In Deutschland kommen jedes Jahr rund 65.000 Kinder zu früh auf die Welt, manche wiegen bei der Geburt nur wenige hundert Gramm. Der Welt-Frühgeborenen-Tag am 17. November 2025 markiert die Halbzeit in einem vielversprechenden EU-Forschungsprojekt, an dem das Klinikum Nürnberg federführend beteiligt ist. Es geht um die Entwicklung einer künstlichen Plazenta, die Frühgeborene mit Sauerstoff und Nahrung versorgen, sowie Abfallprodukte ableiten soll. Dadurch könnten die Kleinen nach einer Frühgeburt weiterwachsen, als wären sie noch im Mutterleib. Bislang brauchen sie eine wochenlange, aufwendige medizinische Behandlung auf einer spezialisierten Frühgeborenen-Station, um zu überleben.
Lungen nicht voll ausgebildet
Dort liegt die kleine Kate im Nürnberger Südklinikum in einem Brutkasten und gibt leise Töne von sich. Ihre Augen sind geschlossen, auf dem Kopf trägt sie eine weiße Mütze. Sie kam mit gerade mal 670 Gramm viel zu früh auf die Welt. Das größte Problem bei den meisten Frühgeborenen sind die Lungen, die noch nicht voll ausgebildet sind. "Kate braucht eine Atemunterstützung und wird über eine Magensonde ernährt", erklärt ihr Vater Marco. Mit seiner Frau Steffi wechselt er sich täglich am Brutkasten ab. Kate ist mit mehreren Kabeln und Schläuchen verbunden. Das könnte in der Zukunft mit einer künstlichen Plazenta anders werden. Daran forscht ein Projektteam im Nürnberger Südklinikum ein Stockwerk tiefer im Labor.
Schwierigkeit: Nabelschnurgefäße anschließen
An einer Babypuppe simuliert ein Team aus Ärzten und Pflegekräften, wie die künstliche Plazenta über den Bauchnabel angeschlossen wird. "Eine der großen Schwierigkeiten besteht darin, dass die Nabelschnurgefäße nach der Geburt wieder so weit geöffnet werden, dass genügend Blut hindurchfließen kann. Denn wir wollen keine Pumpen verwenden, die den Organismus schädigen können", erklärt Chefarzt Prof. Christoph Fusch. Daher soll die künstliche Plazenta, genau wie die Plazenta im Mutterleib, vom Herzen des Kindes durchblutet werden. "Das ist technisch nicht so einfach, aber wir haben bereits große Fortschritte gemacht", so Prof. Fusch.
Die künstliche Plazenta besteht aus einem sechseckigen Kasten mit Fasern im Inneren.
Künstliche Plazenta aus dem 3D-Drucker
Das künstliche Organ besteht aus einem etwa Handteller großen, sechseckigen Kästchen, das in einem 3D-Drucker hergestellt wird. "Darin befinden sich Filter mit unterschiedlichen Fasern, die für den Gasaustausch und die Dialysefunktion zuständig sind", erklärt Oberarzt Dr. Niels Rochow, "damit ist es uns erstmalig gelungen, zwei Geräte in einem zu kombinieren." Denn die künstliche Plazenta übernimmt mit dem Kästchen die Funktion der Lunge und der Nieren. An dem von der EU bis 2027 geförderten Projekt sind auch Mediziner und Wissenschaftler aus Schweden, Portugal und weiteren Ländern beteiligt. Das Ziel ist, eine einsatzfähige künstliche Plazenta zu entwickeln, die für Frühgeborene schonender wäre als die bislang gängige Beatmung und Behandlung.
Weniger Hindernisse für direkten Körperkontakt
Es gibt noch weitere Vorteile, wenn die künstliche Plazenta in der Zukunft eingesetzt werden könnte: Der direkte Körperkontakt zwischen Frühgeborenen und Eltern wäre ohne Beatmungsschlauch, Katheter und Sonden einfacher. "Das ist auch für die neurologische Entwicklung der Frühgeborenen wichtig", erklärt Oberarzt Dr. Rochow. Jederzeit kuscheln zu können und nicht nur ab und zu, das würde sicherlich auch der kleinen Kate auf der Frühgeborenen-Station gefallen: Sie bringt nach dreieinhalb Wochen schon über 1.000 Gramm auf die Waage und kann heuer vielleicht noch entlassen werden. Die Eltern hoffen, dass sie Weihnachten zu dritt daheim feiern können. Das wäre das schönste Geschenk für alle drei.
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