Dieser Nachmittag war so nicht geplant. In einer Sondersitzung kommen Abgeordnete aus mehreren Ausschüssen zusammen. Es geht um die Frage, ob sie einen Rechtsradikalen als Sachverständigen in den Landtag einladen. Für den morgigen Donnerstag ist eine Anhörung zum Thema "Demokratiebildung in Bayern" geplant. Eigentlich stand dafür schon alles fest, die Einladungen an die Sachverständigen waren geschrieben, die Tagesordnung online.
Doch dann nominierte die AfD-Fraktion kurzfristig einen weiteren Sachverständigen: den Publizisten Götz Kubitschek. Seinen Verlag "Antaios" führt das Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch, genau wie das von ihm gegründete "Institut für Staatspolitik" (IfS) bis zu dessen formeller Auflösung 2024.
Widerstand vieler Abgeordneter gegen Kubitschek
Dieser Mann als Experte für Demokratiebildung? Für viele Landtagsabgeordnete nicht hinnehmbar. Deswegen stimmten sie heute in der Sondersitzung über die Liste der Sachverständigen ab. Nach gut 30 Minuten war das Ergebnis da: Kubitschek wird nicht als Sachverständiger geladen. Ute Eiling-Hütig (CSU), Vorsitzende des Bildungsausschusses, sagt nach der Sondersitzung: "Wir haben es durchaus als Provokation empfunden, gerade weil die Anhörung morgen zum Thema Demokratie und politische Bildung geht." Man könne nicht jemanden auf ein Podium nehmen, "der zutiefst undemokratisch daherkommt".
Ihre Parteikollegin Petra Guttenberger, Vorsitzende des Verfassungsausschusses, fügt hinzu, es sei das gute Recht einer Fraktion, einen bestimmten Experten vorzuschlagen, "aber es ist auch das gute Recht eines Ausschusses, sich anders zu entscheiden". Sie sehe "keinen Grund, einen Feind unserer Verfassung, einen Rechtsextremisten, ins Parlament einzuladen", erklärt die SPD-Abgeordnete Doris Rauscher, Vorsitzende des Sozial-Ausschusses. Und Gabriele Triebel (Grüne), stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, spricht von einer "genau kalkulierten Grenzüberschreitung der AfD-Fraktion im Landtag".
Götz Kubitschek bestätigte dem BR, dass er "vor einigen Tagen von der AfD eingeladen" wurde. Die Tatsache, dass seine Nominierung als Sachverständiger infrage gestellt werde, passe "in die Logik der Bekämpfung der Opposition". Den Abgeordneten hätte er in seiner Einlassung mitgegeben, dass sich "Demokratie daran messen lassen muss, wie ihr Umgang mit Opposition ist".
Kubitschek: Ideengeber der extremen Rechten – und der AFD
Kubitschek ist nicht die erste Nominierung der AfD-Fraktion im Landtag, die für Kritik sorgt. Bereits in der Vergangenheit benannte sie umstrittene Experten. Für einige Abgeordnete ist Kubitschek aber noch eine größere Provokation.
Denn er gilt als zentraler Vordenker der Neuen Rechten, deren Ideologie vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft wird. Als ideologischer Mentor Björn Höckes und wichtiger Akteur im extremistischen Netzwerk rund um die AfD wird er für deren Radikalisierung mitverantwortlich gemacht.
Keine Reaktion der AfD-Fraktionsvorsitzenden
In der AfD-Fraktion bewerten einzelne Abgeordnete die Nominierung Kubitscheks kritisch. Er gehöre einer anderen Denkschule an, heißt es etwa. Befürworter hingegen begrüßen die Idee. Kubitscheks Ansichten zum Thema "Demokratiebildung" sollten gehört werden.
Der Fraktionsvorstand der AfD sowie die Vorsitzende Katrin Ebner-Steiner reagierten nicht auf Anfragen des BR.
Verfassungsgerichtshof: Ablehnung bei "sachbezogener Begründung"
Bereits in der Vergangenheit hatte ein Ausschuss einen Experten, den die AfD-Fraktion nominiert hatte, abgelehnt: Philip Stein, Vorsitzender des rechtsextremen Vereins "EinProzent". Die AfD klagte dagegen.
In seiner Entscheidung hielt der Bayerische Verfassungsgerichtshof damals fest, dass die Opposition laut Bayerischer Verfassung "das Recht auf ihrer Stellung entsprechende Wirkungsmöglichkeiten in Parlament und Öffentlichkeit" habe. Aber: Ein Ausschuss könne eine nominierte Person "mit einer sachbezogenen Begründung ablehnen" – insbesondere, "wenn diese einem Verein vorsteht, der vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus eingestuft wird".
Kubitschek dennoch in München
Götz Kubitschek könnte die Anhörung morgen trotz der Ablehnung besuchen. Zwar nicht als Sachverständiger, aber als Gast. In München ist er jedenfalls, wie er sagt.
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