Bis Gründonnerstag ist der Klöppel der großen Kirchenglocke von St. Sebald auf einer Seite in ein Lederpolster eingepackt und ist dadurch dumpfer im Klang. Dieser dumpfere Klang soll an den Leidensweg Jesu Christi erinnern, "aufhorchen lassen und zur inneren Einkehr einladen", heißt es von der Gemeinde St. Sebald in Nürnberg. Sie möchte in diesem Jahr an die englische Tradition des "Muffens" anknüpfen, zu Festtagen die Glockenklänge zu dämpfen.
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Gedämpfter Glockenklang aus England
Die Idee zu dieser Klang-Aktion hatte der neue Kantor von St Sebald, Alexander Rebetge. Wie er im Gespräch mit Bayern 1 erklärte, hat er – bevor er nach St. Sebald kam – eine Zeit lang in England gearbeitet. "Dort hat man, wenn man "change ringing" macht, also in Tonleitern oder in verschiedenen Variationen von Hand läutet, die Möglichkeit zu Traueranlässen oder eben auch in der Passionszeit eine Seite oder beide Seiten der Glocken abzudämpfen. Das gibt dann so eine Art Echoeffekt."
Das sogenannte "Muffen" geht auf das englische "to muffle", zu deutsch "dämpfen" zurück. In England wird dieses liturgische Läuten zu stillen Feiertagen wie Karfreitag, dem Volkstrauertag oder bei besonderen Gedenkanlässen eingesetzt.
Karwoche und Ostern klingen unterschiedlich
Um die große Glocke in St. Sebald abzudämpfen, sei schon ein bisschen "Kletterei" nötig gewesen. Im Glockenstuhl wurde der Glocke eine Manschette, eine Art "übergroßer Knieschoner", erstmal über eine Seite gezogen und später über beide, so der Kantor. Denn, am Gründonnerstag wird der Klöppel komplett "gemufft" – mit deutlich dumpferem, ungewohntem Klang. Am Karfreitag schweigen die Glocken, bis sie an Ostern wieder läuten.
Großes Interesse an gedämpften Glocken
Weil dieses Abdämpfen noch ganz neu sei in Nürnberg und wohl auch deutschlandweit, gäbe es auch noch einige "Kinderkrankheiten", die man ausmerzen müsse. Es sei eben das erste Mal in Deutschland, so Alexander Rebetge, dass ein "europäisches Geläut, das eben nicht 180 Grad schwingt, sondern die Glocke eben nur 30 Grad, 40 Grad", das verändere eben auch die Gegebenheiten des Bewegungsmusters der Glocke. Das müsse man noch genau abstimmen, vielleicht auch verbessern. Aber auf jeden Fall stoße die Initiative auf großes Interesse und wurde auch schon bei Turmführungen näher erklärt.
Ausdruck der Trauer und der Freude
Wie Alexander Rebetge ankündigt, soll dieses Dämpfen der Glocken in St. Sebald nicht nur an Ostern durchgeführt werden. Auch am 8. Mai sollen die Glocken zum Jahrestag des Kriegsendes gemufft werden. Dabei sollen die lauten Glockenschläge die Freude zum Ausdruck bringen, dass der Krieg vorbei ist, so der Kantor. Mit den gedämpften Glockenschlägen soll das Bedauern und die Trauer zum Ausdruck gebracht werden, "dass wir leider immer noch Krieg in Europa und in der Ukraine haben. Und auch die Gelegenheit nutzen, hier der Menschen zu gedenken."
Die Glockendämpfung sei auch ein Zeichen an die Gesellschaft: "St Sebald ist ja historisch erwachsen die Ratskirche Nürnbergs und hat damit auch eine gewisse stadtgesellschaftliche Verantwortung und die soll sich dann auch im Geläut wiederfinden", betont der Kantor.
Zum Nachhören:
Die Glocken der Nürnberger Sebalduskirche sind in der Karwoche nur gedämpft zu hören.
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