Samstagmorgen, kurz nach neun. Teresa Geßner hebt ihre sechsjährige Tochter Magdalena aus dem Auto. Sie kann nicht ohne Unterstützung laufen. Währenddessen lädt Teresas Mann Michael Magdalenas Buggy, ihre Laufhilfe und eine große Tasche gefüllt mit Utensilien für Magdalenas Versorgung aus dem Kofferraum. Voll bepackt bringen die beiden Magdalena zu den "Dachskindern" – einem Verein in Meitingen bei Augsburg. Währenddessen piepst ununterbrochen Magdalenas Pumpe. Die befördert über einen Schlauch flüssige Nahrung durch ein kleines Loch in ihrem Bauch, direkt in ihren Magen. Diese Pumpe wird heute immer wieder piepsen.
Fast alle pflegenden Eltern überfordert
Teresa braucht nur ein paar Handgriffe, und dann hört das Piepsen auf. Denn normalerweise pflegt sie Magdalena zu Hause in Augsburg. Als Mutter wisse sie am besten, was ihre Tochter brauche. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht sagt sie: "Wir kennen uns schließlich seit sechs Jahren." Magdalena ist eine von rund 270.000 pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen in Deutschland. In neun von zehn Fällen werden diese laut Bundesgesundheitsministerium alleine von Angehörigen versorgt. 95 Prozent der pflegenden Eltern fühlen sich damit laut Kinderpflegestudie 2023 zumindest teilweise überfordert. Der Großteil von ihnen wünscht sich Entlastung zum Beispiel durch Kurzzeit- oder Tagespflege. Ein solches Entlastungsangebot gibt es in Meitingen bei Augsburg.
Ein Tag im Monat Pause durch die "Dachskinder"
Der Verein "Dachskinder" verschafft Eltern pflegebedürftiger Kinder einen Samstag im Monat rund acht Stunden Freizeit – auch Familie Geßner. Weil Magdalena heute versorgt wird, können Teresa und Michael etwas gemeinsam unternehmen. Sie gehen Kartfahren. Während pflegende Eltern Zeit zu zweit, alleine oder mit den Geschwisterkindern haben, betreuen bei den Dachskindern sowohl Erzieherinnen als auch Pflegerinnen. Das ist auch nötig, denn Kinder wie Magdalena brauchen neben der pädagogischen Betreuung auch pflegerisches Fachpersonal. Viermal am Tag bekommt Magdalena über ihre Pumpe Nahrung. Dazwischen "trinkt" sie mit einer Spritze immer wieder kleine Dosen Tee. Es gibt also viel zu beachten.
Pflege und Pädagogik für eine passende Betreuung
Für Magdalena ist heute Sandra Meister zuständig. Sie leitet die Samstagsbetreuung der Dachskinder und ist Erzieherin. Meister spielt mit Magdalena: mit bunten Tüchern und raschelndem Papier. Am Nachmittag wird sogar noch gefilzt. Weil Magdalena nicht so gut sehen kann, achtet die Betreuerin darauf, dass die Spielzeuge sich besonders anfühlen oder Geräusche machen. Bei pflegerischen Aufgaben zieht sie Angela Jerabeck hinzu. Sie ist Vorständin des Dachskinder e.V. und erfahrene Kinderkrankenschwester. Als Magdalenas Pumpe wieder piepst, weiß Jerabeck sofort, was zu tun ist, und bringt sie wieder zum Laufen.
Motivation ist Entlastung der Eltern
Seit Februar 2025 gibt es die Samstagsbetreuung der Dachskinder. Die Idee sei aber schon fast 20 Jahre alt, sagt Angela Jerabeck. Damals hat sie noch im ambulanten Kinderkrankenpflegedienst gearbeitet und dort schwerstmehrfachbehinderte, schwerkranke und sterbende Kinder begleitet. "Die Eltern haben die Tür aufgemacht, und wir haben oft in traurige, erschöpfte und weinende Gesichter geschaut", erzählt sie. Eine Motivation für sie sei bis heute, die Eltern zu entlasten. Besonders die Tages- und Kurzzeitpflege könne Eltern helfen. Die Nachfrage nach der Samstagsbetreuung ist seit Anfang des Jahres stetig gestiegen.
Zweiter Samstag im Monat: Nur mit Spenden möglich
Anfangs waren maximal sechs Kinder in der Betreuung, inzwischen sind es knapp zehn. Die Initiative aus Meitingen bei Augsburg überlegt, einen zweiten Samstag im Monat anzubieten. Momentan ist eine Fachkraft maximal für zwei Kinder verantwortlich und das wollen die Dachskinder auch beibehalten. Doch weil die Budgets der Eltern bei der Pflegekasse nicht ausreichen, finanziert sich die Samstagsbetreuung zur Hälfte durch Spendengelder.
Kurz nach 17 Uhr kommen dann auch die Eltern Teresa und Michael strahlend zur Tür herein. Teresa war "konstant Letzte" beim Kartfahren, berichtet sie, aber sie hat "eine Genussfahrt" gemacht. Auch nächsten Monat wollen die Geßners Magdalena wieder zu den Dachskindern bringen, um erneut einen Tag Pause zu haben.
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