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Ein Jahr Deutschlandticket - ein Gewinn für alle?

Ein Jahr Deutschlandticket - ein Gewinn für alle?

Bei Fahrgästen ist das 49-Euro-Ticket ein Erfolg: 20 Millionen Kunden haben es bisher gekauft. Es füllt die Züge in Bayern, aber kaum die Kassen der Verkehrsbetriebe.

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Ausgelastete Züge und Fahrgäste, die das preiswerte Ticket zu schätzen wissen - aus Kundensicht ist das Deutschlandticket ein echter Gewinn. Flexibel Busse und Bahnen im Nahverkehr nutzen, das ist besonders attraktiv für Pendler und Menschen in Ballungsräumen rund um die Städte. So haben in Deutschland innerhalb eines Jahres 20 Millionen Menschen ein 49-Euro-Ticket gekauft. Momentan besitzen es mehr als elf Millionen Fahrgäste. Im größten Verkehrsverbund Bayerns, dem Münchner MVV sind es derzeit 675.000 Kundinnen und Kunden, sagt Geschäftsführer Bernd Rosenbusch BR24.

Moderne Monatskarte - auf Dauer angelegt aber flexibel kündbar

Ob als Handyticket oder als Chip-Karte, das Deutschlandticket ist schnell erworben und dann auch bald wieder gekündigt, wenn Fahrgäste es nicht mehr brauchen. Bis zum zehnten eines Monats zum Monatsende ist das problemlos möglich. Laut Statistik sind binnen dieses einen Jahres 44 Prozent der gekauften Deutschlandticket-Abos gekündigt worden. Im Bereich des MVV waren es sogar einmal 1,2 Millionen registrierter Menschen, sagt Rosenbusch. Er freut sich über die wachsende Nutzer-Zahl, sieht aber auch die Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen im Verbundraum. Alle, die vorher eine teurere Monatskarte hatten, die für Pendler auch mehrere hundert Euro gekostet haben konnte, sparten jetzt. Das Geld fehle aber in den Kassen der Betreiber.

Finanzierung des Deutschlandtickets ab September fraglich

Eine Sonderkonferenz der Länderverkehrsminister am Wochenanfang brachte erneut keine Einigung zur künftigen Finanzierung. Das Bayerische Verkehrsministerium hat auf Anfrage von BR24 mitgeteilt: "Nach unserem Verständnis fehlt noch ein entscheidender Baustein, damit die Einnahmeaufteilung starten kann, nämlich dass der Bund endlich wie zugesagt die Restmittel von 2023 auf das Jahr 2024 überträgt."

Diese Übertragbarkeit sei Grundlage für die gesamten Berechnungen der Einnahmeaufteilung. Deswegen gab es in der Verkehrsministerkonferenz keinen einstimmigen Beschluss. "Wir erwarten, dass der Bund jetzt schnell liefert, damit die Einnahmeaufteilung starten kann. Mit alternativen Szenarien beschäftigen wir uns erst, wenn es so weit ist", heißt es lapidar

Preiserhöhung fürs Deutschlandticket - wann und wie hoch?

Der Preis von 49 Euro für das Deutschlandticket ist garantiert bis Ende des Jahres, allerdings steht die Finanzierung erst bis Ende September. Weil das Interesse der Länder gering ist, höhere Zuschüsse zu bezahlen und vom Bund auch noch keine Zusage da ist, wird viel über einen höheren Preis diskutiert. Einen höheren Preis hält beispielsweise der Verband der öffentlichen Verkehrsunternehmen für wahrscheinlich. In der Diskussion waren bereits 59 oder 69 Euro. Aber das dürfte kaum durchsetzbar sein. Denn eine starke Preiserhöhung würde das Interesse am Deutschlandticket schmälern. 80 Prozent der Nutzer zeigten sich zufrieden, aber in Umfragen sagt ein großer Teil, dass das Ticket nicht mehr interessant wäre, wenn es beispielsweise ein Drittel mehr kosten würde. Tatsächlich sind die 49 Euro ja der höchste Preis, Studierende fahren für 29 Euro, wer ein Jobticket hat ist mit etwa 35 Euro dabei. Gerade in diesem Bereich erhoffen sich die Verkehrsunternehmen noch einen großen Zuwachs.

Elf Millionen Nutzer statt anvisierte 15 Millionen

Mit der Nutzer-Zahl steht und fällt die Bedeutung des Deutschlandtickets für eine Verkehrswende. Bislang sind nämlich noch gar nicht so viele Autofahrer wirklich umgestiegen. Die Statistik nennt sieben Prozent. Für den Verkehrswissenschaftler Klaus Bogenberger bieten Jobtickets auch eine große Chance, dass Beschäftigte großer Unternehmen massenhaft das Deutschlandticket erwerben. Zwar sei die Freude groß über gestiegene Fahrgastzahlen in den öffentlichen Verkehrsmitteln und weniger Autoverkehr in den Städten. Der sank nämlich teilweise um 30 Prozent, doch das sei vielmehr der Tatsache geschuldet, dass vor allem Beschäftigte im Büro- und Verwaltungsbereich heute vielfach zwei oder drei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten. Insofern sei auch der Klimaeffekt des Deutschlandtickets bislang überschaubar, so Bogenberger.

