Julia und Steffen haben sich getraut. Vor einigen Jahren haben sie ihre Jobs in München gekündigt und einen Campingplatz übernommen.
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Julia und Steffen haben sich getraut. Vor einigen Jahren haben sie ihre Jobs in München gekündigt und einen Campingplatz übernommen.

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Campingplatz statt Büro: Wie geht es den Aussteigern heute?

Campingplatz statt Büro: Wie geht es den Aussteigern heute?

Julia und Steffen haben einen Campingplatz nahe der tschechischen Grenze übernommen – und damit ihr Leben in der Großstadt hinter sich gelassen. Vier Jahre ist das her. Wie geht es dem Paar heute?

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Der Motor brummt. Steffen Lorenz rollt mit seinem Traktor über das Gelände. In der Schaufel transportiert er Granitbrocken – jeder so groß wie ein Autoreifen. Er hält an und springt aus dem Führerhäuschen. "Das Gelände hier war noch gar nicht erschlossen", sagt er und zeigt auf die Karte, die er in der Hand hat. Darauf sind Wege und abgegrenzte Flächen eingezeichnet. Ein frisch geschotterter Weg schlängelt sich schon zwischen Bäumen und offenen Wiesen. "Hier sollen überall Stellplätze hin. Der Weg ist schon fertig. Heute setzen wir die Steine für die Platznummern."

Mit einem kleineren Bagger hebt Steffen eine Grube aus. Dann lässt er den massiven Stein vorsichtig ins Loch kippen. Jetzt geht es mit dem Bagger nicht weiter, "also Schaufel in die Hand", sagt er. Dann schippt er die Erde in die Grube, aus der der Stein herausragt. Auf dem Campingplatz gibt es immer was zu tun. Genauer gesagt: immer noch.

Vor vier Jahren der Ausstieg aus dem Hamsterrad

Vor vier Jahren haben Steffen und seine Frau Julia Lorenz den in die Jahre gekommenen Campingplatz samt Schullandheim gekauft. Von München zogen sie in das 500-Einwohner-Dorf Finsterau im Bayerischen Wald. Auch wenn Julia aus der Region stammt, war es ein Sprung ins Ungewisse. "Natürlich gehen wir viele Risiken ein", erzählte sie damals kurz vor dem Umzug.

"Wir lassen unser Zuhause und unser soziales Netz hinter uns, um hier neu zu starten." Und das Leben, das viel am Schreibtisch stattfand. Fast zwanzig Jahre lang arbeitete Steffen in der Werbebranche. "Es war das Hamsterrad, das mich unglücklich gemacht hat", sagt Steffen. Gemeinsam hatten sie die Vision, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen zusammenkommen, kreativ sein können und Gemeinschaft finden.

Hat sich ihr Traum erfüllt?

Der Anfang vom Neuanfang war holprig. "Als wir hergekommen sind, mussten wir erst mal 300 Meter Graben aufreißen – das war nicht geplant. Und so ist es weitergegangen. Immer kam irgendwas Unerwartetes." Einen normalen Alltag gibt es längst nicht mehr. "Wir haben so viel zu tun, ständig ist etwas Neues", sagt Steffen.

Poollandschaft und Animationsprogramm gibt es hier auf dem Campingplatz nicht. Das Gelände ist möglichst naturnah gestaltet. So als ob man sein Lager mitten im Wald aufgeschlagen hat. Neben dem Neubau und der Umgestaltung der Plätze mussten sie die Technik zum Laufen bringen und die Bürokratie eines Campingplatzes verstehen.

Um diese ständig neuen Herausforderungen zu meistern, haben sie sich in den vergangenen Jahren vieles neu beigebracht. "Früher bin ich nie Bagger gefahren. Im Sandkasten war das letzte Mal", sagt Steffen. "Aber für mich bedeutet es Freiheit, mir immer mehr selbst helfen zu können." Auch die positiven Rückmeldungen ihrer Gäste beflügeln sie.

Steffen Lorenz: "Es fühlt sich nicht wie Aussteigen an."

Trotzdem – ein Campingplatz zu führen, ist viel Arbeit. Ist der Traum vom Aussteigen also doch nicht Wirklichkeit geworden? "Es fühlt sich nicht wie Aussteigen an. Eher wie extrem Einsteigen."

Ein neues Hamsterrad sei der Campingplatz aber nicht, sagt Steffen: "Es ist zwar nicht einfacher – aber definitiv spannender. Und ich fühle mich viel freier." Steffen schippt den letzten Rest Erde an den Stein, der nur noch zur Hälfte aus dem Boden ragt. Er findet, der Campingplatz ist eher ein riesiges Hamsterauslaufgehege.

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