Bevor in Stein im Landkreis Fürth das neue Blumenviertel gebaut werden durfte, waren die Archäologen am Zug. Denn auf dem Gebiet lag das größte Heereslager des 17. Jahrhunderts unter dem Befehl des kaiserlichen Feldherren Wallenstein. Von Mai 2022 bis März 2023 führten die Expertinnen und Experten des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) deshalb archäologische Grabungen durch – und die brachten Erstaunliches zutage, wie nun mitgeteilt wurde.
Ein rätselhaftes Grab
Ganz besonders beschäftigt die BLfD-Expertinnen und Experten noch immer ein Grab, das sie am Rand des Lagers entdeckten. Es stelle sie vor ein Rätsel, heißt es in der Mitteilung. Bei dem Grab handle es sich um die bisher einzige vollständig archäologisch dokumentierte und aufwendig untersuchte Einzelbestattung des Heerlagers. "Die Ausrichtung des Skeletts – ein junger Mensch, vermutlich eine Frau – in Seitenlage weicht vollends von der üblichen christlichen Bestattungssitte ab", heißt es.
Wer wurde hier begraben?
Die Person trug einen Bronzering; daneben wurden mehrere Gewandhaken und -ösen sowie eine Kette aus einer Zinn-Blei-Legierung in dem Grab gefunden. Doch wer war die verstorbene Person? Neueste Erkenntnisse lassen vermuten, dass sie höher gestellt war, vielleicht eine Offiziersfrau. Dafür sprächen erhaltene kostbare Stoffreste aus Seide, Gold und Silber. Dass die Bestattung in der Zeit des Heerlagers stattfand, konnte durch die Radiokarbondatierung eines Knochens bestätigt werden.
Die Kette aus einer Zinn-Blei-Legierung, gefunden im Grab am Rande des Wallenstein'schen Heerlagers in Stein (Lkr. Fürth)
Knöpfe, Messer, Nadeln – viele Fundstücke geborgen
Unter den zahlreichen Alltagsgegenständen, die ausgegraben wurden, waren auch Messer, Münzen, ein Fingerhut, Knöpfe, Nadeln, Nägel und Keramikfragmente, aber auch Musketenkugeln. Auch ein Metallreifenlager wurde gefunden. Dank der vielen Stücke könnten nun neue Schlüsse über das Leben im größten Heerlager des 17. Jahrhunderts gezogen werden, heißt es.
Überraschung: Heereslager war größer als gedacht
Sehr überrascht waren die Forscherinnen und Forscher demnach, als sie feststellten, dass sie bei den Grabungen mitten im Heerlager Wallensteins gelandet waren. Denn: Bisher sei der genaue Verlauf der Schanzlinien im Süden unklar gewesen. "Jetzt wissen wir, dass sich das Wallenstein’sche Lager weiter nach Süden erstreckte als angenommen", erklärt Stefanie Berg, Leiterin der Abteilung Bodendenkmalpflege am BLfD.
Anschauungsobjekte des ausgeprägten Lagerlebens
Zahlreiche Funde belegten, wie der Alltag im Heereslager ausgesehen haben muss, etwa dass schon im Jahr 1632 Abfälle zentral in Gruben gesammelt und vergraben wurden. Die vielfältigen Funde seien "Anschauungsobjekte des ausgeprägten Lagerlebens, in dem nicht nur etwa 50.000 Soldaten mit ihren 15.000 Pferden lagerten, sondern auch ein Tross von circa 30.000 weiteren Menschen nachgewiesen ist: Familienangehörige, Händler, Gaukler, Prostituierte", heißt es in der Mitteilung. Viele der gefundenen Objekte werden derzeit noch untersucht und genauer bestimmt.
Das größte Heereslager des 17. Jahrhunderts
Das Wallenstein’sche Lager wurde im Sommer 1632 angelegt, als das kaiserliche Heer unter Feldherr Wallenstein in die Region von Nürnberg vordrang, um den schwedischen König Gustav Adolf II. und sein in Nürnberg verschanztes Heer zu stellen. Das riesige Lager wurde westlich der Rednitz mit Wällen, Redouten und vorgelagerten Forts errichtet, hatte eine Gesamtlänge von mehr als 16 Kilometern und verlief um die heutigen Orte Zirndorf, Stein und Oberasbach im Landkreis Fürth.
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