sprühen Gesteinsmehle auf die Blätter, diese Maßnahme müsse aber nach jedem Regen wiederholt werden.

Und der Erdfloh ist kein Einzelfall. Die Wirkstoffknappheit ist Alltag im Hopfenanbau. "Wir haben sechs Hauptschaderreger und leider ist es so, dass wir mittlerweile bei fünf davon Notfallzulassungen für Pestizide stellen und das jährlich", so Euringer.

Wirkstoffe: Alte verschwinden, keine neuen kommen nach

Seit 2019 ist in Europa kein Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff mehr zugelassen worden. Und 76 sind vom Markt verschwunden. Der Grund: Die Zulassungsvoraussetzungen sind strenger, teurer und langwieriger geworden. So wird inzwischen auch bewertet, welche Auswirkungen ein Wirkstoff zum Beispiel auf den Hormonhaushalt von Fischen hat. Die Zulassung von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen erfolgt EU-weit. In Deutschland gelten grundsätzlich also die gleichen Regeln wie in anderen EU-Ländern.

Dennoch gibt es Unterschiede: "Die Antragszahlen zeigen, dass Firmen bereits seit einiger Zeit Deutschland als erstzulassenden Mitgliedstaat meiden und eher den Weg über die gegenseitige Anerkennung gehen", heißt es in einer Auskunft des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). In Deutschland ist das BVL die federführende Behörde – insgesamt sind jedoch vier Bundesbehörden an der Zulassung beteiligt.

Der Mangel trifft vor allem Sonderkulturen: Wein, Obst, Gemüse, Hopfen oder auch Kartoffeln. Denn Sonderkulturen nehmen nur wenig Fläche ein. Die Agrarchemie-Hersteller können den Aufwand für einen neuen Wirkstoff, der zum Beispiel nur für Frühlingszwiebeln zugelassen ist, kaum erwirtschaften.

Sogar im Getreideanbau gibt es Engpässe

Winzige, fast haardünne Halme: Der junge Ackerfuchsschwanz sieht Mitte April absolut harmlos aus. Aber Landwirt Erwin Auernhammer aus Indernbuch im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen ist klar: Das Unkraut kann seine Sommergerste überwachsen. Auch er hat nur noch ein Mittel zur Verfügung.

Vor allem in Norddeutschland gibt es bereits großflächige Ackerfuchsschwanzbestände, gegen die kein Herbizid mehr wirkt. So dramatisch ist die Situation in Bayern noch nicht. Denn die bayerischen Bauern haben häufig weitere Fruchtfolgen. Man kann das Unkraut auch eindämmen, wenn man im Herbst möglichst spät sät. Wobei - richtig eindämmen lässt sich der Ackerfuchsschwanz so schnell nicht mehr. Er ist auf Expansionskurs. Früher gab es in Indernbuch noch keinen Ackerfuchsschwanz, sagt Auernhammer: "Der ist die letzten 15 Jahre bei uns aufgetaucht und zum Problem geworden."

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