"Mia san 30" – unter diesem Motto verschreibt sich Pfaffenhofen an der Ilm einer neuen Langsamkeit. Das gedrosselte Tempo auf nahezu allen Straßen der Innenstadt soll das Miteinander der verschiedenen Mobilitätsformen fördern.
"Keine unverhältnismäßigen Einschränkungen" für Autofahrer
Das neue Verkehrskonzept legt fest: Radfahrer und Autofahrer teilen sich die Straßen, Gehwege bleiben den Fußgängern überlassen. Das hat der Stadtrat Anfang des Jahres mehrheitlich beschlossen.
Seit April wird die erste und wichtigste Maßnahme umgesetzt: Tempo 30 gilt nun nahezu in der gesamten Innenstadt. Das Konzept setzt darauf, Pfaffenhofen "fußgänger- und fahrradfreundlicher zu machen, ohne den motorisierten Verkehr unverhältnismäßig einzuschränken", betont Bürgermeister Thomas Herker.
Reform der Straßenverkehrsordnung StVO erleichtert Tempo 30
"30 ist das neue 50" steht seit April auf riesigen Transparenten entlang der fünf großen Straßen, die ins Zentrum der Stadt führen – und auf den offiziellen Verkehrszeichen. Dabei schreibt die Straßenverkehrsordnung (StVO) bundesweit nach wie vor in Ortschaften eine Regelgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern vor. Daran hat auch die jüngste Reform nichts geändert. Neue Möglichkeiten, Tempo 30 streckenweise einzuführen, schöpft Pfaffenhofen bis zum Anschlag aus.
Größere Lückenschlüsse zwischen Schulen und Zebrastreifen
Unterstützung bei diesem "Kunstgriff" hat sich die Stadt bei Rechtsanwalt Olaf Dilling geholt. Der Berliner Jurist ist auf Verkehrsrecht spezialisiert und hat in Pfaffenhofen "größere Lückenschlüsse zwischen vorhandenen Tempo 30-Abschnitten" erreicht. Als Tempo-30-Abschnitte bezeichnet er die 300-Meter-Zonen vor Schulen, Kindergärten, Seniorenheimen, Krankenhäusern oder Zebrastreifen. Liegen zwischen zwei dieser Bereiche maximal 500 Meter, kann die Tempo-30-Lücke geschlossen werden. Das hat Anwalt Dilling für nahezu die gesamte Pfaffenhofener Innenstadt geschafft.
Pfaffenhofen ist "keine Blaupause für andere Städte"
Eine Blaupause für andere Städte sei das aber nicht, betont der Jurist. Hier komme es immer auf die individuellen Gegebenheiten an. Pfaffenhofen sei in der günstigen Lage, dass die Innenstadt klein sei und die Kitas, Schulen und Seniorenheime so gut verteilt seien, freut sich der Bürgermeister.
Auf Großstädte lässt sich das Pfaffenhofener Modell "leider auf keinen Fall" übertragen, bedauert ein Sprecher des bayerischen Städtetags. Er moniert, "dass die StVO den Kommunen nicht die Möglichkeit gibt, frei darüber zu entscheiden, auf welchen ihrer Straßen sie Tempo 30 anordnen". In der Initiative "Lebenswerte Städte" hatten sich über 1.100 Städte für Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen eingesetzt.
ADAC-Umfrage gegen generelles Tempo 30, Pfaffenhofener dafür
Anders sieht das der ADAC: Der Autolobby-Verein will mit Blick auf den Verkehrsfluss an der aktuellen innerstädtischen Regelgeschwindigkeit festhalten. Er verweist darauf, dass sich die Mehrheit der Bürger keinen "Freibrief" für Tempo 30 in Städten wünsche. Das habe eine "repräsentative bundesweite Umfrage des ADAC (externer Link) zum Verkehrswandel unter 2000 Personen im Herbst 2022" ergeben.
Anderer Meinung sind die Bürger in Pfaffenhofen. Laut einer Befragung vom Juni 2024 befürwortetet eine knappe Mehrheit Tempo 30. Rund 39 Prozent sprachen sich dagegen aus. Der hohe Zustimmungsgrad könnte an der intensiven Bürgerbeteiligung rund um das Verkehrskonzept liegen.
Schwachstellen in Pfaffenhofen: Kontrolle und Umgehungsstraße
Natürlich gibt es auch in Pfaffenhofen Kritik am neuen Verkehrskonzept. Viele Bürger fragen sich, ob die Geschwindigkeitsbeschränkungen ausreichend kontrolliert werden. Denn Schwellen oder andere Hindernisse plant die Stadt vorerst nicht. Bürgermeister Herker setzt auf den Zweckverband kommunale Verkehrsüberwachung Südostbayern. Als Mitglied hat Pfaffenhofen im Monat ein 20-Stunden-Kontingent an mobilen Geschwindigkeitsmessungen.
Die Folgen der beruhigten Innenstadt spüren zudem Pendler im Außenbereich der Stadt. Dort staut es sich noch mehr als bisher schon, denn die Umgehungsstraße rund um Pfaffenhofen ist noch lange nicht fertig. Seit 30 Jahren fehlt ein Stück Südumgehung – und das wird laut Bürgermeister noch mindestens zehn Jahre so bleiben.
Nächstes Projekt in Pfaffenhofen: Fahrradstraßen in Schulnähe
Unverdrossen arbeitet die Stadt an ihren nächsten Maßnahmen: damit die Mädchen und Buben sicher mit dem Rad zur Schule kommen, will sie die wichtigsten Schulwege als Fahrradstraßen ausweisen. Ab dem Sommer müssen sich Autofahrer dem Radverkehr unterordnen.
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