Die Männer waren meist zwischen 20 und 30 Jahre alt und ausweislich der Skelett-Untersuchungen bei bester Gesundheit. Allerdings wurden bei allen massive Verletzungen von Schädel, Oberkörper und Becken festgestellt. Das weist darauf hin, dass die rund 150 Toten aus der Römerzeit, die jetzt auf einem Sportplatz im Wiener Stadtteil Simmering freigelegt wurden, in einer Schlacht ums Leben kamen.
Gefundene Dolchscheide gibt Hinweise auf historische Einordnung
Die Archäologen schließen aus, dass es sich um eine Richtstätte oder um Opfer einer Seuche handelte. Vielmehr seien die mutmaßlichen Soldaten durch "stumpfe und scharfe Waffen" ums Leben gekommen, etwa Lanzen, Dolche, Schwerter und Eisenbolzen. 129 Leichen seien dokumentiert, die große Anzahl der durch Baggerarbeiten verstreuten Knochen lege nahe, dass es sich insgesamt um deutlich mehr Skelette handelt.
Eine genauere Material-Analyse weise auf den Zeitraum zwischen 80 und 230 nach Christus als Todeszeitpunkt hin, so die Wissenschaftler. Das Dekor einer aufgefundenen Dolchscheide sei um das Jahr 100 in Mode gewesen. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass es sich höchstwahrscheinlich nicht um eine Schlacht in den Markomannen-Kriegen zwischen 160 und 180 nach Christus, zur Zeit des Kaisers Marc Aurel (bekannt aus dem Film "Gladiator"), gehandelt hat.
Massengrab: "Zeit- und Ressourcenmangel" vermutet
Im 1. und 2. Jahrhundert seien bei den Römern Feuerbestattungen üblich gewesen, was die Fundstätte umso bemerkenswerter, ja "einzigartig" mache: "Die Anlage eines Massengrabes ohne Verbrennung der Toten lässt auf eine große Menge an Gefallenen in Kombination mit Zeit- und Ressourcenmangel schließen." Die "hastige Bedeckung" der Toten deute auf das "katastrophale Ende eines militärischen Einsatzes" hin.
"Damals waren die Verhältnisse sehr unsicher", so die Wiener Stadtarchäologin Kristina Adler-Wölfl gegenüber dem BR: "Es gab sehr viele Einfälle von Germanen in das römische Gebiet. Diese Kämpfe waren verlustreich. Die historische Überlieferung ist allerdings mager, weil man diese Niederlagen natürlich nicht breit ausführte. Das ist zum ersten Mal, dass man physische Überreste von so einem Ereignis findet."
Legion "Rapax" war in Bonn und Mainz stationiert
Konkret beziehen sich die Wissenschaftler auf Kämpfe an der damaligen Donaugrenze unter Kaiser Domitian, der von 86 bis 96 regierte und freiwillig wie unfreiwillig gegen Sarmaten und Chatten antreten musste: "Es gibt Berichte von der Vernichtung einer ganzen Legion samt ihres Kommandeurs." Dabei könnte es sich möglicherweise um die XXI. mit dem Wappentier Steinbock und dem Namen "Rapax" ("die Reißende") gehandelt haben.
Sie war vor ihrem Einsatz an der Donau im heutigen Xanten, Bonn und Mainz stationiert. Der antike Autor Tacitus bedauerte seinerzeit, dass "viele Heere durch die Unbesonnenheit und Feigheit der Feldherren" verloren gegangen seien.
Militärlager wurde von 1.000 auf 6.000 Soldaten erweitert
Kaiser Trajan habe später die Grenzbefestigungen an der Donau massiv ausgebaut. Die Archäologen spekulieren, dass die mutmaßliche Schlacht in Simmering unmittelbar dazu geführt haben könnte, das ursprünglich mit nur rund 1.000 Soldaten besetzte örtliche Militärlager auszubauen. Sieben Kilometer vom Fundort entfernt sei das Legionslager Vindobona mit rund 6.000 Soldaten, die Keimzelle Wiens, entstanden.
Da nur wenige Objekte gefunden wurden, deute vieles darauf hin, dass die Gefallenen ihrer Ausrüstung beraubt worden seien. Neben dem erwähnten eisernen Dolch konnten die Archäologen mehrere Buntmetall-Schuppen eines Panzers sichern, sowie die Wangenklappe eines Helms, Lanzenspitzen und Schuhnägel.
Kristina Adler-Wölfl kündigte an, die aufgefundenen Skelette würden jetzt auf ihr Erbgut untersucht, so dass die geographische Herkunft der an der Schlacht beteiligten Soldaten genauer eingegrenzt werden könne.
Kleinteilige Forschung: Archäologe auf dem Schlachtfeld
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