In den Fokus rücken Stromtrassen meist nur, wenn sie neu gebaut werden. Dabei spielen auch die bestehenden Leitungen eine wichtige Rolle. Dass sie funktionieren, ist für die Netzstabilität von essenzieller Bedeutung. Deshalb müssen die Hochspannungsleitungen regelmäßig kontrolliert werden. Das geschieht meist von einem Hubschrauber aus.
Während die Trassen früher auf Sicht überprüft wurden, kommt mittlerweile immer häufiger künstliche Intelligenz zum Einsatz. In Erlangen wertet ein KI-Programm von Siemens Energy viele Millionen Daten aus – und erkennt Schäden und Gefahren für Stromleitungen automatisch.
Knapp 30 Kameras, Sensoren und Laser
Damit die künstliche Intelligenz bei der Kontrolle des Stromnetzes zum Einsatz kommen kann, braucht es erst einmal viele Daten. Die kommen von knapp 30 Kameras, UV- und Infrarot-Sensoren sowie Lasern. In einem Technik-Block zusammengepackt, werden die hochsensiblen Gerätschaften außen an einem Helikopter montiert.
Dann fliegt der Hubschrauber die Stromleitungen ab. Einmal links der Trasse, einmal rechts. Jeden Kilometer Stromleitung dokumentieren die Kameras und Sensoren mit 12.000 Bildern, sagt der technische Projektleiter bei Siemens Energy, Karim Abdallah. Aufgenommen wird nicht nur der Zustand der Hochspannungstrasse mit eventuellen Beschädigungen – sondern auch die unmittelbare Umgebung, etwa die Vegetation.
Stromleitungs-Kontrolle per Helikopter
Die Kontrolle von Stromtrassen mit Hubschrauber-Flügen ist nicht neu. Es ist die Technik, die die Überprüfung auf ein neues Level hebt. Früher wurden die Leitungen vom Helikopter aus auf Sicht in Augenschein genommen. Teils auch mithilfe eines Fernrohrs oder Fernglases. Vogelnester zu erkennen, ist so in der Regel kein Problem. Wenn es um kleinere Schäden an Isolatoren geht oder um fehlende Bolzen an Strommasten, bedarf es dagegen schon eines genaueren Blicks.
Vom Hubschrauber aus aufgenommene Fotos könnte man auch ohne KI analysieren, sagt Flugteam-Leiter Haris Balta. Für eine eingehende Analyse eines einzelnes Bild benötigt ein Experte aber zwischen 60 und 90 Sekunden. Das KI-Programm schaffe die Flut vieler hunderttausender Aufnahmen der Kameras und Sensoren dagegen in wenigen Stunden.
Massive Zeit- und Kostenersparnis
Die Nutzung von KI ermöglicht nicht nur die Analyse viel größerer und genauerer Daten – sie macht die Kontrolle der Stromnetze auch deutlich effizienter. Der Arbeitsaufwand durch Fachkräfte reduziert sich um etwa 40 Prozent, schätzt Balta.
Dazu kommt der finanzielle Vorteil. Durch die automatisierten Vorgänge verringern sich die Kosten ebenfalls massiv: um etwa 60 Prozent. Vorteile, die auch die Stromnetzbetreiber zunehmend erkennen. Drei Helikopter zur Stromleitungs-Kontrolle hat Siemens Energy bundesweit im Einsatz. Sie sind für die kommenden zwei Jahre komplett ausgebucht.
KI ermöglicht genauere Ergebnisse und Prognosen
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz geht noch über die Kosten- und Arbeitszeitreduzierung hinaus. Die Kameras und Sensoren nehmen auch Daten auf, die bei der manuellen Kontrolle gar nicht erfasst wurden: das Umfeld der Hochspannungsleitung und die angrenzende Vegetation.
So kann etwa durch die Technik zentimetergenau bestimmt werden, wie weit ein Baum von einer Leitung entfernt ist. Wenn die Wachstumsgeschwindigkeit eingerechnet wird, kann das KI-Programm eine Prognose treffen, wann etwa ein Baum gefällt werden muss, damit er im Falle eines Sturms nicht die Stromleitung beschädigt.
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