Im Video: Bilanz nach einem Jahr Deutschlandticket

Deutschlandticket auf einem Smartphone
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"Rakete für den Regionalverkehr"

Die Deutsche Bahn spricht beim Deutschlandticket sogar von einer Rakete für den Regionalverkehr. Seit der Einführung im Mai 2023 fahren demnach 28 Prozent mehr Reisende in den Regionalverkehrszügen der DB und das dürfte bei den Privatbahnen kaum anders sein. Laut Bahn sind fast zwei Drittel der Fahrgäste im Nah- und Regionalverkehr der DB mit dem Deutschlandticket unterwegs, vor allem zum beruflichen Pendeln. Seit der Einführung im Mai 2023 fahren 28 Prozent mehr Reisende in den Regionalverkehrszügen der DB. Insgesamt sind fast zwei Drittel der Fahrgäste im Nah- und Regionalverkehr der DB mit dem Deutschlandticket unterwegs, vor allem zum beruflichen Pendeln.

Zugleich werde das Ticket neben Alltagsfahrten zunehmend für Ausflüge in der Freizeit und am Wochenende genutzt. "Im Schnitt legen die Fahrgäste der DB dabei rund 20 Prozent längere Strecken zurück. Zu den beliebtesten Strecken, auf denen Fahrgäste von DB-Regio mit dem Deutschlandticket unterwegs sind, gehören die Verbindung von Stuttgart an den Bodensee und von München in die Berge. Entsprechend voll des Lobs ist Evelyn Palla, die Bahnvorständin für den Bereich. Sie spricht von einem echten "Bürgerticket." War das 9-Euro-Ticket noch eine Sozialmaßnahme, die vielen Menschen mit wenig Geld Mobilität ermöglicht hat, ist das 49-Euro-Ticket eine Art Subvention von Bahnpendlern mit größeren Strecken in Ballungsräumen. Sie sparen nämlich am meisten.

Entfernung zur Haltestelle ist entscheidend

"Das Deutschlandticket ist ein Scheinriese." So nennt es Bayerns Wirtschaftsminister Christian Bernreiter (CSU). Zweifelsohne habe es den Zugang zum öffentlichen Nahverkehr erleichtert, "aber trotzdem wird das Ticket nur von einem kleinen Teil der Menschen in unserem Land genutzt." Das liege vor allem daran, "dass es praktisch nur für Fahrgäste in Ballungsräumen mit gut ausgebautem öffentlichen Nahverkehr interessant ist, für den ländlichen Raum aber nicht viel bringt", sagt Bernreiter. Die Nutzer-Zahlen auf dem Lande scheinen das zu belegen. Sie seien abhängig von der Entfernung zu einem Anschluss an den öffentlichen Verkehr. Wie weit entfernt ist ein Bahnhof oder eine Haltestelle? Und da zeige sich, wo es gute Möglichkeiten gibt, da werde auch das Ticket genutzt.

Steuergeld oder Fahrgastgeld?

Bei öffentlichen Verkehrsmitteln müssen die gestiegenen Kosten bei Personal, Energie und Infrastrukturerhalt ausgeglichen werden. Entweder durch höhere Zuschüsse aus den öffentlichen Haushalten, also aus Steuergeld oder aus den Ticketeinnahmen, also dem Geld der Fahrgäste. Weil mehr Fahrgäste aber vor allem durch ein gutes Angebot in die öffentlichen Verkehrsmittel und zum Deutschlandticket zu locken sind, steigt auch hier der Finanzbedarf. Bernreiter stellt das Deutschlandticket nach einem Jahr nicht mehr infrage. Er betont aber: "Nach wie vor wäre es aus meiner Sicht sinnvoller gewesen, das Geld in die Infrastruktur und ein gutes, verlässliches Angebot auf der Schiene zu investieren. Dazu komme noch die ständige Diskussion mit dem Bund um die Finanzierung. "Wir brauchen endlich ein klares Signal aus Berlin, dass der Bund auch zukünftig zu seiner finanziellen Verantwortung steht. Das wäre ein schönes Geschenk zum ersten Geburtstag des Tickets und würde weitere Geburtstagsfeiern ermöglichen." Seinen Kollegen aus den rot-grün regierten Ländern werden ihm da zustimmen. Ihnen ist aber vor allem wichtig, dass das Deutschlandticket auch in Zukunft attraktiv ist. Fahrgastverbände wie Pro Bahn erwarten beides: ein besseres Angebot und günstige Fahrkarten.

Screenshot der MVV-Seite zum Deutschlandticket - Junge Frau mit Handy, daneben der Webespruch: Kauf lokal. Fahr überregional und das Symbol des D-Tickets
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Screenshot der MVV-Seite zum Deutschlandticket

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