Frau in der Wahlkabine
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In Bayern sitzen seit den Landtagswahlen so wenig Frauen wie seit Jahren nicht mehr. Im Bundestag ist es ähnlich. Woran liegt das?

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Wählen Frauen keine Frauen?

Wählen Frauen keine Frauen?

In der Politik sind Frauen unterrepräsentiert. Einige Politikerinnen erklären das damit, dass selbst Frauen keine Frauen wählten. Der #Faktenfuchs erklärt, warum das so nicht stimmt und womit der geringe Frauenanteil wirklich zusammenhängt.

Bei der vergangenen Landtagswahl in Bayern ist der Anteil der weiblichen Abgeordneten im Bayerischen Landtag zuletzt gesunken, auf 26,8 Prozent – den niedrigsten Stand seit sechzehn Jahren. Die bevorstehende Kommunalwahl bringt den Frauenmangel in politischen Ämtern nun wieder auf die Agenda.

Die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Ilse Aigner, lud im Oktober 2019 zu einem Studientag zu der Frage ein, wie Parlamente weiblicher werden können. Zahlreiche Gründe für den Frauenmangel wurden hier diskutiert: Von fehlender Kinderbetreuung über männliche Vorurteile und "Gockelgehabe" bis hin zu den sexistischen Attacken, die viele Politikerinnen in den sozialen Netzwerken ertragen müssen.

Doch was, wenn ein höherer Frauenanteil in politischen Ämtern auch an den Frauen selbst scheitert – nämlich den Wählerinnen? In einem Interview in der Mainpost behauptete Josef Mend, langjähriger Bürgermeister von Iphofen im Landkreis Kitzingen, eben das: "Die Erfahrung zeigt, dass Frauen leider oft scheitern, weil sie nicht mal von Frauen gewählt werden." Auch Lokalpolitikerinnen klagten bereits über die mangelnde Unterstützung von Frauen, wie ein Beispiel aus Baden-Württemberg zeigt.

Was ist dran an der Behauptung?

Bisher existieren kaum Studien zum "gender-based voting"

Nur wenige Studien beschäftigen sich bisher mit dem sogenannten "same-gender voting" oder "gender-based voting", also damit, ob Frauen lieber Frauen und Männer lieber Männer wählen. Dass das Phänomen bisher so wenig untersucht ist, liegt auch daran, dass die Wähler in vielen Wahlsystemen gar nicht die Gelegenheit haben, einem Kandidaten des eigenen Geschlechts den Vorzug zu geben – zum Beispiel weil, wie in der deutschen Bundestagswahl, Direktkandidaten und Listenplätze vorab von der Partei bestimmt werden. Wer in so einem Fall lieber einer Frau den Vorzug geben würde, müsste in Kauf nehmen, damit vielleicht auch eine andere Partei zu wählen.

Doch die eigene politische Ausrichtung ist für die meisten Wähler immer noch wichtiger als das Geschlecht des Kandidaten oder der Kandidatin. "Party trumps gender", die Partei sticht das Geschlecht aus, sagt Meinungsforscherin Celinda Lake der US-amerikanischen Website "The Daily Beast". Das macht es schwierig, den Effekt des Faktors "Geschlecht" auf die Wahlentscheidung in Studien zu isolieren.

Frauen diskriminieren keine Frauen - zumindest nicht in großen Städten

Auf Grundlage der existierenden Studien kommen Wahlforscherinnen, mit denen BR24 sprach, zu demselben Ereignis: Nein, Frauen diskriminieren nicht gegen Frauen, zumindest nicht pauschal. Die Soziologin Elke Wiechmann, die an der Fernuni Hagen zu Frauen in der Politik forscht, sagt: "Zumindest in den großen Städten sehen wir keine Diskriminierung von Frauen, weder durch Frauen noch durch Männer." Sie fügt hinzu: "Auch die meisten Männer haben sich inzwischen daran gewöhnt, Frauen zu wählen."

In einer Studie zu Kommunalwahlen in 18 deutschen Groß- und 56 Kleinstädten fanden die Forscher jedoch heraus, dass weibliche Kandidatinnen in Kleinstädten deutlich weniger Erfolg hatten als Männer.

Dahingegen konnten zwei Studien für die Bundestagswahlen 2002 und 2005 sogar einen schwachen Effekt in die andere Richtung nachweisen: "Frauen, eher Jüngere und links Eingestellte, haben etwas häufiger mit der Erststimme Kandidatinnen gewählt oder einer Liste mit Spitzenkandidatin die Zweitstimme gegeben."

