Im Herbst könnte sich die Rolle Europas im All entscheiden. Dann nämlich kommen die Vertreter der 23 Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) zusammen, um über die Projekte der nächsten Jahre zu beraten. Bayern gilt als Top-Adresse für Raumfahrt in Wissenschaft und Industrie.
Forderung: Mehr Geld und gemeinsame Strategie
Der Weltraum ist umkämpft: Es geht um Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit, um geostrategische Souveränität – aber auch um ganz alltägliche Daten zur Wetter- oder Verkehrsprognose.
Zur Vorbereitung des Treffens hatte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) rund 30 Frauen und Männer aus Industrie und Wissenschaft eingeladen. Ihre gemeinsame Forderung: deutlich mehr Geld vom Bund für die Raumfahrt – und: eine gemeinsame Strategie.
Raumfahrt als Chance für den Wirtschaftsstandort Bayern
Branchenvertreter loben das "hervorragende Ökosystem für Raumfahrt" in Bayern. Gemeint ist damit die seit Jahrzehnten gewachsene enge Verzahnung von Forschung, Industrie und Start-Ups. Rund 40 Prozent aller Raumfahrt-Umsätze in Deutschland erwirtschaften bayerische Unternehmen.
Im Freistaat sind 10.000 Menschen in der Branche beschäftigt, "Tendenz sprunghaft steigend", so Bayerns Wirtschaftsminister. Aiwanger setzt auf die Space-Unternehmen, denn der Industriezweig wächst weltweit rasant.
Laut Europäischer Raumfahrtbehörde ESA steigen die Umsätze jährlich um zehn Prozent. ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher rechnet damit, dass das Wirtschaftswachstum der Branche in den nächsten zehn Jahren von 500 Milliarden auf 1,8 Billionen Euro steigen wird. Jeder investierte Euro werde in drei- bis fünffacher Höhe zurückkommen, so seine Prognose.
Schlüssel für Unabhängigkeit und Sicherheit in Europa
Der Boom der Branche hat unter anderem zu tun mit den weltweiten Krisen und Kriegen, so die Experten. Der Weltraum zähle inzwischen zur "kritischen Infrastruktur", erklärt Aschbacher. Weltraumdienste würden sicherheitsrelevante Informationen bereitstellen - etwa Geodaten - mit denen Militär und Geheimdienste arbeiten. Auch abhörsichere Kommunikation könne über Raumfahrttechnologie gewährleistet werden. Wer in Fragen der nationalen Sicherheit unabhängig werden wolle, müsse hier investieren, so Aschbacher.
Raumfahrtunternehmerin: "Europa muss auf den Mond"
Lena Stern, Strategie-Direktorin des Raumfahrtunternehmens OHB in Weßling, weist auf die geostrategische und -politische Bedeutung der Raumfahrt hin. "Europa muss auf den Mond", fordert Stern. Ihre Begründung: Weltraumnationen wie China und Indien seien bereits auf dem Weg dorthin. Mondmissionen gelten als Treiber für technologischen Fortschritt und Wasservorkommen auf dem Mond als wichtige Ressource.
Gleichzeitig beeinflussen die Informationen aus dem All auch unseren Alltag, sagt Wirtschaftsminister Aiwanger. Ohne Raumfahrttechniken habe man "weder eine funktionierende Telekommunikation noch Unwettervorhersagen, Landwirtschaftsdaten, Verkehrsdaten". Wichtig seien die Erkenntnisse aus dem All auch zur Vorbeugung und Bekämpfung von Naturkatastrophen.
Aiwanger: Bund soll Investitionen in Raumfahrt verdoppeln
Wirtschaftsminister Aiwanger, ESA-Generaldirektor Aschbacher und Unternehmer fordern nun, dass der Bund deutlich mehr Geld in die Raumfahrt investiert als bisher. Der jährliche Beitrag für die ESA aus Deutschland müsse sich von einer auf zwei Milliarden Euro verdoppeln. Dieses Geld sei nicht verschwendet, sondern fließe zu einem erheblichen Teil nach Bayern zurück, so Aiwanger.
Vor wenigen Wochen hatte das bereits die so genannte "Space-Connection" aus Bayern, Bremen und Baden-Württemberg gefordert. Sie alle setzen dabei auch auf die neue Bundesregierung und die neue Raumfahrtministerin Dorothee Bär (CSU).
Unternehmensvertreterin Stern sagt, darüber hinaus müsse Deutschland auch mehr in nationale Projekte investieren – da seien Länder wie Italien oder Frankreich besser aufgestellt.
Aiwanger mahnt bessere Zusammenarbeit in Bayern an
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger mahnt bei dem Treffen auch eine bessere Zusammenarbeit der Ministerien an. Es brauche eine gemeinsame Raumfahrtstrategie, dass "jeder seine Sandschaufel abgibt" und man statt dessen gemeinsam "einen Bagger" anschaffe.
Ein Sprecher der Staatskanzlei lässt derweil keinen Zweifel daran, wer - um im Bild zu bleiben - den Bagger steuert: "Die Luft und Raumfahrtstrategie ist in Bayern Chefsache." Wie bei allen anderen Themen werde innerhalb der Staatsregierung aber "gut zusammengearbeitet".
Für kommenden Freitag hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ins Zentrum für Luft und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen eingeladen. Zu einem "Mondgipfel".
Zum Nachhören: Bayern fordert mehr Geld für Raumfahrt
Josef Aschbacher, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), bei einem Vortrag diese Woche in Wien.
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