Diese Woche legte Markus Söder nach: "Der Länderfinanzausgleich ist die größte Sauerei und ein Riesenscheiß", sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef bei "Markus Lanz" im ZDF. "Maximal vier Länder zahlen für die anderen, und wir in Bayern zahlen fast alles." Mehr als sechs Milliarden Euro musste der Freistaat im ersten Halbjahr 2025 aufbringen: "Das kann doch nicht sein!"
Schon vor zwei Jahren reichte Bayern beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen den Länderfinanzausgleich ein. Zudem droht Söder mit dem Ausstieg: Wenn es keine Einigung mit den Ländern gebe, werde der Finanzausgleich "leider erst zum Ende des Jahrzehnts – aber wird er definitiv gekündigt", sagte er im Juli. Geht das? Warum muss Bayern zahlen? Fragen und Antworten.
Wie viel hat Bayern gezahlt?
Der Freistaat war von 1950 bis 1986 Empfängerland. Insgesamt erhielt er 3,4 Milliarden Euro. Seit 1993 zahlt Bayern durchgehend, im vergangenen Jahr war es mit fast 9,8 Milliarden mehr als die Hälfte der Gesamtsumme. Bis 2024 steuerte der Freistaat 124 Milliarden Euro bei.
Warum muss Bayern zahlen?
Das Grundgesetz legt fest, "dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen" werden muss. Hans-Günter Henneke, Rechtswissenschaftler und Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistags, betont: "Wir sind ein Bundesstaat, wir sind kein Staatenbund, und wir haben eine Steuerverteilung." Im Kern müssten alle Länder die gleichen Aufgaben erfüllen: "Wir brauchen eine relativ vergleichbare Ausstattung mit Einnahmen in ganz Deutschland."
Einen Länderfinanzausgleich im eigentlichen Sinn gibt es laut Henneke seit einigen Jahren gar nicht mehr, sondern Zu- und Abschläge auf die Umsatzsteuer. Insofern zahle Bayern gar nichts mehr, sondern erhalte nur weniger Umsatzsteuer. Christoph Degenhart, bis zur Emeritierung Staatsrechtslehrer an der Uni Leipzig, verweist auf die Solidaritätspflicht der Länder: "Dazu gehört das 'bündische Prinzip' des Einstehens füreinander."
Ist das System ungerecht?
Seinem Hinweis auf die Solidaritätspflicht lässt Degenhart eine Einschränkung folgen: "Es darf nicht zu einer Überkompensation kommen." Henneke bringt weniger Verständnis auf für Bayern: Das System sei "nicht himmelschreiend ungerecht", habe sich bewährt: Neben der bayerischen Wirtschaftskraft spiele das Prinzip der Steuerverteilung eine zentrale Rolle. Einkommens- und Körperschaftssteuern werden nach Wohnsitz- und Firmensitz-Prinzip verteilt. "Das führt zu einer erheblichen Ungleichverteilung in Deutschland", sagt der Experte. Das werde bei der Umsatzsteuer ausgeglichen. Die Staatsregierung aber tue so, als ob das Steueraufkommen, das in Bayerns Finanzämtern eingehe, ihr gehöre.
Henneke nennt es überraschend, wie schnell Bayern gegen die seit 2020 gültige Regelung geklagt hat. Schließlich trage das System eine "bayerische Handschrift", weil die Verhandlungen 2017 vom damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und seinem Finanzminister Söder geprägt worden seien. Dabei seien Kernfragen allerdings nicht angegangen und Probleme eher verschleiert worden.
Eine Sache findet auch Henneke unfair, spricht von einem "Rechentrick": Die Einwohner der Stadtstaaten Berlin, Bremen, Hamburg wiegen im Finanzausgleich traditionell mehr als Bewohner anderer Länder. Hamburg werde weniger reich gerechnet, Berlin und Bremen würden arm gerechnet – "eine Verzerrung".
Kann Bayern aussteigen?
Nein, da sind sich beide Juristen einig. Das Bundesrecht sehe kein einseitiges Aussteigen vor, erläutert Degenhart. "Einfach zu sagen: Wir zahlen nicht mehr – so geht es nicht."
Was kann Söder tun?
Es gibt drei Möglichkeiten. Die erste: Bayern kann auf eine Klärung durch das Bundesverfassungsgericht hoffen. Zweite Möglichkeit: Das System wird "einvernehmlich geändert", wie Degenhart sagt. Doch Söders Chancen, sich mit den anderen Ländern zu verständigen, sind minimal. Nehmerländer haben kein Interesse daran.
Dritte Möglichkeit: abwarten. Laut Grundgesetz läuft die Regelung aus, "wenn nach dem 31. Dezember 2030 die Bundesregierung, der Bundestag oder gemeinsam mindestens drei Länder Verhandlungen über eine Neuordnung" verlangen und "mit Ablauf von fünf Jahren" keine gesetzliche Neuordnung in Kraft getreten ist. Das derzeitige System könnte also frühestens 2036 auslaufen. Dann säße Bayern laut Henneke bei Neuverhandlungen am "längeren Hebel", da eine Einigung dann stark im Interesse der Nehmerländer wäre.
Wie geht es weiter?
Nächste Chance zum verbalen Angriff auf den Länderfinanzausgleich: Beim politischen Gillamoos am Montag in Abensberg hat Söder die große Bierzelt-Bühne. Ebenfalls am Montag empfängt CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek in Mödlareuth seine CDU-Kollegen aus Sachsen und Thüringen. Dabei will er intern auch den Finanzausgleich ansprechen.
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