Am Ende schütteln sich Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze und Erwin Huber, Ex-CSU-Chef, lachend die Hände. Gut eine Stunde lang saßen die beiden Politiker gemeinsam mit Kabarettist Martin Frank beim Frühschoppen. Es ist der Auftakt zur Grünen-Fraktionsklausur. Seine Reaktion auf die Einladung? "Ich war zunächst einmal sehr überrascht und hab mir gedacht, ich muss prüfen, ob das ein Fake ist", sagt Huber. "Dann war ich atemlos und hab eine schwere Gewissensprüfung gemacht. Kann ich denn zu den Grünen gehen?" Die Neugierde habe überwogen, er habe eine "urbane, woke, invasive Art kennenlernen wollen", sagt Huber und zeigt sein typisches Erwin-Huber-Grinsen.
"Demokraten müssen im Gespräch bleiben"
Danach aber wird Huber schnell ernst. Es geht um den Schutz der Demokratie, Angriffe von Populisten. Noch nie sei die Demokratie in Deutschland so gefährdet gewesen wie aktuell, sagt der ehemalige CSU-Politiker. Damit liegt er genau auf einer Wellenlänge mit Schulze. Sie wirbt bei jeder Gelegenheit für den gemeinsamen Kampf der Demokraten. Laut Huber erliegen viele Politiker der Versuchung, Applaus im Bierzelt zu bekommen, "und nicht das zu sagen, was wichtig ist".
Demokraten müssten miteinander im Gespräch bleiben. Ein Lernprozess, den der ehemalige CSU-Chef, der gerade sein Philosophie-Studium abgeschlossen hat, auch für sich selbst in Anspruch nimmt. Er habe früher "bestimmt manches Arges über die Grünen gesagt", was er heute nicht mehr sagen würde. Sein Studium habe seinen Blick geweitet, ihm "Scheuklappen abgenommen", toleranter sei er geworden, sagt Huber.
Stammtische sind "Brutstätten von Radikalität"
Schulze fragt: "Wo aber sind die Plätze, an denen heute noch Meinungen ausgetauscht werden, wo diskutiert wird?" Sie bedauert, dass immer mehr Wirtshäuser schließen, die klassischen Stammtische nicht mehr so zahlreich seien. Widerspruch von Huber. Von einem Granden der CSU, von der Partei, die einst die "Lufthoheit über die Stammtische" für sich beansprucht hat. Ausgerechnet er warnt vor den heutigen Stammtischen. Was dort mittlerweile geredet werde, hält er für "Brutstätten von Radikalität und Populismus". Wichtig sei, dass an Stammtischen wieder Fakten dominierten. Meister am Stammtisch dürfe nicht derjenige "mit den dümmsten Sprüchen" sein.
"Mache mir Sorgen um die CSU"
Ein einziges Mal fällt an diesem Vormittag der Name Markus Söder. Als Katharina Schulze ohne jegliche Ironie ihre Sorge um die CSU äußert. In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage hätten die Christsozialen im gleichen Maße verloren wie die AfD dazugewonnen habe. "Wir brauchen eine konservative Kraft in unserem Land", so die Grüne. Huber grinst, "des werd' ich dem Söder berichten". Abgesehen davon schwebt der CSU-Chef und Ministerpräsident lediglich im Raum, bei fast allem, was Huber sagt - und auch offen an seiner Partei kritisiert.
"Werden froh sein über starke Grüne"
Hubers offene Worte kommen gut an bei den Landtags-Grünen, immer wieder gibt es spontanen Applaus. Besonders als er auf die vergangene Landtagswahl zu sprechen kommt. Er hält es für einen Fehler, dass die CSU sich so früh auf den Koalitionspartner festgelegt hat. Noch mehr Applaus gibt es, als Huber davor warnt, die gleichen Parolen wie die Populisten, wie die Rechtsextremisten zu verwenden. "Zu glauben, Menschen wählen die Kopie, das ist falsch!" Huber plädiert für eine "gepflegte Gegnerschaft". 2028, bei der nächsten Landtagswahl, "werden wir froh sein, wenn wir starke Grüne haben, mit denen wir koalieren können". Für diese Aussage gibt es den größten Applaus.
79 Jahre alt ist Huber mittlerweile, seine politische Karriere vorbei. Er kann offen Dinge ansprechen, wie sonst wohl nur wenige in der CSU. Die beiden Politiker, Schulze und Huber, fühlen sich sichtlich wohl miteinander. Am Ende gibt's Geschenke: für Schulze ein Buch von der niederbayerischen Schriftstellerin Emerenz Meier. Huber bekommt ein Notizbuch, für "weitere Gedanken" und Tee für den Herbst. In den Farben schwarz und grün.
Im Video: Herbstklausur der Grünen in Passau
Erwin Huber, zu Gast auf der Herbstklausur der bayerischen Landtags-Grünen.
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