Im koalitionsinternen Streit über ein neues Jagdgesetz zeigt sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) unbeeindruckt vom Widerstand aus der CSU und sieht keinen Nachbesserungsbedarf: "Die CSU wird sehen, dass mein Vorschlag ein hervorragender Vorschlag ist", betonte Aiwanger im BR-Interview.
Die CSU sei seit mehr als einem Jahr "engstens eingebunden" gewesen, in seinen Augen sei der Gesetzentwurf "verabschiedungsreif". Nur ein paar kleine Details seien noch offen, die "große Linie" – nämlich mehr Eigenverantwortung für Grundbesitzer und Jäger – werde "kommen müssen".
Aiwanger beklagt Parteitaktik
Zur Kritik von Naturschützern sagte der Minister: Einzig "einige Öko-Ideologen", die im Endeffekt ein Staats-Jagdsystem wollten, seien anderer Meinung als er. "Die wollen, dass Behördenvertreter durchregieren bis ins kleinste Jagdrevier." Den Gegenwind aus der CSU führt Aiwanger auf Parteitaktik zurück: Die Christsozialen wollten wieder einmal "dem Aiwanger eins mitgeben" – gegen das eigene Wertesystem. "Denn der CSUler muss doch im Durchschnitt dem Grundbesitzer, dem normalen Jäger, näherstehen als dem Öko-Ideologen."
Die CSU habe viele Jahre Zeit gehabt, selbst ein Gesetz zu machen. "Solange sie nur gemeinsam gegen mich schimpfen können, brauchen sie selber nicht sagen, was sie eigentlich wollen." Es sei bezeichnend, dass Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) gemeinsam mit den Grünen und dem Bund Naturschutz gegen seinen Jagdgesetz-Vorschlag vorgehe.
"Da tritt schon aktiv Schaden ein"
Die Blockadehaltung der CSU hat laut Aiwanger jetzt schon Folgen: "Da tritt schon aktiv Schaden ein, weil sie mir in den Rücken fallen." Ein Gemüsebauer beispielsweise habe geschildert, dass ihm Schäden in Höhe von bis zu zehntausenden Euro entstanden seien, "weil ihm Gänse das Gemüse wegfressen". Für eine rechtzeitige Bejagung sehe sein Jagdgesetz für solche Regionen längere Jagdzeiten auf Gänse vor.
Der Minister zeigte sich zuversichtlich, dass die CSU diese Blockade nicht mehr lange durchhalten könne. Er hofft auf eine endgültige Klärung bei einem Gespräch am 20. Mai.
Streit über staatliche Abschusspläne
Aiwangers Gesetzentwurf sieht bei der Jagd "mehr Eigenverantwortung" für Jagdgenossenschaften und Jagdberechtigte vor. Die strengen staatlichen Abschusspläne für Rehe sollen wegfallen können, wenn der Verbissschaden bei jungen Bäumen "tragbar ist". Dafür müssen in dem Jagdrevier allerdings genügend junge Bäume, ohne einen Schutz-Zaun gegen hungrige Rehe, aufwachsen können.
Ende März hatte Aiwanger mit der CSU-Fraktion über seinen Entwurf diskutiert. Landwirtschaftsministerin Kaniber mahnte anschließend, nicht nur an die Jäger, sondern auch an die Klimakrise und die Zukunft des Waldes zu denken. Es sei wichtig, dass auch Forderungen der Naturschutzverbände berücksichtigt werden. Forstleute und Naturschützer warnen vor mehr Verbissschäden bei jungen Bäumen. Der Bund Naturschutz kritisiert vor allem Aiwangers Plan, die Abschussplanung teilweise abzuschaffen.
Kaniber: Aiwanger ist am Zug
Angesichts der seit Wochen andauernden Diskussionen hat Kaniber "kein Verständnis" für Aiwangers Aussagen, wie sie nun betonte. Wieso der Minister nicht wisse, welche Verbesserungen das Landwirtschaftsministerium an seinem Entwurf anmahne, könne sie sich nicht erklären: "Wir haben uns persönlich darüber ausgetauscht", teilte sie mit. Es habe auch Besprechungen der beiden Ministerien gegeben. "Wer etwas anderes behauptet, zündet Nebelkerzen."
Aiwanger kenne die "mehr als berechtigte Kritik" an seinem Entwurf in allen Punkten, sagte Kaniber. "Er ist jetzt am Zug!" Mit dem Jagdgesetz wolle Aiwangers Ministerium seine Zuständigkeiten auch auf weite Teile des Artenschutzes ausdehnen. Dafür sei eigentlich das Umweltministerium von Thorsten Glauber (Freie Wähler) verantwortlich. Dieses Vorhaben sei verfassungsrechtlich höchst fragwürdig und blähe die Bürokratie auf.
Holetschek überrascht von Aiwangers "Emotionalität"
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek widerspricht Aiwangers Darstellung, die CSU sei seit einem Jahr eingebunden. Seine Fraktion kenne den Entwurf erst seit Anfang Dezember. Zugleich stellt sich Holetschek auf BR-Anfrage hinter Kaniber, die beim Jagdgesetz "hervorragende Arbeit" mache. "Daher überrascht mich die Emotionalität des bayerischen Wirtschaftsministers und die Art und Weise, wie er das Gesetz im Eiltempo durchdrücken will."
Aiwanger selbst habe für Ende Mai nochmals zu einem Runden Tisch mit den wichtigsten Vertretern zur Änderung des Jagdgesetzes eingeladen. Von Seiten der CSU gebe es keinerlei Verzögerungen, betonte Holetschek. "Es bleibt beim Grundsatz: Qualität geht vor Schnelligkeit." Zusätzlicher Vorteil sei nun: "Mit dem neuen CSU-Bundeslandwirtschaftsminister können wir diese Debatte engmaschig in Berlin begleiten".
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