Überflutete Straßen, ein Haus steht inmitten der Fluten
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Das Juni-Hochwasser im vergangenen Jahr traf weite Teile Schwabens und Oberbayerns schwer.

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Ein Jahr Hochwasser-Katastrophe: Wie sieht es vor Ort aus?

Ein Jahr Hochwasser-Katastrophe: Wie sieht es vor Ort aus?

Vor einem Jahr kam das Wasser – und überschwemmte weite Teile Schwabens und Oberbayerns. Es gab Tote, viele Menschen verloren ihr Zuhause und ihre Existenz. Wie geht es den Betroffenen dort ein Jahr danach?

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Mit schwarzer Farbe ist im Treppenhaus im Pflegeheim St. Georg in Schrobenhausen noch immer der Wasserstand markiert. Das soll auch so bleiben. Der gesamte Keller der Einrichtung ist im vergangenen Juni vollgelaufen. Das Wasser hat die Fahrstühle, Heizung, Elektronik, Kühl- und Waschräume zerstört. Der Schaden: über zwei Millionen Euro. Die Bewohner waren über drei Monate in einem anderen Heim untergebracht. "Das allermeiste funktioniert jetzt wieder. Wir müssen noch das Lager aufbauen, Ersatzbetten, die hier gelagert waren zum Beispiel", meint Heimleiterin Katrin Antoncic.

"Wir waren wie im Exil"

Das vergangene Jahr war schwer – für die Heimbewohner und für das Personal. In der Nacht, als das Wasser immer höher stieg, mussten die alten und pflegebedürftigen Menschen evakuiert werden. Dicht gedrängt auf einem Unimog haben die Helfer vom Technischen Hilfswerk sie in Sicherheit gebracht. "Diese Evakuierung, das hat mich an 1945 erinnert. Ich habe Flucht und Bombenangriffe miterlebt. So ähnlich war das", erzählt der 92-jährige Hans-Joachim Pittius.

Zunächst waren alle auf unterschiedliche Heime verteilt, dann kamen die rund 90 Bewohner in ein Heim in Großmehring, gut eine halbe Stunde entfernt. Das Pflegepersonal hatte deutlich längere Wege, doch keiner sei abgesprungen, erzählt Leiterin Antoncic. Heimbewohner Hans-Joachim Pittius fühlte sich gut aufgehoben, dennoch: "Wir waren halt nicht zu Hause. Es war wie im Exil."

Hochwasserschutz verstärkt

Den Abschluss einer Elementarversicherung prüft die Heimleitung gerade. Es ist fraglich, ob sie diese bekommen wird. Aber sie haben auch selbst vorgesorgt. Der Raum, in dem die Elektronik untergebracht ist, ist extra verstärkt.

Alle Ersparnisse weg

Anhaltenden Regen beobachten viele in der Region mit einem mulmigen Gefühl, so auch im schwäbischen Wertingen. Auch dort haben die Menschen Angst vor dem nächsten Hochwasser, darunter das Ehepaar Groß.

Ein Leben lang haben Josefine Groß und ihr Ehemann gespart. Das ist jetzt alles weg. Zwei Bausparer sind für die Renovierungsarbeiten draufgegangen – und das, obwohl die 67-Jährige und ihr ein Jahr älterer Mann fast alles selbst gemacht haben. Monatelang haben sie geschuftet, um ihr Haus wieder schön herzurichten. Wäre da nicht die Angst, dass das Wasser wiederkommt. "Noch einmal will ich das nicht erleben", sagt Groß. Wenn sie zurückdenkt, wie es war, als das Wasser immer weiter stieg und schließlich über die Treppen der Terrasse ins Haus lief, läuft es ihr kalt den Rücken hinunter.

Dazu kam das Öl. Viele Öltanks hielten dem Wasserdruck nicht Stand. Und auch ihre eigene Ölheizung lief aus. Inzwischen haben sie eine Gasheizung. "Aber es riecht noch immer", sagt Josefine Groß. Der Ölgeruch überall im Haus erinnert sie daran, was passiert ist vor einem Jahr. Als sie nur zehn Minuten Zeit hatte, um ein paar Sachen zusammenzupacken, sich den Hund unter den Arm geklemmt hat und zusammen mit ihrem Mann in ein Boot stieg, um evakuiert zu werden.

