"Die kalte Sophie macht alles hi" – Bauernregeln zu den Eisheiligen haben Jahrhunderte auf dem Buckel und schon immer das eine Thema: Spätfrostschäden. Von Spätfrost spricht man, wenn es Minusgrade hat, obwohl die Vegetationsperiode schon losgegangen ist.
Warum auf einmal so empfindlich?
Zwanzig Grad Minus halten Obstbäume im Winter aus. Aber wenn es Ende April auch nur ein, zwei Minusgrade hat, werden die Triebe braun, die Knospen fallen ab. Woher kommt diese unterschiedliche Empfindlichkeit?
Im Winter sind Gehölze und viele andere Pflanzen in Winterruhe, auf die Kälte eingestellt. Und sobald sie im Frühjahr austreiben, stehen sie im Saft, dann können Fröste Schaden anrichten. Das liegt am Verdünnungseffekt, so Hubert Siegler von der Bayerischen Gartenakademie in Veitshöchheim: "So, wie wenn man zum Frostschutzmittel im Auto Wasser nachkippt, dann haben wir auch nicht mehr den ausreichenden Frostschutz."
Wärmere Temperaturen: Pflanzen starten immer früher
Der Klimawandel führt dazu, dass der sogenannte Vegetationsbeginn immer früher einsetzt. Weil es keinen einheitlichen Starttermin für alle Pflanzen gibt, nutzt man Temperaturwerte, um den Vegetationsbeginn zu definieren – wie Luzia Keupp, Klimawissenschaftlerin an der Universität Würzburg: "Bei mir geht die Vegetationsperiode los, wenn das erste Mal mindestens fünf Tage lang mindestens fünf Grad Celsius Tagesmitteltemperatur erreicht werden." Das beschreibe dann im Durchschnitt den Wachstumsbeginn der Pflanzen.
Und der Vegetationsbeginn verschiebt sich im bayernweiten Mittel: Am Anfang des Jahrhunderts war er Mitte März. Am Ende des Jahrhunderts wird er bereits Ende Januar einsetzen. So die Modelle der Klimatologen der Universität Würzburg. Am Untermain startet die Vegetation noch früher, in Alpennähe später.
Die Spanne zwischen dem letzten Frosttag und dem Vegetationsbeginn wird größer: Der Spätfrostversatz wird länger.
Die Eisheiligen: Ein Auslaufmodell?
Die Eisheiligen Mitte Mai sind schon länger zu spät dran als Tage mit der letzten Frostgefahr. Ende des letzten Jahrhunderts war der letzte Frost im bayernweiten Mittel nicht mehr zu den Namenstagen von Pankraz, Servaz, Bonifaz und Sophie, sondern bereits Ende April. Und bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird es den Klimamodellen von Luzia Keupp zufolge Ende März zum letzten Mal Minusgrade haben.
Und hier liegt das Problem: Der Abstand zwischen Vegetationsbeginn und letztem Frost, also der sogenannte Spätfrost-Versatz, wird im Mittel um 19 Tage länger. Denn der letzte Spätfrost setzt um das Jahr 2100 herum 29 Tage früher ein, der Vegetationsbeginn verfrüht sich um 59 Tage. Das heißt, so die Klimawissenschaftlerin: "Die Auswertungen zeigen uns eine deutliche Verlängerung des Spätfrost-Versatzes. Weil sich die Vegetationsperiode stärker verfrüht als der letzte Frosttag."
Tipp für Hobbygärtner: Stämme anstreichen und Ruhe bewahren
Obstbäume, auch Weinreben, sind empfindlich gegenüber Spätfrösten. Das geht auf Kosten des Ertrages und des Wachstums in dem betreffenden Jahr. Hubert Siegler von der Bayerischen Gartenakademie hat in den letzten Jahren verschiedene Spätfrostschäden an frisch ausgetriebenen Obstbäumen gesehen: "Je weiter es in die Blüte geht, desto empfindlicher sind sie."
Blumen und Kübelpflanzen gehen unter Umständen ganz ein. Der Spätfrost kann natürlich auch frisch gesäte einjährige Blumen wie Kapuzinerkresse, Kräuter wie Borretsch oder Gemüse wie Tomaten, die man zu früh rausstellt, treffen.
Hubert Siegler rät Hobbygärtnern deshalb abzuwarten und die Pflanzen lieber später rauszustellen. Und bei jungen Obstbäumen im Dezember oder Januar den Stamm anzustreichen. Denn Spätfröste können auch zu Frostrissen an den Stämmen führen. Und Frostrisse können für die Obstbäume Jahre später wirklich lebensbedrohlich werden. Für einen Weißanstrich ist es jetzt im Frühling zu spät, sagt Hubert Siegler von der Bayerischen Gartenakademie in Veitshöchheim. "Wenn jetzt noch was käme, da kann man einen Jutesack drumbinden, das geht schnell." Oder man stellt einfach ein Brett an die Südseite des Stamms.
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