Die bayerischen Jusos lehnen den schwarz-roten Koalitionsvertrag einstimmig ab. Gleichzeitig rufen sie dazu auf, beim SPD-Mitgliederentscheid mit Nein zu stimmen. Den Beschluss fällten die 75 Delegierten heute Mittag bei ihrer zweitägigen Landeskonferenz in Augsburg.
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Im Beschluss heißt es: "In der Gesamtbewertung ist der vorgelegte Koalitionsvertrag nicht geeignet, um die zentralen politischen Fragen und die enorme Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft anzugehen."
Juso-Vorsitzender für Nachverhandlungen
Vor allem die geplanten Verschärfungen bei Migration und Asyl, die die "Abkehr vom Bürgergeld", die "Aufweichung des Acht-Stunden-Tages" und fehlende Reichensteuern sorgten für viel Kritik unter den Mitgliedern. Der Koalitionsvertrag könne außerdem in seiner aktuellen Form "dem Rechtsruck und dem rechtsextremistischen Vormarsch in Deutschland nichts entgegensetzen", sondern würde ihn sogar "in Teilen verstärken, weil zentrale Fragen der Gerechtigkeit nicht gelöst sind", fasst der Vorsitzende der Jusos Bayern, Benedict Lang, zusammen.
Er fordert Nachverhandlungen, falls die Mehrheit der SPD-Mitglieder den Koalitionsvertrag ablehnt. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge hält das für unrealistisch, die Asylvorstellungen der Union könne man höchstens in einer gemeinsamen Regierung abschwächen. "Wenn wir zusammengehen, dann schaffen wir es hoffentlich, die Union zu deradikalisieren in den nächsten vier Jahren", so Wegge. Die Union sei bereits ein bisschen in der finanzpolitischen Realität angekommen, Wegge hofft, das gelte dann auch für andere Bereiche.
Zuvor hatte der Vorsitzende der bayerischen SPD-Bundestagsabgeordneten, Carsten Träger, vergeblich um Zustimmung für den Koalitionsvertrag geworben. Bei aller berechtigten Kritik, "unterm Strich", so Träger, sei dieser "deutlich besser, als die 16 Prozent, die wir bei der Bundestagswahl erreicht haben". Die Zustimmung von CDU und CSU zur Aufhebung der Schuldenbremse und damit zu einer Billion Euro an Investitionen auf Kredit lobt Träger als größten Punkt-Sieg für die Sozialdemokraten.
"Dealbreaker": Bundesweite Kritik von SPD-Jungsozialisten
Derweil regt sich nicht nur in Bayern Widerstand gegen den Koalitionsvertrag: Auch die Jusos aus Schlewsig-Holstein riefen zu einem Nein beim Mitgliederentscheid ihrer Partei auf – sie sprachen von "unsolidarischen migrations-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorhaben" im Koalitionsvertrag. Und auch die Jugendpartei aus weiteren Bundesländern äußerten Kritik an den Plänen der möglichen schwarz-roten Regierung.
Die Vorsitzende des größten Juso-Landesverbands in Nordrhein-Westfalen, Nina Gaedike, sagte so dem "Handelsblatt", die Pläne von Union und SPD gingen in eine Richtung, "die wir nicht gutheißen können". Die Juso-Chefin aus Niedersachsen, Ronja Laemmerhirt, sprach von "Dealbreakern" im Koalitionsvertrag. Für die Berliner Jusos steht schon fest, dass sie die Vereinbarung von Union und SPD ablehnen werden.
"Zu viel geht gegen die Ideen der Sozialdemokratie!", so der Konsens der Jusos. Bei Menschenrechten und grundlegenden Idealen der Sozialdemokratie dürften keine Kompromisse gemacht werden.
Welches Gewicht haben die Stimmen der Jusos?
Der SPD-Fraktions-Chef im Bayerischen Landtag, Holger Grießhammer, ist derweil zuversichtlich, dass der Koalitionsvertrag mit der Union "mit großer Mehrheit", angenommen wird. Zwar sähen die Jusos den Koalitionsvertrag kritisch, nicht aber die SPD-Mitglieder von der "AG 60 plus". Und die Älteren sind in der Bayern-SPD mit ihren insgesamt 48.000 Mitgliedern deutlich in der Mehrheit. Die bayerischen Jusos unter ihrem Vorsitzenden Benedict Lang kommen auf 5.200 Mitglieder.
SPD-Chef Lars Klingbeil sieht dem Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag optimistisch entgegen. Er sei zuversichtlich, dass die Mehrheit der Mitglieder Ja dazu sagen werde, dass die SPD Verantwortung übernehme, sagte er am Sonntagabend in der ARD. Es sei gut, dass die Mitglieder nun in einer demokratischen Entscheidung das Wort hätten. Doch müsse jedem klar sein, welche Alternative es zu einer Koalition der politischen Mitte gebe. Deutschland müsse in unsicheren Zeiten ein Ort der Stabilität sein. Dafür habe man einen "vernünftigen Koalitionsvertrag" vorgelegt.
Die Online-Befragung der bundesweit gut 358.000 SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag beginnt am Dienstag und soll zwei Wochen dauern. Am Mittwoch, dem 30. April, soll dann das Ergebnis verkünden werden.
Mit Informationen von dpa
Kapuzenpulli mit der Aufschrift «Jusos»
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