Die Synagoge an der Reichenbachstraße soll ein neuer kultureller Treffpunkt werden.
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Die Synagoge an der Reichenbachstraße soll ein neuer kultureller Treffpunkt werden.
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Architektonisches Juwel: München feiert neue Reichenbachsynagoge

Architektonisches Juwel: München feiert neue Reichenbachsynagoge

Die Synagoge an der Reichenbachstraße ist das einzige jüdische Münchner Gotteshaus, das die NS-Zeit überstanden hat. 2011 fasste Rachel Salamander den Plan, sie vor dem Verfall zu retten. Nun hat sie es geschafft.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Glauben Zweifeln Leben am .

Eingerahmt von der Altstadt und der Isar, zählt das Gärtnerplatzviertel mit den schicken Läden, Cafés und Restaurants zu den beliebtesten Stadtteilen Münchens. Mitten in der geschäftigen Reichenbachstraße, gesäumt von prächtig sanierten spätklassizistischen Wohnhäusern, befindet sich ein unscheinbarer Nachkriegsbau. Nur wenige wissen, dass sich in einem Hinterhof ein Monument von herausragender Bedeutung befindet: die Synagoge an der Reichenbachstraße.

Festakt mit Bundeskanzler Merz

Die einzige historische Synagoge in München, die den Nationalsozialismus überstanden hat, ist in den vergangenen Jahren restauriert und wiederhergestellt worden. Jetzt sind die Arbeiten abgeschlossen, am Montag wird das mit einem großen Festakt gefeiert. Auf der Gästeliste stehen unter anderem Bundeskanzler Friedrich Merz, Ministerpräsident Markus Söder, der jüdische Pianist Igor Levit und Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

Die Synagoge steht im heutigen Gärtnerplatzviertel. Dort lebten Ende des 19. Jahrhunderts viele jüdische Familien aus Osteuropa. Auch als sich München wenige Jahrzehnte später zu einer Hochburg des Antisemitismus und des Nationalsozialismus entwickelte, hielt die jüdische Gemeinschaft an einer Zukunft in München fest.

Bau der Synagoge als Sinnbild für Optimismus

Rückblickend ist der Bau der Synagoge in der Reichenbachstraße das Sinnbild eines unerschütterlichen Optimismus der Juden. 1921 kaufte ein Verband zweier jüdischer Vereine das Wohnhaus in der Reichenbachstraße 27. Im Hinterhof entstand die Synagoge mit 850 Plätzen und wurde zum Zentrum der Münchner Ostjuden, die ihr Gotteshaus nach jiddischem Sprachgebrauch "Reichenbachschul" nannten.

Nur eineinhalb Jahre nach ihrer Einweihung ergriff Adolf Hitler 1933 die Macht. Er ließ die Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße wurde 1938 als "Verkehrshindernis" abreißen. In der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 brannte auch die Ohel-Jakob-Synagoge nahe der Residenz nieder, in der Reichenbach-Synagoge wütete ein Nazi-Mob. Die Synagoge blieb nur deshalb bestehen, weil sie eng umschlossen von Wohnhäusern lag. Das bereits in der Synagoge gelegte Feuer wurde gelöscht, damit es nicht auf sie übergreift.

Nach dem Krieg nutzte die jüdische Gemeinde die Synagoge noch für mehrere Jahrzehnte – bis zur Einweihung der neuen Hauptsynagoge am Jakobsplatz 2006. Danach gab die Gemeinde die Reichenbachsynagoge auf. Sie verfiel zusehends.

"Wir können nicht tatenlos zusehen"

Vor dem endgültigen Verfall gerettet hat sie die Literaturwissenschaftlerin Rachel Salamander. Die Tochter von Holocaustüberlebenden wuchs in der Nachkriegszeit in München auf und feierte als Kind viele jüdische Feste in der Reichenbachsynagoge. Vor 14 Jahren ging sie zufällig an dem Gebäude vorbei und war entsetzt über den desolaten Zustand.

"Wir können nicht tatenlos zusehen und dieses Bauwerk verfallen lassen. Und diese Geschichte verschwinden lassen. Also müssen wir die Synagoge retten, mit all ihrer Geschichte, und dann die Geschichten, die sich hier zugetragen haben, erzählen", sagt Rachel Salamander im BR-Interview.

Sie gründet mit anderen den Verein "Synagoge an der Reichenbachstraße", sammelt Geld und hat das Gotteshaus nach den Originalplänen im Bauhausstil restaurieren lassen – eine architektonisches Juwel. Mehr als zwölf Millionen Euro Baukosten sind es am Ende geworden, getragen von der Stadt München, dem Freistaat, dem Bund und privaten Spendern.

Synagoge soll zum "hippsten Ort in der Stadt" werden

Die wiederhergestellte Synagoge bleibt im Besitz des Vereins "Synagoge an der Reichenbachstraße". Wie genau das Gotteshaus genutzt wird, ist noch offen. Die Räume sollen aber sowohl für Mitglieder der orthodoxen israelitischen Kultusgemeinde vom Jakobsplatz offen sein, als auch für solche aus der liberalen jüdischen Gemeinde Beth-Shalom: für Hochzeiten, Bar-Mizwas und andere religiöse Feste.

Aber vor allem will die Synagoge auch ein Ort für die Öffentlichkeit sein: für Schulklassen, mit Vorträgen über jüdisches Leben, mit Führungen durchs Viertel, geistlichen Konzerten – oder einfach zum Besuchen.

Als kunsthistorisch bedeutsames Baudenkmal soll die neue alte Reichenbachsynagoge zu einem kulturellen Hotspot werden. Und, laut Rachel Salamander – zu einem der "hippsten Orte der Stadt".

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Rachel Salamander kennt die Synagoge an der Reichenbachstraße aus ihrer Kindheit und hat sie vor dem Verfall gerettet.

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