Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) will 20 Kinder aus der Kriegsregion im Nahen Osten aufnehmen. Dieser Initiative haben sich mittlerweile vier weitere Städte angeschlossen: Düsseldorf, Bonn, Kiel und Leipzig erklärten sich ebenfalls bereit, verletzte oder traumatisierte Minderjährige in Obhut zu nehmen.
Im Auswärtigen Amt stößt das Angebot der Städte, besonders schutzbedürftige Kinder ausfindig zu machen und nach Deutschland zu holen, auf Skepsis: "Diese Idee ist nett für den Wahlkampf oder um damit punkten zu wollen, den Menschen selbst hilft sie aber nicht", sagte dazu etwa Staatsministerin Serap Güler (CDU) vom Auswärtigen Amt dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Viel wichtiger und hilfreicher sei es, Länder in der Region zur Aufnahme zu motivieren. Dabei sei Deutschland bereits aktiv.
Landshut und Augsburg: Bereits überdurchschnittliche viele Geflüchtete aufgenommen
Bayerische Städte äußern sich zurückhaltend auf Anfrage von BR24 und verweisen auf bisherige Aufnahmen. So teilte die schwäbische Stadt Augsburg mit, in den vergangenen Jahren bereits überdurchschnittliche viele Geflüchtete untergebracht zu haben. Eine weitere eigenständige Aufnahme über offizielle Zuweisungen hinaus sei deshalb nicht vorgesehen. Weiter heißt es aus dem Augsburger Sozialreferat: "Selbstverständlich beobachten wir die aktuelle Lage weiterhin aufmerksam und stehen hierzu in engem Austausch mit der Regierung von Schwaben."
Auch die Stadt Landshut verwies drauf, dass sie in den vergangenen zehn Jahren mehr Schutzsuchende aus Kriegs- und Krisenregionen aufgenommen habe, als nach den bundesweit verbindlichen Verteilungsquoten zugewiesen worden wären. Die Grenzen der Aufnahme- und Integrationskapazitäten der Stadt seien deshalb erreicht.
Städte: Entscheidung liegt beim Bund und nicht bei den Kommunen
Viele bayerische Städte betonen, dass solche Entscheidungen der Bund treffen müsse und nicht die Kommunen selbst. So hieß es etwa aus Niederbayern: "Grundsätzlich vertritt die Stadt Landshut die Ansicht, dass die Entscheidung über die Aufnahme von Schutzsuchenden in Deutschland nicht bei den einzelnen Kommunen liegen kann, sondern vom Bund bzw. von der Bundesregierung nach allgemeinverbindlichen Regeln getroffen werden muss". Unter diesen Voraussetzungen werde die Stadt auch in Zukunft solidarisch ihren Anteil tragen.
Auch die Stadt Bayreuth erklärte, dass sie sich einer humanitären Hilfe für schutzbedürftige Kinder aus Gaza und Israel grundsätzlich nicht verschließen werde, sieht aber ebenfalls zuerst auch den Bund in der Pflicht: "Hierfür müssen zunächst auf Bundesebene die entsprechenden rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für ein geordnetes Verfahren geschaffen werden".
Ähnlich äußerte sich die Stadt Erlangen: "Grundsätzlich unterstützen wir die Initiative der Stadt Hannover mit der Forderung, besonders schutzbedürftigen Kindern aus Gaza kurzfristig in Deutschland Sicherheit, medizinische Versorgung und Betreuung zu bieten und sind zu einer Aufnahme in solidarischer Verantwortung im Städteverbund bereit." Doch um die notwendige Infrastruktur zur Aufnahme stellen zu können, brauche es ein geordnetes Verfahren auf Bundesebene, forderte die Stadt. Auch Würzburg verwies auf "noch viele offene Fragen, deren Klärung zunächst durch den Bund erfolgen muss".
Nürnberg und München: Keine freien Kapazitäten in der Kinder-und Jugendbetreuung
Die Städte Nürnberg, Fürth und München teilten auf BR-Anfrage mit, dass es derzeit keine städtischen Kapazitäten für zusätzliche Aufnahmen in der unbegleiteten Kinder- und Jugendbetreuung gebe. "Die Frage, ob das Stadtjugendamt derzeit über Plätze in Schutzstellen für eine angemessene Unterbringung und intensive Betreuung schwer kriegstraumatisierter Minderjähriger verfügt, muss verneint werden", erklärte dazu das Sozialreferat in München.
Auch in Weiden, Straubing und Bamberg gebe es derzeit keine konkreten Pläne, Kinder aus dem Gazastreifen aufzunehmen.
Entscheidung liegt bei der Bundesregierung
Wenn es um die Aufnahme verletzter oder traumatisierter Kinder aus dem Gazastreifen geht, liegt die Entscheidung primär bei der Bundesregierung, insbesondere beim Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt. Diese Behörden sind für die Genehmigung von Einreiseverfahren, Visa und die Koordination humanitärer Aufnahmen zuständig. Städte wie Hannover, Düsseldorf, Leipzig, Kiel und Bonn können zwar ihre Bereitschaft zur Aufnahme signalisieren und eine entsprechende Infrastruktur bereitstellen, benötigen jedoch die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen vom Bund. Zudem spielen die Sicherheitslage und internationale Absprachen mit anderen Ländern eine entscheidende Rolle bei der Umsetzbarkeit solcher Initiativen.
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