Michael Miller hält ein Plakat in seinen Händen - die Feuerwehr Mindelzell im Landkreis Günzburg feiert bald rundes Jubiläum. Doch der Vorstand ist nicht nur auf das Festprogramm stolz, sondern auch auf eine besondere Zahl, die feuerrot das Plakat schmückt. "Eigentlich haben wir uns auf eine 150-Jahr-Feier vorbereitet, aber jetzt werden es 175 Jahre", sagt Miller und grinst. Dass die Feuerwehr im Ort gleich ein viertel Jahrhundert älter sein könnte als angenommen, liegt an alten Jahrbüchern. Die hatte Chronist Georg Schmid durchforstet und Interessantes entdeckt.
Rieseninvestition im kleinen Ort: die Feuerlöschmaschine
Schon 1843 ist von einer "Feuerlache" die Rede, einer Art Löschweiher. Später wird auch das Inventar der Brandbekämpfer feinsäuberlich in einer Liste aufgeführt. Für Schmid ist aber 1849 entscheidend. Damals wurde nicht nur in Augsburg die freiwillige Feuerwehr gegründet, die heute als älteste in Bayern gilt. Im Jahrbuch in Mindelzell wurde just zu dieser Zeit auch der Kauf einer Feuerlöschmaschine notiert, die fast zwei Drittel des jährlichen Gemeindeetats kostete. "In meinen Augen kauft man so etwas Teures nur, wenn eine gewisse Erfahrung vorhanden ist und jemand damit umgehen kann", so der Chronist. Für ihn der Startschuss einer "echten" Feuerwehr im Ort.
Wann ist eine Feuerwehr eine Feuerwehr?
Unter Historikern gibt es keinen einheitlichen Konsens darüber, wann eine Hilfsorganisation zur Feuerwehr wird. Die Mehrheit fordert allerdings gewisse Kriterien ein, wie regelmäßiges Üben, straffe Führung, Fachkunde oder eine geregelte Alarmierung. "Das Alter korrekt zu bestimmen ist schwierig und mit viel Recherchearbeit verbunden", sagt Florian Neugebauer, Archivar des Landesfeuerwehrverband Bayern. Denn Aussagen müssen auch mit Quellen belegbar sein. Doch warum gab es ausgerechnet Mitte des 19. Jahrhunderts eine Gründungswelle bei den Feuerwehren?
"Hamburg brennt!"
Ein Grund ist der "Große Brand" in Hamburg 1842. Weite Teile der Altstadt fallen den Flammen zum Opfer, rund 20.000 Menschen werden obdachlos. Die Flammen machen auch in Bayern Schlagzeilen; viele Städte und Gemeinden wollen sich für die Zukunft besser wappnen. Zwar gab es schon vor den Feuerwehren Brandbekämpfer, doch sie übten nicht, so dass sie meist schlecht auf den Ernstfall vorbereitet waren.
Inspiration aus Frankreich
"Ein wesentlicher Impuls war daher auch das französische Feuerwehrwesen mit militärisch strukturierten Pompier-Corps und einer guten Ausbildung", erklärt Neugebauer. In den Anfangsjahren waren Feuerwehrleute meist keine Generalisten wie heutzutage, sondern auf bestimmte Aufgabenbereiche spezialisiert. Während sich die einen auf das Löschen konzentrierten, versuchten andere Menschen, Tiere oder wertvolle Gegenstände in Sicherheit zu bringen.
Mindelzell war seiner Zeit voraus
Doch kann auch Mindelzell die bayerische Feuerwehrgeschichte ein Stück weit umschreiben? Zwar finden sich in Jahrbüchern der Gemeinde Rechnungen oder auch Zinszahlungen, aber kein Statut oder ein Gründungsakt, der um das Jahr 1849 dokumentiert wurde. "Wir wollen dem Landesfeuerwehrverband zeigen, was wir in den alten Büchern gefunden haben. Bestimmt sind im Staatsarchiv noch weitere Unterlagen, die Auskunft über unsere Feuerwehr geben können", sagt Kommandant Valentin Schmid.
Offizielle Anerkennung hin oder her: Mindelzell wird im September das 175-jährige Bestehen seiner Feuerwehr feiern, und das gleich an vier Tagen. Denn erstaunlich ist es allemal, dass ein kleines Dorf damals der Zeit schon ein gutes Stück voraus war.
Ein historisches Jahrbuch hat die Geschichte der Feuerwehr in Mindelzell auf den Kopf gestellt.
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