Stefan Einen sitzt im schwarzen Hemd an seinem Schreibtisch am Laptop.
Stefan Einen sitzt im schwarzen Hemd an seinem Schreibtisch am Laptop.
Bild
Stefan Einen bietet Alibis für seine Kunden an: Ob fürs Treffen mit der Affäre oder den Besuch des Oktoberfests.
Bildrechte: Astrid Uhr
Schlagwörter
Bildrechte: Astrid Uhr
Videobeitrag

Stefan Einen bietet Alibis für seine Kunden an: Ob fürs Treffen mit der Affäre oder den Besuch des Oktoberfests.

Aktualisiert am
Videobeitrag
Erschien zuerst am
>

Seine Agentur verkauft die Lügen für ein Doppelleben

Seine Agentur verkauft die Lügen für ein Doppelleben

Berufliche Termine, um die Affäre zu treffen. Geschäftsreisen, um auf dem Oktoberfest zu feiern. Die Agentur von Stefan Einen bietet Alibis für jeden Anlass. Wie moralisch ist das Geschäft mit der Lüge?

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Bernd ist mit zwei Frauen zusammen. Doch eine weiß nichts von der anderen. Der Grund dafür ist die Agentur von Stefan Eiben in Bremen. Bei ihm kann man Lügen für jeden Anlass kaufen. Für Bernd fälscht Stefan Eiben unter anderem Geschäftsanrufe und berufliche Termine an Wochenenden – Zeit, in der Bernd seine andere Partnerin treffen kann.

Aktuell wohnt er mit der Mutter seines Sohns zusammen. "Ich kann meine Partnerin nicht verlassen, will aber regelmäßig eine andere Frau treffen", sagt Bernd, der eigentlich anders heißt. Aus Sorge, den Kontakt zu seinem Kind zu verlieren, will er die Beziehung zu der anderen Frau geheim halten. Dafür zahlt er im Monat rund 400 Euro an die Firma von Stefan Eiben.

Professionelles Lügen: Von der Fake-Freundin bis zur Postkarte

"Ich kriege so viel Dankbarkeit zurück von meinen Kunden", sagt Stefan Eiben. "Das ist mein Traumjob." Seine Aufträge sind verschieden: Will eine Büroangestellte ohne das Wissen der Kolleginnen und Kollegen auch als Domina mit Maske und Peitsche arbeiten, dann laufen deren Buchungen über einen von der Agentur betreuten Account. Oder wenn ein Mann seine Homosexualität vor seinen Eltern verheimlichen will, dann vermietet ihm die Agentur eine Schauspielerin für die Familienfeier. Das Alibi ist so weit durchdacht, dass die vermeintliche Freundin den Eltern des Kunden sogar Postkarten aus dem Urlaub schreibt.

Noch nie sei eine Affäre wegen Fehlern seinerseits aufgeflogen, behauptet Eiben. Mittlerweile hat er Niederlassungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Spanien und in den USA.

Gleich viele Männer wie Frauen bestellen ein Alibi

Die Zahl der Aufträge hänge von der Jahreszeit ab. Im Schnitt vermittle die Agentur 1.500 Aufträge pro Jahr, Hochsaison sei rund um den Kölner Karneval oder das Münchner Oktoberfest. Dann würden viele Männerrunden gerne feiern, ohne dass die Frauen Bescheid wissen, was das im Detail bedeutet: jede Menge Bier und ein anschließender Besuch im Bordell oder Swinger-Club. "Weil das ihren Frauen daheim nicht passen würde, organisiere ich ihnen ein Seminar in München, mit Hotelübernachtung und allem, was dazugehört", sagt Eiben. Auf Kosten der Ahnungslosigkeit der Partnerin durch das gefälschte Alibi kann der Kunde die vor ihr geheime Zeit nutzen, wie er möchte.

Viele seiner Kunden kämen aus Bayern, darunter gleichermaßen Männer wie Frauen. Während Frauen meist eine Affäre verheimlichen wollen, würden Männer oft eine Auszeit wollen, ob für das Oktoberfest oder einen Angel-Ausflug nach Norwegen, so Eiben. Seine Kunden seien zwischen 18 und 80 Jahre alt und kommen aus allen Berufsgruppen.

Alibis: Unmoralisches Angebot oder gesellschaftliche Niederlage?

"Ich verschaffe den Menschen Freiräume und tue somit Gutes", sagt Stefan Eiben. "Die Lüge an sich finde ich nicht einmal etwas Negatives, sondern es kommt darauf an, wie man sie nutzt. Sie ist nur ein Instrument und man kann sie natürlich sehr negativ nutzen. Man kann aber auch etwas Gutes machen."

Er nutze die Lüge, um Menschen in schwierigen Situationen zu helfen. Sein Job sei vollkommen seriös, er handele immer legal. Vielmehr sei die Gesellschaft daran schuld, dass seine Kunden überhaupt ein Alibi bräuchten. Wären die Eltern offen gegenüber Homosexualität, müsste der schwule Sohn sich keine Alibi-Freundin erkaufen. Oder die Büroangestellte könnte ihren Zweitjob als Domina offen ausleben, wenn es gesellschaftlich akzeptiert würde.

Bernd – der mit zwei Frauen eine Beziehung führt – will nicht für immer die Dienste von Stefan Eiben buchen, nicht für immer lügen. Aktuell schafft er es nicht, sein Problem selbst zu lösen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Sie interessieren sich für Religion, Kirche, Glaube, Spiritualität oder ethische Fragen? Dann abonnieren Sie hier den Newsletter der Fachredaktion Religion und Orientierung.