Sprechchöre schallen durch die Oettinger Altstadt: "Blaschak raus! Blaschak raus!" Deutlicher könnten die Mitarbeiter von Oettinger Getränke kaum zum Ausdruck bringen, was sie von ihrem Chef, CEO Stefan Blaschak, halten. Der reagiert im Gespräch mit dem BR gelassen: "Was ich daraus mitnehme, ist, dass wir eventuell besser erklären müssen, wo es hingeht. Ich sehe das nicht als persönlichen Angriff. Das gehört ein Stück weit auch zum Job dazu, unpopuläre Entscheidungen zu treffen."
Oettinger will freie Tage kürzen und Arbeitszeit erhöhen
Damit ist das Tarifangebot gemeint, das Oettinger zuletzt gemacht hat: 1,3 Prozent mehr Geld, aber dafür weniger zusätzliche freie Tage für ältere Beschäftigte, keine bezahlten Pausen mehr und teilweise eine Stunde Mehrarbeit pro Woche.
Der Betriebsrat und die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) fordern dagegen, dass sich Oettinger dem jüngsten Tarifabschluss in der bayerischen Brauindustrie anschließen soll. Der sieht ein Lohnplus von 6,5 Prozent vor – verteilt auf zwei Jahre.
Markt verliere täglich drei Millionen Dosen Bier
Das lehnt Oettinger-Geschäftsführer Blaschak aber ab: "Ich sag mal so ein bisschen salopp, wir müssen ja nicht die Dummheit machen, die andere gemacht haben." Denn Blaschak sieht nach eigenen Angaben "dunkle Wolken" in der Bier-Branche heraufziehen. Der Bierkonsum sinkt – in Deutschland genauso wie in den meisten Teilen der Welt. Laut Blaschak verliere allein der deutsche Markt täglich drei Millionen Dosen Bier.
Unter diesen Voraussetzungen versuche er, das Unternehmen für die nächste Generation aufzustellen, das Ziel: sichere Arbeitsplätze. Die Strategie: Wenn weniger Bier verkauft wird, mehr auf alkoholfreie Spezialgetränke setzen. Schon nächstes Jahr sollen alkoholfreie Getränke 40 Prozent des Umsatzes ausmachen.
Wasser mit Proteinen, Limo mit Ballaststoffen
So hat Oettinger "Joybräu" gekauft und damit ein Produktionsverfahren, wie Getränken Proteine zugesetzt werden können. Nun gibt es bei Oettinger alkoholfreies Bier, aber auch Wasser, das mit Proteinen angereichert ist. Auch neu: Eine Limo und eine Cola mit extra Ballaststoffen. Solche "functional drinks" seien weltweit im Kommen, glaubt man bei Oettinger.
Die Zielgruppe: Jung und gesundheitsbewusst. "Die junge Generation, die da nachwächst, die weiß sehr viel über: Wie ernähre ich mich? Mit welcher App ernähre ich mich? Wann mache ich Sport? Welche Muskelgruppe trainiere ich? Die wissen sehr genau, was sie zu sich nehmen müssen und wann sie es zu sich nehmen – und das sind genau die Zielgruppen, die wir erreichen", sagt Stefan Blaschak.
Wie passen "Billig-Bier" und hippe Getränkeinnovationen zusammen?
Aber wie passen die neuen, gar nicht mal so günstigen Getränke mit Proteinen und Ballaststoffen zu Oettinger? Schließlich hat die Marke nach wie vor den Ruf des Billig-Biers. Das Wort "billig" würde CEO Blaschak nie in den Mund nehmen, schließlich braue man wie alle Brauereien in Deutschland nach dem Reinheitsgebot.
Aber auch mit den neuen Marken bleibe man sich treu. So koste die 0,5-Liter-Flasche "OeWater" – das Wasser mit den Proteinen – zwar knapp zwei Euro. Das sei aber rund zwei Euro günstiger als die Konkurrenz.
Belegschaft sehe den neuen Kurs kritisch
Den Betriebsratsvorsitzenden bei Oettinger, Oliver Bosch, überzeugt das nicht. Ein großer Teil der Belegschaft sehe den neuen Kurs kritisch, so Bosch. Man solle stattdessen auf die etablierten Marken von Oettinger, wie "5,0" oder "Glorietta" setzen und lieber die weiterentwickeln. Schließlich sei Oettinger nach wie vor profitabel, sagt Bosch: "Die Mitarbeiter sehen nicht ein, warum sie Verschlechterungen hinnehmen sollen."
Platz 31 der weltweit größten Brauereien
Tatsächlich ist Oettinger mit einem Ausstoß von 660 Millionen Litern Bier und anderen Getränken immerhin auf Platz 31 der weltweit größten Brauereien. Doch der Trend zeigt nach unten: Vor 15 Jahren wurden noch rund 50 Prozent mehr Getränke produziert, vor allem Bier.
Seitdem wurde der Standort in Gotha verkauft, der Standort Braunschweig soll nächstes Jahr dichtgemacht werden. Aktuell hat Oettinger 800 Beschäftigte, rund die Hälfte davon in Oettingen.
Bis zu 15 Tage extra frei
Betriebsrat Oliver Bosch setzt sich vor allem für die älteren Beschäftigten bei Oettinger ein. Die bekommen je nach Berufsgruppe bis zu 15 Tage pro Jahr extra frei. Doch hier soll gekürzt werden. "Jeder weiß, was Drei-Schicht-Arbeit bedeutet, arbeitsmedizinisch. Die Leute im Fuhrpark, die haben früher 220, 300 Stunden im Monat runtergerissen. Die haben den Laden hier eigentlich groß gemacht und die sollen jetzt Federn lassen", beklagt Bosch.
Schlichtung im Tarifstreit in Sicht
Ein Kompromiss: schwierig. Immerhin steht nun eine Schlichtung im Raum. Beide Seiten haben sich auf die Eckpunkte dafür geeinigt. Das heißt untere anderem: Bis Ende Oktober wird bei Oettinger erst einmal nicht gestreikt.
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