International hat die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Kira Sanbonmatsu zum Thema "gender-based voting" geforscht. In einer Studie aus dem Jahr 2002, in der 455 Wähler und Wählerinnen im US-Bundesstaat Ohio befragt wurden, kann sie eine gewisse Basis-Präferenz nachweisen: 35 Prozent der Männer würden einem Mann und 39 Prozent der Frauen einer Frau den Vorzug geben – wenn alle anderen Faktoren gleichblieben. Etwa die Hälfte der Männer und immerhin 38 Prozent der Frauen gab hingegen an, dass ihnen das Geschlecht des Kandidaten egal wäre. Zumindest nach dieser Studie scheint Frauen das Geschlecht ihrer Vertreter(innen) also sogar etwas wichtiger zu sein als Männern. Insgesamt gibt aber bei beiden Geschlechtern auch ein großer Teil an, dass das Geschlecht für sie keine Rolle spielt.

Marc Debus, Politikwissenschaftler an der Universität Mannheim, kommt für die Bundestagswahlen zwischen 2005 und 2013 zu einem ähnlichen Ergebnis. Bei den Wahlen, bei denen mit Angela Merkel das erste Mal in der bundesdeutschen Geschichte eine Frau zur Kanzlerkandidatin nominiert war, konnte er keinen "Gender Gap" feststellen. Die Kandidatur von Angela Merkel führte nicht dazu, dass mehr Frauen die Union wählten – aber auch nicht weniger. Seine Schlussfolgerung: "Demnach spielt das Geschlecht eines Wählers für die Wahlabsicht bei Bundestagswahlen kaum eine ausschlaggebende Rolle."

Insgesamt scheint der Einfluss, den das Geschlecht bei der Wahlentscheidung spielt, also eher gering zu sein – selbst dann, wenn zwei gleich qualifizierte Kandidaten (einer männlich, eine weiblich) zur Wahl stünden, was in der Realität eher unwahrscheinlich ist.

Das Problem liegt woanders: Frauen werden seltener aufgestellt

In den meisten deutschen Parlamenten machen Frauen bisher nicht mehr als ein Drittel der Abgeordneten aus, in den kommunalen Vertretungen ist es im Durchschnitt sogar nur ein Viertel. Doch wenn es nicht an den Wählerinnen liegt, woran dann? Gesine Fuchs, Privatdozentin an der Uni Münster, glaubt, dass das Problem schon viel früher anfängt:

"Es geht eher darum, ob Frauen es überhaupt schaffen, als Kandidatinnen aufgestellt zu werden." Gesine Fuchs, Privatdozentin an der Uni Münster

Bei der Aufstellung von Frauen ist die Praxis in den Parteien noch sehr unterschiedlich: Bisher haben nur die Grünen, die SPD und die Linke eine feste Quote. Die Grünen, die sich bereits 1986 dazu entschlossen haben, besetzen alle Gremien und Wahllisten paritätisch. In der SPD gilt seit 1994 eine Frauenquote von 40 Prozent für Wahllisten und alle Funktionen in der Partei. Bei der Linkspartei sind es wie bei den Grünen 50 Prozent.

CDU/CSU, AfD und FDP haben keine feste Quote; die CDU kennt allerdings ein Quorum – eine unverbindliche Vorgabe, dass ein Drittel der Parteiämter und öffentlichen Mandate mit Frauen besetzt sein sollte.

"Ohne Quote läuft nichts", fasst Forscherin Gesine Fuchs die derzeitige Situation zusammen. Erst mit der sukzessiven Einführung einer Quote in den Parteien stieg der Frauenanteil im Bundestag – zwischen 1983 und 1998 von 9,8 auf 30,9 Prozent.

Seit dem Ende der 1990er-Jahre stagniert der Anteil der Frauen im Bundestag, nach den letzten Wahlen ist er sogar wieder gesunken, von 37 auf 31 Prozent. Wichtigster Grund dafür ist das gute Abschneiden bei der letzten Wahl von Parteien ohne Frauenquote, also von CDU/CSU (21 Prozent Frauen in der Fraktion), AfD (11 Prozent) und FDP (23 Prozent). Bei den Fraktionen, die eine feste Quote haben, liegt der Frauenanteil mit 43 Prozent (SPD), 58 Prozent (Grüne) und 54 Prozent (Linke) deutlich höher.

Als Direktkandidaten werden mehr Männer aufgestellt

Der niedrige Frauenanteil im Bundestag erklärt sich auch noch über einen zusätzlichen Effekt: Viele Kandidaten der großen Parteien CDU/CSU und SPD kommen über Direktmandate in den Bundestag – und die sind in der Regel männlich. Bei der letzten Bundestagswahl war dieser Effekt vor allem bei der Union entscheidend, fast alle ihre Abgeordneten zogen als Direktkandidaten ein.

Der Grund: Anders als bei den Listen entscheidet über die Direktkandidaturen nicht der Landesverband der Partei, sondern die Parteimitglieder im Wahlkreis vor Ort. Während der Landesverband also bei der Vergabe der Listenplätz steuern kann, dass diese repräsentativ besetzt werden, gibt es bei der Vergabe der Direktkandidaturen keine "zentrale" Kontrolle. Und in den Wahlkreisen setzten sich häufig Männer durch, erklärt die Soziologin Elke Wiechmann.

