Ministranten (Symbolbild)
Ministranten (Symbolbild)
Bild
Auch im Umfeld der Ministrantenarbeit kam es im Bistum Passau zu sexuellem Missbrauch. (Symbolbild)
Bildrechte: picture alliance / Geisler-Fotopress | Peter Back/Geisler-Fotopress
Schlagwörter
Bildrechte: picture alliance / Geisler-Fotopress | Peter Back/Geisler-Fotopress
Videobeitrag

Auch im Umfeld der Ministrantenarbeit kam es im Bistum Passau zu sexuellem Missbrauch. (Symbolbild)

Videobeitrag
>

Bistum Passau: Eine Missbrauchsstudie, die "Abscheu" hinterlässt

Bistum Passau: Eine Missbrauchsstudie, die "Abscheu" hinterlässt

Nicht nur innerkirchliche Strukturen haben den Missbrauch im Bistum Passau ermöglicht. Auch ein Umfeld, in dem weder Lehrer, Polizisten, Ehrenamtliche noch Familien den Betroffenen glaubten, trug zu jahrzehntelangem Missbrauch und Vertuschen bei.

Über dieses Thema berichtet: BR24 TV am .

Josef Csuk steht vor dem Dom in Passau. Mit der Kirche verbindet der heute 73-Jährige auch eine Leidensgeschichte. Als Baby kam Josef Csuk in ein Passauer Waisenhaus, mit acht Jahren dann zu den Mallersdorfer Schwestern im Bistum Regensburg. Dort wurde er dann als Elfjähriger erstmals missbraucht.

Heute ist er stellvertretender Sprecher des Betroffenenbeirats im Bistum Passau und kämpft für die Aufarbeitung des Leids, das er und viele andere in ihrer Kindheit und Jugendzeit im Umfeld der katholischen Kirche erlebt haben.

Gesellschaftliches Milieu schützte die Täter

Die nun veröffentlichte Missbrauchsstudie des Bistums Passau soll ein weiterer Schritt Richtung Aufarbeitung sein und dabei helfen, die Präventionsarbeit zu verbessern. Die Studie beschreibt, wie Bischöfe und Generalvikare Jahrzehnte "nach Gutdünken" mit Missbrauchsvorwürfen umgegangen sind. Erst vor rund 25 Jahren habe ein Wandel eingesetzt.

Die Studie beschreibt aber auch gesellschaftliche Strukturen, die dazu geführt hätten, dass häufiger den Beschuldigten als den Betroffenen geglaubt wurde. "Früher war ja das Schlimme, dass die Familien zu Hause immer gemeint haben, das Opfer lügt und die Kirche und die Geistlichkeit – die war ja so hoch droben – die durfte man ja nie kritisieren. Auch in den Familien war das ein Tabu", erinnert sich Josef Csuk. Dass sich die Studie auch damit beschäftigt, zeigt laut Josef Csuk deren Qualität.

Lehrer und Polizisten griffen selten ein

Je niedriger der soziale Stand eines betroffenen Kindes, umso häufiger wurde ihm nicht geglaubt – selbst wenn es sich jemandem anvertraute. Die Studie beschreibt auch, wie aus Heimen Betroffene flüchteten, jedoch von der Dorfgemeinschaft gemeldet und durch die Polizei wieder zurückgebracht wurden. Diese sahen "zwar durchaus das Leid der Kinder", griffen aber nicht ein. Auch Lehrer, denen Kinder von sexuellem Missbrauch und Gewalt berichteten, blieben oft untätig.

Die Studie hinterlasse "an der einen oder anderen Stelle tatsächlich Abscheu", sagt Guido Pollak, Vorsitzender der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Passau. "Was mich betroffen gemacht hat, ist die immense Rolle von 'Bystandern'. Und das ist wirklich das Neue, die wissenschaftliche Erkenntnis der Studie." Laut Pollak zeigt die Studie, dass der Missbrauch nicht nur "innerkirchliche, systemische Bedingungen" habe, wie "Priesterbild, Amtsverständnis, unhinterfragte Autorität des Priesters".

Bischöfe standen zu verurteilten Priestern

Gerade im ländlich-katholischen Milieus spielen laut Pollak die "Bystander" eine entscheidende Rolle, weshalb Betroffenen lange nicht geholfen wurde. "Bystander" sind Personen, die Missbrauch mitbekommen, aber nichts dagegen unternehmen und damit den Beschuldigten schützen. In der Passauer Studie werden etwa Fälle geschildert, in denen Kirchenmitarbeiter oder Pfarrhaushälterinnen von Missbrauch wussten, ohne eingegriffen zu haben.

Auch Bischöfe standen weiterhin zu verurteilten Priestern, besuchten manche im Gefängnis und verhinderten, dass sie nach der Entlassung einen Bewährungshelfer bekommen hätten. Ein Bischof hat für einen verurteilten Sexualstraftäter und Priester persönlich eine Wohnung angemietet, in der dieser nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wohnen konnte.

Missbrauch fand über Jahrzehnte statt

Laut der Studie missbrauchten beschuldigte Priester im Bistum Passau in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg im Schnitt 20 Jahre lang, bevor eingeschritten wurde. Die Zeit zwischen Erst- und Letzttat hat sich bei jüngeren Fällen auf zehn bis elf Jahre reduziert.

Für Josef Csuk zeigt die Studie aber auch, was in der Vergangenheit schon erreicht wurde, und, dass "intensiv gearbeitet worden ist, für uns und für die Kirchen". Mit Blick auf das Bistum und ihre Verantwortlichen meint Csuk: "Sie wollen in sich selbst etwas ändern, das ist entscheidend, aber was noch wichtiger wäre: Auch die Betroffenen müssen endlich richtig entschädigt werden, das fehlt."

Bei mutmaßlichen weltgeistlichen Tätern (Priestern des Bistums) spricht die Studie lediglich von elf Prozent der Betroffenen, die einen Antrag auf Anerkennungsleistungen gestellt hätten, bei den Ordensgeistlichen seien es 42 Prozent.

Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, aber auch Menschen, die Fragen zu Missbrauch und sexualisierter Gewalt haben und Orientierung brauchen, können sich an die Bayerische Anlaufstelle für Opfer von Missbrauch und sexualisierter Gewalt wenden: 089 88988-922. Außerhalb der Geschäftszeiten können sich Betroffene auch an den allgemeinen Krisendienst in Bayern wenden unter 0800 655-3000.

Das bundesweite Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch, bei der Unabhängigen Beauftragten gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, ist die Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige sowie Personen aus dem sozialen Umfeld von Kindern, für Fachkräfte und für alle Interessierten: 0800 22 55 530

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Sie interessieren sich für Religion, Kirche, Glaube, Spiritualität oder ethische Fragen? Dann abonnieren Sie den Newsletter der Fachredaktion Religion und Orientierung.