Wertingen 365 Tage später: Nichts passiert

Was ihr Angst macht: Würde heute ein Hochwasser kommen wie vor etwa einem Jahr, wären die Auswirkungen wohl die gleichen. Das bestätigt der Wertinger Bürgermeister Willy Lehmeier (FW): "Es ist schwierig, bitter und frustrierend für alle Beteiligten – aber, und das ist das Schlimme, nach 365 Tagen ist nichts passiert". Dabei gibt es Pläne. Seit 2017 liegt eine Machbarkeitsstudie vor, wie die Stadt Wertingen vor Hochwasser besser geschützt werden könnte.

Wegen Personalmangels im Donauwörther Wasserwirtschaftsamt wurde allerdings noch nichts umgesetzt, sagt der Bürgermeister. Man sei jetzt im vordringlichen Bedarf, heißt es aus dem Umweltministerium, man arbeite an den Planungen, so das Wasserwirtschaftsamt.

Bürgermeister Lehmeier fordert mehr Befugnisse für die Städte und Kommunen: "Wir wissen, was zu tun ist. Heute, wenn ich dürfte, könnte der Bagger kommen und etwa die Sohle des Zusamkanals ausbaggern, um mehr Platz für Wasser zu schaffen", sagt er. Das aber darf nur das Wasserwirtschaftsamt.

Denn: Sei nicht alles einwandfrei berechnet und geprüft, drohten dem Freistaat Schadenersatzzahlungen, so Wasserwirtschaftsamtsleiterin Gudrun Seidl. Die Betroffenen in Wertingen hoffen also bei jedem Regen, dass nicht zu viel Wasser kommt.

Babenhausen: Erst rund 40 Prozent renoviert

Weiter südlich, im Unterallgäuer Babenhausen, mussten vor einem Jahr rund 140 Menschen unter anderem mit Booten aus ihren Häusern evakuiert werden. Teilweise können sie noch immer nicht zurück. Handwerker seien aufgrund der vielen beschädigten Gebäude schwer zu bekommen, berichten Betroffene.

"Wir stehen bei 30, 40 Prozent der Schadensbewältigung", sagt Babenhausens Bürgermeister Otto Göppel (CSU). Seine Gemeinde ist unter anderem mit der Sanierung eines Kindergartens beschäftigt. Kostenpunkt: Rund zwei Millionen Euro. Auch hier dauere es, bis Fördergelder fließen und Genehmigungen da sind.

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Thorsten Glauber im Interview
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Umweltminister Thorsten Glauber im Gespräch mit dem BR

Juni-Hochwasser: Nie dagewesene Pegelstände

Das Hochwasser im vergangenen Jahr überschritt mancherorts die Marke zum hundertjährlichen Hochwasser. Beispielsweise wurden an südlichen Zuflüssen der Donau Rekordpegelstände verzeichnet: in Lauben an der Günz mit 264 cm der höchste je gemessene Wert.

Wenige Kilometer weiter flussabwärts hat das Wasser der Günz dann große Teile von Babenhausen überflutet, in mehr als 500 Gebäuden stand das Wasser teils mehr als einen Meter hoch. Die Menschen fordern in allen betroffenen Gebieten einen schnellen und effektiven Hochwasserschutz.

Rückhaltebecken im Bau

Bei Frechenrieden im südlichen Unterallgäu laufen die Arbeiten am dritten von fünf geplanten Hochwasserrückhaltebecken im Günztal. 45 Hektar Fläche könnten dort auf bis zu sieben Meter Höhe überflutet werden. Das soll vor einem Hochwasser schützen, wie es statistisch alle 100 Jahre auftritt. Doch reicht dieser Richtwert noch aus? Im vergangenen Jahr wurde Babenhausen von der eineinhalbfachen Menge Wasser eines hundertjährlichen Hochwassers geflutet.

"Wir werden mit Sicherheit häufiger extreme Hochwasserereignisse bekommen", sagt Stefanie Kienle vom Wasserwirtschaftsamt Kempten. Doch die Rückhaltebecken daran anzupassen, ist kompliziert. Grund seien fehlende Flächen und die Kosten. Schon jetzt kostet jedes der fünf Rückhaltebecken an der Günz jeweils um die 15 Millionen Euro.

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