Die Uhr am Hofer Bahnhof zeigte 06.14 Uhr, als am 1. Oktober 1989 der erste Zug mit 1.200 Geflüchteten aus der DDR eintraf. Die Menschen hatten zuvor tagelang in der deutschen Botschaft in Prag ausgeharrt. Der damalige Außenminister, Hans-Dietrich Genscher, überbrachte ihnen dort die Nachricht, dass sie noch in der Nacht in Zügen nach Westdeutschland ausreisen würden.
Nach einer zermürbenden Fahrt kamen sie am frühen Morgen in Hof an. Dort wurde in Windeseile eine Hilfs- und Willkommensaktion auf die Beine gestellt, um die Menschen mit Essen und Schlafplätzen, Kleidern und Hygienebedarf zu versorgen. Alle zogen an einem Strang. Es war "Das Wunder von Hof".
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Zwischen Verklärung und Realität
Das Bühnenstück des Theaters Hof begibt sich nicht in das Jahr 1989 zurück, spielt aber am Bahnhof Hof. Eine Filmcrew mit berühmten Schauspielern und Komparsen möchte 2024 einen Low-Budget-Film über das "Wunder von Hof" drehen. Doch von Anfang an gibt es Probleme. Ein Schauspieler, der einen Geflüchteten mimt, weiß nicht, wie er "Freiheit" spielen soll. Ein Komparse, der damals mit dem ersten Zug in Hof ankam, moniert die verklärten Szenen.
Zwei Frauen aus Hof, die im Oktober 1989 am Bahnhof mit angepackt hatten und sich in dem Film selbst spielen sollen, verstehen die ostdeutsche Sicht der Ereignisse nicht. Der Schauspieler, der den Hofer Landrat mimt, spricht nicht oberfränkisch. Die Schauspieler wollen permanent Änderungen im Drehbuch durchsetzen. Regisseur Norman steht bald kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
Interviews mit Zeitzeugen
Das Bühnenschauspiel "Das Wunder von Hof" hat Jörg Menke-Peitzmeyer im Auftrag des Theaters Hof geschrieben. Im Vorfeld hat der Schauspieler und Autor zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen in Hof und anderswo geführt. Die Arbeit an dem Stück hat vor mehr als eineinhalb Jahren begonnen. Fast das gesamte Ensemble des Theaters Hof steht beim "Wunder von Hof" auf der Bühne.
Die Zuschauer würden an einigen Stellen aus der Reserve gelockt und in das Geschehen einbezogen, kündigte Regisseur, Reinhard Göber, an. Er selbst war im Jahr 1988 aus der DDR nach Bayern geflohen und hat eigene Erfahrungen mit Flucht und Ankunft gemacht. Ein Höhepunkt: Ein bayerischer Beamter hatte ihn damals gefragt, ob er froh sei, dem "KZ DDR" entkommen zu sein. Bis heute, meint Göber, gebe es das Problem mit unterschiedlichen innerdeutschen Wahrnehmungen von Realität und Reflexion.
Provokatives Stück mit vielen Fragen
Mit dem "Wunder von Hof" feiert das Theater Hof nicht nur die Eröffnung der neuen Spielzeit, sondern auch die Premiere des neuen Intendanten Lothar Krause. Er hätte dafür ein einfacheres Stück wählen können, entschied sich aber für das Wagnis. "Dafür muss man viel Mut aufbringen", sagte Krause im Interview mit BR24. "Mir ist es wichtig gewesen, dass wir ein Stück auf die Bühne bringen, das sich mit der Geschichte der Stadt und den Menschen von hier beschäftigt." Die Zuschauer erwarte ein provokativer Abend, der viele Fragen stelle. Lothar Krause erwartet sehr unterschiedliche Reaktionen auf einen Stoff, ein historisches Ereignis, das wie kein anderes mit der Hofer Seele verbunden ist.
Uraufführung und Premiere des "Wunders von Hof": 5. Oktober im Großen Haus. Weitere Vorstellungen gibt es am 12. und am 26. Oktober, sowie am 3., 9., 15., 27. und 28. November.
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