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Eine Broschüre des Deutschen Frauenrats – eines Dachverbandes von rund 60 bundesweit aktiven Frauenorganisationen – nennt drei Hauptgründe:

Historisch-soziologisch: "Die Institutionen, die Verfahren und die vielen formellen und informellen Spielregeln der neuzeitlichen Demokratie entstanden im 19. Jahrhundert explizit unter dem Ausschluss von Frauen." Bis heute sei es in vielen Familien so, dass Männer eher für die Politik und die Öffentlichkeit zuständig seien, Frauen für das Private und die Familie.

Institutionelle Rahmenbedingungen: "Politische Karrieren starten in der Regel mit politischem Engagement in den Parteien und auf der kommunalen Ebene. Doch eben hier beginnen bereits die Probleme: Das ehrenamtliche politische Engagement ist zeitaufwendig, findet sehr oft zu familienunfreundlichen Zeiten statt und ist durch Rituale und Formen geprägt, die eher abschreckend wirken."

"Das Nadelöhr der Nominierung": Schon bei der Suche und dem Aufbauen von Kandidaten hätten Männer oft besser Chancen – da sie über mehr Ressourcen wie Geld, Zeit und Netzwerke verfügten als Frauen. Zudem wird in vielen Wahlkreisen seit Jahren derselbe (männliche) Kandidat aufgestellt. Um zum Zug zu kommen, müssten Frauen also eine Kampfkandidatur gegen einen Amtsträger anstrengen - ein Risiko, das die meisten scheuen. Denn wenn ein sicherer Wahlkreis aufgrund einer neuen Kandidatin verloren ginge, wäre der Unmut in der Partei groß.

International profitieren Frauen von "Präferenzwahlsystemen"

Am 15. März stehen in Bayern die Kommunalwahlen an. Grundsätzlich könnte das bayerische Kommunalwahlsystem die Chancen von Frauen, gewählt zu werden, erhöhen. Denn internationale Studien zeigen, dass Frauen von Wahlsystemen profitieren, in denen Wähler direkt über die Kandidaten abstimmen können ("Präferenzwahlsystem"). In Deutschland geht das nur bei Kommunalwahlen, wenn auch nicht in allen Bundesländern. In Bayern können die Wählerinnen und Wähler ihre Stimmen bei der Kommunalwahl an einzelne Kandidaten und Kandidatinnen vergeben. Sogar das Streichen und – in kleinen Gemeinden – Hinzufügen von Kandidaten ist möglich.

Ob das tatsächlich mehr Frauen in die Rathäuser und Gemeinderäte bringen wird, ist dennoch unsicher. Die Erfahrung der Vergangenheit spricht eher nicht dafür: Bisher wird nicht einmal jedes zehnte Rathaus in Bayern von einer Frau geführt.

Womöglich spielt hier auch der der bereits genannte Effekt eine Rolle: Auf dem Land stimmen sowohl Frauen als auch Männer noch immer seltener für Frauen.

Und: Frauen zögern noch immer, sich als Kandidatinnen aufstellen zu lassen. Der wichtigste Grund ist die politische Kultur der Parteien. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) im Auftrag des Bundesfamilienministeriums durchführte und für die mehr als 1.000 Kommunalpolitikerinnen befragt wurden.

Auf die Frage, was ihnen nicht gefalle, zeigten sich 57 Prozent der Politikerinnen mit den männlich geprägten Parteistrukturen unzufrieden. Hier fielen Stichwörter wie "Arbeitsklima und Arbeitsweise", "Sitzungs- und Redekultur" oder "Parteiendisziplin/Fraktionszwang". Die Frauen berichteten von "Grabenkämpfen", von "Profilierungssucht" und "Vetternwirtschaft".

Gegenüber BR24 argumentiert die Professorin Barbara Thiessen, die an der Hochschule Landshut erforscht, warum sich Frauen weniger in der Politik engagieren als Männer, dass Frauen eher an einer sachorientierten Auseinandersetzung interessiert seien. Persönliche Angriffe und sexistische Rüpeleien, wie sie gerade auf kommunaler und lokaler Ebene noch vorkommen, schreckten viele Frauen ab.

Fazit: Der These, dass Frauen ungern Frauen wählen, widersprechen zwei Forscherinnen – zumindest in dieser Pauschalität. Eher zeigen einige Auswertungen das Gegenteil: Dass Frauen lieber Frauen wählen (und Männer lieber Männer). Der Effekt des sogenannten Gender-based-voting ist jedoch schwach und nur dann zu messen, wenn dem keine wichtigeren Faktoren wie die politische Ausrichtung entgegenstehen. Das Problem ist eher grundlegend: Dass Frauen erst gar nicht aufgestellt werden.