"Demokratie ist nicht Konsens. Demokratie, das ist Streit, Diskurs und das Aushalten anderer Meinungen. Allerdings: Die Spielregeln in dieser Auseinandersetzung müssen demokratisch sein", sagt Ahmad Mansour. Er ist israelisch-deutscher Psychologe und aktiv in der Extremismus-Prävention. Und einer von insgesamt sieben Expertinnen und Experten, die zu Gast sind bei einer gemeinsamen Anhörung von drei Landtags-Ausschüssen. Die Abgeordneten wollen sich Input geben lassen, wie Demokratiebildung funktionieren kann.
Dahin gehen, wo die Jungen sind
Mansour setzt stark darauf, die Debattenkultur vor allem bei Kindern und Jugendlichen zu fördern. Außerdem sei es für alle Akteure, die Demokratiebildung betreiben wollen, unerlässlich, dorthin zu gehen, "wo die jungen Menschen sind. Gehen Sie in die sozialen Medien! Seien Sie präsent." Seinen Worten nach ist die Lage dramatisch.
"Früher haben Sie die Süddeutsche gelesen. Alle, die das gemacht haben, haben das Gleiche gelesen. Die politische Bildung war für alle gleich." Heute finde man in den Sozialen Medien Milliarden unterschiedlicher Feeds, alle möglichen Meinungen würden kommuniziert. Jeder könne sich in seiner Bubble bestätigen lassen. Umso wichtiger, findet Mansour, dass alle öffentliche Person in sozialen Netzwerken präsent sind. "Wir müssen ein Gegennarrativ schaffen zu den Populisten. Wir müssen um Kopf und Herz der Menschen kämpfen." Den Rückzug von bestimmten Plattformen "halte ich für falsch".
"Die Menschen mitnehmen"
Einig sind sich die Experten, dass Demokratiebildung nur dann funktionieren kann, wenn die Menschen merkten "Ich werde gehört!". Laut Bayerischem Jugendring fühlen sich fast 80 Prozent der jungen Menschen von der Politik nicht wahrgenommen. Gebe man ihnen aber das Gefühl, dass ihre Meinung zähle, wecke man großes Interesse an Demokratie.
Jugendring-Präsident Philipp Seitz berichtet von seinen eigenen Erfahrungen. Als Jugendlicher habe er sich in seiner Heimatstadt für Nachtbusse und Trinkwasserbrunnen eingesetzt. Als dies umgesetzt wurde, habe er gemerkt, was Demokratie bewirken könne.
Demokratie sei viel mehr als ein Verfahren. Es sei eine Lebensform, im Alltag gelebt, sagt Eva Feldmann-Wojtachnia, vom Centrum für angewandte Politikforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Auch sie sagt, Partizipation, also Mitmachen, ohne das geht es nicht. "Wir sehen die Bereitschaft sich zu engagieren, wenn man wirklich teilhaben kann."
Demokratiebildung schon im Kita-Alter
Stefan Rappenglück, Vorsitzender des Landesverbands Bayern der Deutschen Vereinigung für politische Bildung, appelliert, Demokratiebildung möglichst früh zu beginnen. Schon im Kita-Alter sei das möglich. Spielerisch, etwa durch den Besuch beim Bürgermeister.
"Wie kommen wir an die Menschen ran?", diese Frage treibt auch Rupert Grübel, Direktor der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit um. Zwar erreiche seine Behörde eine Million Menschen im Jahr. "Bei 13 Millionen Bayern bedeutet das aber auch, dass wir an zwölf Millionen Menschen nicht rankommen." Zum ersten Mal sei die Landeszentrale dieses Jahr beim Festival "Rock im Park" mit einem Stand vertreten. Zudem gebe es im ehemaligen Gasteig in München ein Ladenlokal.
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