Dass es ihn ganz und gar nicht nach Berlin zieht, versicherte Markus Söder schon vor 15 Jahren als aufstrebender bayerischer Minister. Nur für das Kanzleramt hätte der CSU-Politiker einen Umzug in Kauf genommen, als Minister will er nicht in die Hauptstadt. Nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen in Berlin zeigt er sich froh, "wieder in Bayern zu sein". Dennoch: Mit Söder wird in Berlin zu rechnen sein.
Schon im Wahlkampf hatte er angekündigt, grundlegend Einfluss auf die Politik einer neuen Bundesregierung nehmen zu wollen - über einen gestärkten Koalitionsausschuss, dort sitze die "Macht". Der jetzt ausgehandelte Koalitionsvertrag sieht monatliche Sitzungen des Ausschusses vor: Er soll Konfliktfälle klären, aber auch über "Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung" beraten. Auch auf Wunsch eines Koalitionspartners soll es Treffen geben. Söder kann also Gespräche durchsetzen, das stärkt seine Rolle.
"Ich werde öfter da sein"
CDU-Chef Friedrich Merz will sich im Mai zum Kanzler wählen lassen, der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil dürfte ein wichtiges Ministeramt übernehmen. Söder kann am Kabinettstisch nur über die CSU-Minister Einfluss nehmen, nicht persönlich. Bei genauerer Betrachtung muss das kein Nachteil sein, im Gegenteil: Im Bundeskabinett hat der Kanzler laut Grundgesetz die "Richtlinienkompetenz", kann bei Differenzen ein Machtwort sprechen.
Im Koalitionsausschuss gilt das nicht, Söder unterliegt daher keiner Kabinettsdisziplin. Er kann als CSU-Vorsitzender auf Augenhöhe mit den Chefs von CDU und SPD verhandeln, ressortübergreifend mitmischen. "Ich werde öfter da sein", verkündete Söder. "Sie werden von mir hören." CSU-Generalsekretär Martin Huber betonte, Söder werde im Koalitionsausschuss eine "starke Rolle" spielen.
"Heimlicher Vizekanzler" oder "Aufsichtsrat"?
Auf "bild.de" war diese Woche in großen Buchstaben zu lesen: "Söder wird der 'heimliche' schwarz-rote Vizekanzler". Der "Münchner Merkur" bezeichnete den Koalitionsausschuss als "Aufpassergremium" für Kanzler und Minister: "In der Wirtschaft würde man das 'Aufsichtsrat' nennen." Doch der CSU-Chef will nicht "heimlicher Vize" sein oder nur aufpassen oder "überwachen", wie es der Aufsichtsrat laut Aktiengesetz tut. Er will gleichberechtigt mitentscheiden, gestalten. Um im Wirtschaftsbild zu bleiben: Er dürfte sich eher als Vorstandsmitglied der Koalition sehen.
Söder selbst zeigte sich im BR24-Interview genervt von dem "Krempel", der ständig geschrieben werde: "Natürlich bringe ich mich ein, um die Interessen sowohl Bayerns und als auch der CSU zu wahren. Aber konstruktiv. Es geht hier nicht um irgendwelche Muskelspiele."
Von Schneizlreuth bis nach Washington
Als Söder 2019 CSU-Chef wurde, regierte zwar die CSU im Bund ebenfalls mit, die Ausgangslage war aber eine andere: Sein Vorgänger Horst Seehofer war eine Art "Superminister" für Innen, Bau und Heimat in Berlin, Söder erst seit wenigen Monaten Ministerpräsident im Freistaat. Zwischen den Rivalen herrschte die Übereinkunft, sich nicht ins Revier des anderen einzumischen. Heute ist Seehofer längst im Ruhestand, die CSU ist voll auf Söder ausgerichtet.
Der Gestaltungsanspruch des Franken geht weit über Bayern und anscheinend sogar Deutschland hinaus: Bei den Koalitionsverhandlungen holte Söder für die CSU neben drei Ministerposten auch einen Staatsminister im Auswärtigen Amt heraus. "Man kann sagen, die CSU ist dann präsent, vom kleinsten Dorf bis zur Uno. Von Schneizlreuth bis nach Washington kann man dann überall die CSU vorfinden. Das gefällt mir." Noch immer absolviert der Ministerpräsident in allen Ecken Bayerns ein immenses Terminpensum. Trotzdem wird ihm schon länger nachgesagt, dass der Freistaat für ihn zu klein geworden sei. Die neue politische Konstellation öffnet ihm zusätzlich die Bundesbühne.
Aiwangers Chance
Das birgt zugleich ein Risiko für die CSU. Je sichtbarer Söder in Berlin wird, desto schwerer wird es, auf Distanz zur Bundespolitik zu gehen und auf die alte CSU-Doppelstrategie "in Berlin dafür, in München dagegen" zu setzen. Das könnte Hubert Aiwanger und seinen zuletzt gebeutelten Freien Wählern in die Hände spielen: Deren Schimpfen auf Berlin böte zugleich die Möglichkeit, sich gegen die CSU in Bayern zu profilieren. Das bedeutet: neues Konfliktpotenzial für Schwarz-Orange in München.
Video: Markus Söder im BR24-Interview
CSU-Chef Markus Söder im BR24-Interview
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