Virologe Mehmet Tekinsoy aus der Türkei darf in Bayern nur als Assistenzarzt arbeiten. Die Ärztekammer erkennt seinen Facharzt nicht an.
Virologe Mehmet Tekinsoy aus der Türkei darf in Bayern nur als Assistenzarzt arbeiten. Die Ärztekammer erkennt seinen Facharzt nicht an.
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Virologe Mehmet Tekinsoy aus der Türkei darf in Bayern nur als Assistenzarzt arbeiten. Die Ärztekammer erkennt seinen Facharzt nicht an.
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Virologe Mehmet Tekinsoy aus der Türkei darf in Bayern nur als Assistenzarzt arbeiten. Die Ärztekammer erkennt seinen Facharzt nicht an.

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Anerkennung in Bayern: Wenn ein Facharzt zum Assistenten wird

Anerkennung in Bayern: Wenn ein Facharzt zum Assistenten wird

Bayern fehlen Ärztinnen und Ärzte. Fachkräfte aus dem Ausland könnten helfen, diesen Mangel aufzufangen. Aber sie müssen oft komplizierte, langwierige Anerkennungsverfahren durchlaufen. Vor allem Ärzte aus Drittstaaten. Das soll sich nun ändern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Bayern am .

Vor gut drei Jahren ist Mehmet Tekinsoy nach München gezogen. In der Türkei hat er seinen Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie absolviert. Die Arbeitsbedingungen in der Türkei seien immer schwieriger geworden, erzählt der 33-Jährige. Deswegen sind er und seine Frau, die auch Ärztin ist, nach Deutschland gegangen. Aktuell arbeitet er als Assistenzarzt am TUM Klinikum. Gleich im Jahr 2022 hat er eine Berufszulassung beantragt. Eineinhalb Jahre hat Mehmet Tekinsoy auf eine erste Antwort der Regierung von Oberbayern gewartet.

Regierung von Oberbayern prüft Berufszulassung von Ärzten aus Ausland

Für eine Berufszulassung muss neben Kenntnissen der deutschen Fachsprache die medizinische Grundausbildung im Heimatland gleichwertig mit dem in Deutschland geltenden Standard sein, so die bundesgesetzlichen Vorgaben. Dafür ist für ganz Bayern die Regierung von Oberbayern zuständig.

Nach etwa zwei Jahren hat Mehmet Tekinsoy seine Approbation erhalten. Dafür musste er in Deutschland ein zweimonatiges Praktikum in der Chirurgie nachholen. Die fehlten ihm in der türkischen Grundausbildung.

Die Bundesregierung will das teils langwierige Anerkennungsverfahren für die Grundausbildung von Ärzten aus Drittstaaten beschleunigen. Der Bundesrat stimmt heute über den Gesetzentwurf ab.

Immer mehr Ärzte aus Drittstaaten wollen in Bayern arbeiten

Zahlen der Regierung von Oberbayern zeigen: Immer mehr Ärzte aus Drittstaaten wollen offenbar in Bayern arbeiten. So hat sich die Zahl der entsprechenden Anträge auf Berufszulassung in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt: von knapp 2.000 auf fast 5.000.

Laut BLÄK sind mehr als 36.000 Ärzte in bayerischen Kliniken tätig. Gut ein Viertel (rund 9.000) davon sind Ärzte aus dem Ausland. Die größte Gruppe ist aus Österreich, gefolgt von Rumänien, Syrien, Aserbaidschan, Serbien und Russland und Ukraine.

Bayerische Landesärztekammer entscheidet über Facharztanerkennung

Hat eine Ärztin oder ein Arzt die Berufszulassung erhalten, entscheidet in einem zweiten Schritt die BLÄK über die Anerkennung der Facharztausbildung. Die Voraussetzungen dafür sind in der Weiterbildungsordnung der Bayerischen Landesärztekammer sowie dem Heilberufe-Kammergesetz geregelt, teilt die BLÄK mit. Diese dienten der Sicherstellung eines einheitlich hohen Qualifikationsniveaus im Interesse der Patientensicherheit.

Türkischer Virologe darf nicht als Facharzt arbeiten

Der Virologe Mehmet Tekinsoy hat die Anerkennung als Facharzt bisher nicht. Denn die verweigert ihm die Bayerische Landesärztekammer. Die Begründung: Als er seinen Facharzt in der Türkei begonnen hat, fehlten ihm zwei Monate Chirurgie. Damit begann die Weiterbildung zum Facharzt unter "lückenhafter Voraussetzung". Das nachgeholte Praktikum in der Chirurgie erkennt die BLÄK nicht an.

Begründung: Grundausbildung in der Türkei lückenhaft

Die Folge: Der türkische Facharzt kann nur als Assistenzarzt arbeiten. Er muss erneut eine fünfjährige Weiterbildung machen, damit er dann als Facharzt arbeiten darf. Die Bayerische Landesärztekammer teilte auf BR24-Anfrage schriftlich mit, man ist an die geltende Rechtslage gebunden. Und: "Die Ursachen und Lösungsansätze zum Fachärztemangel liegen im Wesentlichen in der Gesundheitspolitik und damit außerhalb des unmittelbaren Zuständigkeitsbereichs der BLÄK."

Kritik kommt vom Marburger Bund und Fachanwältin für Medizinrecht

Der Marburger Bund kritisiert das Vorgehen von Ärztekammern wie der BLÄK. Neben Bayern werde so nur noch in Sachsen und Niedersachsen verfahren. Die Fachanwältin für Medizinrecht Franziska Theilmann vertritt Fälle wie Mehmet Tekinsoy. "Die Ablehnung ist formal-juristisch vertretbar, richtig ist sie aber nicht." Sie sei unverhältnismäßig, da sie die tatsächliche Qualifikation des türkischen Arztes und den Bedarf unseres Gesundheitssystems an Fachkräften völlig außer Acht lasse.

Der türkische Facharzt hat Widerspruch eingelegt und muss weiter warten

Mehmet Tekinsoy würde gerne seine Kompetenzen beweisen und eine fachärztliche Prüfung ablegen. Er könnte sich auch seinen Facharzt in einem anderen Bundesland anerkennen lassen und dann nach Bayern zurückkehren. Das möchte er aber nicht. "Ich arbeite gerne an der TU München. Ich habe sogar ein medizinisches Doktorarbeit-Programm begonnen. Diese Chance möchte ich nicht verlieren."

Der Facharzt aus der Türkei hat Widerspruch eingelegt. Seit drei Monaten wartet er auf eine Antwort. Seine Frau will nach dem bayerischen Behörden-Marathon ihres Mannes nicht als Ärztin in Bayern arbeiten.

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